Dokumentation Erneuerung durch Streik

Erfahrungen mit einer aktivierenden und demokratischen Streikkultur. 500 Personen besuchten die dreitägige Konferenz. Nachfolgekonferenz vom 2. bis 4. Oktober 2014 in Hannover.

Information

Veranstaltungsort

Gewerkschaftshaus Stuttgart
Willi-Bleicher-Str. 20
70174 Stuttgart

Zeit

01.03.2013 - 03.03.2013

Veranstalter

Hannah Schurian,

Mit

Nuria Montoya (Generalsekretärin der CC.OO in Barcelona), Sean Vernell (Mitglied im Vorstand der UCU, Großbritannien), Günter Busc h (stellv. Landesbezirksleiter ver.di Baden-Württemberg), Moderation: Florian Wilde (Mitherausgeber „Politische Streiks im Europa der Krise“, Rosa-Luxemburg-Stiftung) und vielen anderen.

Themenbereiche

Wirtschafts- / Sozialpolitik, Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Arbeit / Gewerkschaften

Erfolgreiche Arbeitskämpfe
Gewerkschaften diskutieren in Stuttgart über Streikstrategien
Florian Wilde und Fanny Zeise

Mehr als 500 Gewerkschaftsaktive, ForscherInnen und Studierende kamen Anfang März zur Konferenz «Erneuerung durch Streik» ins Stuttgarter Gewerkschaftshaus. Auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und von Verdi Stuttgart tauschten sie sich über Streikerfahrungen aus.

«Es gibt keine wissenschaftliche Sozialkritik ohne Sozialkritik in der Praxis.» So beschrieb Klaus Dörre von der Universität Jena in der Abschlussrede sein Verständnis kritischer Wissenschaft und würdigte die auf der Konferenz zusammengetragenen praktischen Erkenntnisse. Neben dem Erfahrungsaustausch ging es in den drei Tagen aber auch um gewerkschaftliche Erneuerung durch eine aktive und demokratische Streikkultur.

Bernd Riexinger, ehemaliger Geschäftsführer von Verdi Stuttgart, berichtete, wie eine solche Streikkultur im Südwesten über Jahre hinweg aufgebaut wurde. Wichtig sei die demokratische Funktion der Streikversammlung, in der die Streikenden zusammenkommen, und gemeinsam die Strategie entwickeln: «So entstehen eine große Kampfkraft und ein hohes Verantwortungsbewusstsein.» Ähnliche Erfahrungen mit der Einbeziehung von Beschäftigten in die Streikentscheidungen steuerte Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Hanau-Fulda, bei. Im Arbeitskampf in der Vacuumschmelze Hanau berieten die 1.500 Beschäftigten jeden Schritt. In der Urabstimmung sprachen sich dann 94 Prozent der Belegschaft für einen unbefristeten Streik aus, an dessen Ende der Arbeitergeber die Tarifbindung akzeptieren musste.

Dass das auch in prekären Bereichen klappen kann, machten Kolleginnen aus dem Einzelhandel deutlich. Früher, so Christina Frank von Verdi Stuttgart, sei ein mehrtägiger Streik im Einzelhandel wegen der extrem flexibilisierten Arbeitsverhältnisse kaum vorstellbar gewesen. «Aber als wir dann erstmal Kontakt zu den jungen Frauen hatten, entwickelte sich eine unglaubliche Kreativität.» Spontane Arbeitsniederlegungen, die den Einsatz flexibler Kräfte und damit den Streikbruch erschweren, wurden gemeinsam entwickelt. Dass neben der Motivation der Beschäftigten auch öffentlicher Druck eine wichtige Rolle spielen kann, machte die Betriebsrätin Bärbel Thamhayn am Beispiel der Auseinandersetzung bei EDEKA deutlich. Oftmals sei Unterstützung von außen nötig, um rabiaten Arbeitsgeberstrategien etwas entgegenzusetzen und den Streikenden Mut zu machen. Diese Erfahrungen wurden auch mit Blick auf den anstehenden Großkonflikt im Einzelhandel ausgewertet.

Um Gewerkschaften zu stärken, so der Tenor der Konferenz, müsse das wichtigste Machtmittel der Gewerkschaften, der Streik, offensiv und innovativ genutzt werden. «Viel hängt vom Handeln der Akteure ab», konstatierte Klaus Dörre und betonte, Gewerkschaften hätten – auch in Krisenzeiten – eine «strategische Wahl».

