Dokumentation Der Krieg in Syrien und im Irak: Wohin führt die linke Debatte?

Bericht vom «rls jour fixe» mit Doris Achelwilm, Cindi Tuncel, Mizgin Ciftci, Norbert Schepers und anderen.

Information

Zeit

03.12.2014

Veranstalter

Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen,

Mit

Doris Achelwilm (Bremer Landessprecherin der Partei DIE LINKE), Cindi Tuncel (Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, Fraktion DIE LINKE), Mizgin Ciftci (Jugendreferent der Yezidischen Gemeinde Osterholz-Scharmbeck), Norbert Schepers (Leiter des Bremer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Themenbereiche

International / Transnational, Krieg / Frieden, Westasien im Fokus

Ausschnitte aus der Diskussion und weiterführende Fragen

Veranstaltungsbericht von Paloma Quinteros.

Anlässlich des aktuellen Konflikts im Irak und in Syrien stellen sich für Linke allgemein und auch für die Linkspartei diverse und zum Teil sehr grundsätzliche Fragen, welche auch in Bremen Bestandteil der Diskussion sind. Vor diesem Hintergrund fand das «jour fixe» der Rosa-Luxemburg-Initiative in Bremen statt. Eingeladen waren unter anderem Doris Achelwilm, Bremer Landessprecherin der Linkspartei, Cindi Tuncel, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft für die Partei DIE LINKE, Mizgin Ciftci, Jugendreferent der Yezidischen Gemeinde Osterholz-Scharmbeck sowie weitere Akteure aus der Bremer Linken. Norbert Schepers, RLS Bremen, moderierte den Abend und hatte zur Vorbereitung ein Papier zur Veranstaltung unter dem Titel «Was folgt aus dem Krieg im Irak und in Syrien für die Linke?» vorab online gestellt. Diese Veranstaltung sollte einen ersten Aufschlag machen, die unterschiedlichen mit diesem Krieg zusammenhängenden Fragen zu sichten und aufzuzeigen, an welchen Stellen weiterer Diskussions- und Informationsbedarf besteht.

Die Mehrheit der TeilnehmerInnen schien die Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Peschmerga eher kritisch zu sehen. Diese Haltung wurde nicht aus einer grundsätzlichen Ablehnung von Waffenlieferungen hergeleitet, kritisiert wurde vielmehr der Adressat der Lieferungen. Dies schien damit begründet zu werden, dass die Peschmerga die JesidInnen in ihrem Kampf gegen den IS unzureichend unterstützt hätten. Mehr oder weniger deutlich wurden hingegen neben humanitärer Hilfe auch Waffenlieferungen an die YPG und die YPJ in dem kurdischen Autonomiegebiet Rojava in Nordsyrien gefordert.

Einerseits wurde relativ einstimmig konstatiert, dass die Konfliktsituation eher unübersichtlich und die Frage, welche Kräfte und Interessen hinter welchen Akteuren stehen, nicht immer leicht zu beantworten ist. Andererseits schien für manche der Diskussionsteilnehmer ein Freund-Feind-Schema doch anwendbar zu sein und im Zuge dessen wurde die auch militärische Unterstützung der YPG/YPJ nicht nur zur Selbstverteidigung sondern zur Verteidigung der gesamten Zivilisation gegen die Barbarei (IS) als notwendig bewertet.

Doch wie eindeutig verlaufen die Konfliktlinien tatsächlich? Welche Nachrichten und Bilder bekommen wir vom wem (und mit welchem Ziel)?

Einigkeit bestand auch hinsichtlich der Tatsache, dass eine historische Analyse des Konflikts, die auch die Aufarbeitung der Interventionspolitik in der Region und des sogenannten «War on Terrorism» beinhaltet in den Diskussionen um die aktuelle Lage oft unberücksichtigt bleibt bzw. generell noch aussteht. Auch die Entwicklung einer Perspektive für die Zeit nach der aktuellen Eskalation des Konflikts werde viel zu selten thematisiert. Eine Strategie für die Region sei auch in der Politik der Bundesregierung (und des Westens) nicht erkennbar.

Wie aber können dann weitere Waffenlieferungen, ohne klares strategisches Ziel gefordert, bzw. «Waffen für Rojava» unterstützt werden? Was wenn eine Aufrüstung kurdischer (und yezidischer) Akteure nicht ausreicht, um den IS zu stoppen? Mehr Waffen? Stärkere Waffen? Was wird in dieser Region der weitere Weg dieser Waffen sein?

Anerkannt wurde zwar die Tatsache, dass es auch andere grausame Konflikte auf der Welt gab, gibt und geben wird. Eher offen blieb jedoch die Frage, warum eine Intervention der Bundesregierung – in welcher Form auch immer – ausgerechnet in diesem Konflikt unterstützenswert sein könnte. Auffallend wenig Beachtung wurde seitens einiger Teilnehmer der Frage nach der Legitimation einer Intervention geschenkt, weder Grundgesetz noch UN-Charta scheinen in diesem Fall als Haltelinien zu gelten. Welche Kriterien sollen aber dann für eine Intervention gelten und wer entscheidet darüber ob sie erfüllt sind? Zwar wurde die Achtung und Stärkung des Völkerrechts als richtig und wichtig bestätigt und das Entwickeln von Vorschlägen zur Demokratisierung der UNO als linkes Zukunftsprojekt begrüßt; im aktuellen Konflikt könne man aber nicht auf den Sicherheitsrat zur Legitimierung militärischer Maßnahmen setzen. Was aber ist der Linken das Völkerrecht wert, wenn es angesichts einer aktuellen Gewalteskalation außer Acht gelassen wird?

Für die Linke und nicht zuletzt für Partei DIE LINKE stellt sich schließlich die Frage ihrer Rolle und Funktion im Setting der neuen «Verantwortlichkeit» deutscher Außenpolitik. Wenn auch Linke ein Eingreifen der BRD in den Konflikt im Irak und Syrien (auch jenseits des Rechts) befürworten – wo finden sie sich dann angesichts der Ankündigungen seitens des Bundespräsidenten, der Bundesverteidigungsministerin und des Bundesaußenministers von einer «neuen Rolle Deutschlands in der Welt» wieder?

Paloma Quinteros-Yáñez ist Soziologin und Rechtswissenschaftlerin (MA) und lebt in Bremen. Sie absolviert zur Zeit ein Praktikum im Bremer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.