Die Diskussion über Streikstrategien und konkrete Schritte wird auf regionalen Treffen und in Publikationen weitergeführt.

Einladung zur Nachfolgekonferenz:
Gemeinsam Strategien entwickeln. Konflikte führen. Beteiligung organisieren.
«Erneuerung durch Streik» II
2. - 4. Oktober 2014 in Hannover
Organisiert von ver.di Hannover/Leine-Weser und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Demokratisierung von Streiks – Revitalisierung der Gewerkschaftsarbeit
Bernd Riexinger (ehem. Geschäftsführer ver.di Stuttgart und Vorsitzender DIE LINKE):

Strategic Unionism - Die Bedeutung von Streiks für gewerkschaftliche Erneuerung in Deutschland
Klaus Dörre, Professor für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Herausgeber des Buches «Strategic Unionism. Aus der Krise zur Erneuerung?»:

Mehr Informationen:

Programm 1.-3.3.2013:

Abendveranstaltung am Freitag, 1. März 2013:
19:00 – 21:30 Uhr: Internationales Podium Politische Streiks im Europa der Krise: Neue Dimensionen der Proteste gegen die Kürzungspolitik
Mit Nuria Montoya (Generalsekretärin der CC.OO in Barcelona), Sean Vernell (Mitglied im Vorstand der UCU, Großbritannien), Günter Busch (stellv. Landesbezirksleiter ver.di Baden-Württemberg), Moderation: Florian Wilde (Mitherausgeber „Politische Streiks im Europa der Krise“, Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Samstag, 2. März

10:30 Uhr Anreise und Anmeldung
11:00 Uhr: Begrüßung
Cuno Hägele (Geschäftsführer ver.di Stuttgart), Fanny Zeise (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Grußwort: Uwe Meinhardt (1. Bevollmächtigter IG Metall Stuttgart)

11:30 Uhr: Referat und Plenumsdiskussion
Demokratisierung von Streiks – Revitalisierung der Gewerkschaftsarbeit
Bernd Riexinger (ehem. Geschäftsführer ver.di Stuttgart und Vorsitzender DIE LINKE)
13:00 – 14:00 Uhr: Mittagspause
14:00 – 17:00 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase (mit Pause)

AG 1: Tägliche Streikversammlungen, Streikdelegiertentreffen, AktivistInnenkomites: Wie funktionieren demokratische Streikformen?

Robert Weißenbrunner (1. Bevollmächtigter IG Metall Hanau-Fulda): Beteiligungsorientierung im Streik bei der Vacuumschmelze Hanau, Sybille Stamm (ehem. Landesbezirksleiterin ver.di Baden-Württemberg): Politisierung durch Beteiligung in Tarifrunden und Streiks, Adrian Durtschi (UNIA, Teamleiter Organizing private Pflege): Elemente direkter Demokratie in Streiks im Pflegebereich in der Schweiz. Moderation: Mario Wolf (IG Metall Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

AG 2: Mehr als ein Job – Der Beruf als Impuls und Erschwernis in Streik
Astrid Buchheim (stellv. Betriebsratsvorsitzende CeBeef Behindertenhilfe FFM) und Norbert Göbelsmann (Betriebsratsvorsitzender CeBeef Behindertenhilfe FFM): Einbeziehung von Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer in Streiks, Luigi Wolf (FSU Jena): Umgang mit dem Pflegeethos in Streiks in Krankenhäusern, Josef Held (Universität Tübingen): Identifikation mit dem Beruf im sozialen Dienstleistungsbereich, Moderation: Monika Neuner (FSU Jena)

AG 3: Wie gewinnen wir? Streikstrategien entwickeln, Konflikte zuspitzen, die eigene Macht nutzen
Wolfgang Hoepfner (Betriebsrat SSB): Freie Fahrt trotz Streik im öffentlichen Personennahverkehr Stuttgart, Dana Lützkendorf (ver.di Betriebsgruppenvorstand): Neue Strategien im Streik bei der Charité Berlin, Moderation: Pauline Bader (FU Berlin)

AG 4: Solidarität, öffentlicher Druck, Zusammenarbeit mit Bündnispartnern – Streiks mit Hilfe von außen gewinnen
Franz Uphoff und Lars Diekmann (IG BAU ): Öffentlicher Druck auf die Arbeitgeber im Streik der Gebäudereinigungskräfte, Katharina Wesenik (ver.di Niedersachsen) sowie Katja Nelke (Vertrauensfrau Netto Göttingen) und Bärbel Thamhayn, (Betriebsrat des Jahres 2012 Edeka Bad Gandersheim): Einsatz von Patenschaften in Konflikten im Einzelhandel, Moderation: Katja Hill (Landesjugendsekretärin ver.di Niedersachsen)

17:00 – 19:30 Uhr: Abendpodium mit Plenumsdiskussion
Erneuerung durch Streik
Carsten Becker (Betriebsgruppenvorsitzender Charité Berlin): Nach dem Streik ist vor dem Streik. Gewerkschaftliche Erneuerung im Betrieb, Jonas Berhe (Projektleiter Organizing IG Metall): Streiks in neuen Branchen – Die Windenergie, Heiner Dribbusch (WSI Düsseldorf): Offensive in der Defensive? Arbeitskämpfe und gewerkschaftliche Erneuerung, Christina Frank (ver.di Stuttgart): Spaltungen entgegnen - Prekäre Bereiche organisieren, Catharina Schmalstieg (FSU Jena): Partizipation in Streiks; Forschungsbericht, Moderation: Jana Seppelt (ver.di Stuttgart)

Sonntag, 3. März

9:00 – 12:00 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase (mit Pause)

AG 5: Kämpfe gegen Betriebsschließungen: Wenn‘s plötzlich um Alles geht

Hans-Jürgen Hinzer (Streikbeauftragter NGG): Auseinandersetzungen bei Coca-Cola Kaiserslautern, Asbach Rüdesheim und Kerry Rodgau, Richard Detje (WISSENtransfer): Analysen zu Kämpfen gegen Betriebsschließungen, Luis Sergio (IG Metall Berlin): Streikerfahrungen bei BSH und CNH (ehem. O&K) Berlin, Moderation: Mario Candeias (Rosa-Luxemburg-Stiftung)

AG 6: Streiks auf der politischen Ebene gewinnen – Streikforderungen politisieren

Monika Reuschenbach (Personalrätin Stadtverwaltung Oberhausen): Kampagne zur gesellschaftlichen Aufwertung des Erziehungsdienstes, u.a., Moderation: Lisa Hofmann (Gewerkschaftsaktive DGB Hessen)

AG 7: Leiharbeit, Befristung, Teilzeit. Kämpfe unter prekären Bedingungen

Peter Renneberg (Arbeitskampfberater, Mitglied von ORKA): Protestformen unter prekären Bedingungen, Stefan Wittmann (Fachbereichsleiter Finanzdienstleistungen ver.di Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen) und Manuela Plath (Sprecherin Tarifkommission, S-Direkt Halle): Streik im Call Center Halle, NGGGewerkschaftsaktive (Legoland Günzburg): Warnstreiks befristet Beschäftigter, Gudrun Willmer (Betriebsrätin H&M Sindelfingen, angefragt): Streik im Einzelhandel

AG 8: Rechte und wie wir sie uns nehmen. Streikrecht und politischer Streik als Kräfteverhältnis

Peter Berg (Justiziar ver.di NRW): Entwicklungslinien und aktuelle Auseinandersetzungen um das Streikrecht, Peter Bigalke (Vorsitzender der Mitarbeitervertretung evangelisches Krankenhaus Bethel Bückeburg): Konflikte um das Streikrecht in kirchlich-diakonischen Einrichtungen, Hartwig Schröder (stellv. Leiter der Bundesrechtstelle der GEW): Strategie der GEW in Auseinandersetzungen um das Beamtenstreikrecht, Moderation: Damiano Valgolio (Rechtsanwalt Berlin.

12:00 Uhr: Referat
Strategic Unionism - Die Bedeutung von Streiks für gewerkschaftliche Erneuerung in Deutschland
Klaus Dörre (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Herausgeber des Buches „Strategic Unionism. Aus der Krise zur Erneuerung?“)

12:30 Uhr: Referat
Wie Weiter? Schlussfolgerungen aus den Streikerfahrungen für die gewerkschaftliche Praxis
Cuno Hägele (Geschäftsführer ver.di Stuttgart)