Dokumentation Die Realität erforschen, um sie zu verändern

Lateinamerikanische Intellektuelle und die Suche nach einer gerechten Gesellschaft.

Information

Veranstaltungsort

Friedrich-Ebert-Stiftung
Hiroshimastraße 17
10785 Berlin

Zeit

06.11.2015

Themenbereiche

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Soziale Bewegungen / Organisierung, Staat / Demokratie, Parteien / Wahlanalysen

Zugehörige Dateien

Klaus Meschkat (Foto: Ferdinand Muggenthaler, RLS)
Klaus Meschkat, 2015 (Foto: Ferdinand Muggenthaler, RLS)

«Den Aufenthalt in Hannover zähle ich zu den schönsten und er­freulichsten Oasen in der Lebenswüste»
Klaus Meschkat bei der Veranstaltung zu seinem 80. Geburtstag

Laudatio von Urs Müller-Plantenberg
Mitbegründer der Lateinamerika-Nachrichten und des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL)

«Nun regieren die sozialen Bewegungen», erklärte Boliviens Präsident Evo Morales nach seiner Amtsübernahme im Januar 2006. Die Parole markiert eine neue Phase der Suche nach politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Teilhabe in Lateinamerika. Eine Phase der Hoffnung auf grundlegende Umgestaltung, einen Weg aus der extremen sozialen Ungleichheit und eine Vertiefung der Demokratie in Lateinamerika – auch für viele Intellektuelle, die immer für eine solche Veränderung eingetreten sind. Diese Umgestaltung sollte auch die Universitäten erfassen, wie zum Beispiel die indigene Universidad popular del Alto in Bolivien dokumentiert.

Wie in Bolivien, so weckten auch die neuen Verfassungen in Venezuela und Ecuador sowie, in anderer Ausprägung, die Regierungen in Brasilien und Argentinien Hoffnungen und änderten die Rolle der Forscherinnen und Forscher, die sich einer radikalen Gesellschaftskritik verpflichtet fühlen: Wie kann man eine Realität erforschen und sie gleichzeitig verändern? Wie muss der demokratische Zugang zu Wissen als Grundvoraussetzung für ökonomische, soziale und auch politische Teilhabe im digitalen Zeitalter gestaltet werden? Wie weit geht die gesellschaftliche Umgestaltung tatsächlich?

Die Anwesenden diskutierten an diesem Abend die Rolle der Universitäten und Intellektuellen auf dem Weg in eine andere, gerechtere Gesellschaft in Lateinamerika. Die Expertin für indigene Bewegungen in Bolivien Patricia Chávez, die argentinische Juristin Valentina Delich, Expertin für intellektuelle Eigentumsrechte und der kolumbianische Soziologe José María Rojas stellten die verschiedenen Konjunkturen intellektueller Einmischung in Lateinamerika dar und – angesichts enttäuschter Hoffnungen und der aktuellen Krisen bzw. wirtschaftlichen Probleme der progressiven Regierungen – riskierten einen Ausblick auf die weitere Entwicklung.

«Wir alle haben damit gerechnet, dass es den Putsch geben würde»
Klaus Meschkat im Interview mit Gerhard Dilger (Oktober 2015)

Programm

18.00 – 20.00 Uhr

18.00 Uhr            Begrüßung (FES, HBS, RLS)

18.10 Uhr            Podiumsdiskussion mit:
José María Rojas, Soziologe, Kolumbien
Patricia Chávez, Soziologin, Bolivien
Valentina Delich, Juristin, Argentinien
Moderation: Raul Zelik, Schriftsteller und Sozialwissenschaftler

20.00 Uhr            Worte zum 80. Geburtstag von Klaus Meschkat

Klaus Meschkat

Seit Jahrzehnten beobachtet Klaus Meschkat die gesellschaftlichen Entwicklungen in Lateinamerika intensiv – zum Teil aus der Ferne, oft aus nächster Nähe: So war er vom März 1973 bis zum Pinochet-Putsch Professor in Concepción/Chile. Später, während seiner Zeit als Professor für Soziologie an der Universität von Hannover (1975 bis 2001), widmete er sich der Analyse der Herrschaftsverhältnisse und der sozialen Bewegungen unter anderem in Bolivien, Mexiko, Nicaragua und Venezuela. Die Untersuchung der Umweltbewegung in Kolumbien oder die der Weltbankpolitik gegenüber den Kleinbauern und -bäuerinnen dieses Landes Anfang der 1980er Jahre waren in der westdeutschen Lateinamerikaforschung ebenso innovativ und originell wie seine Studien zur Arbeiterbewegung in Chile und Kolumbien. Zwischen 1999 und 2007 war er mitverantwortlich für ein russisch-deutsches Forschungsprojekt zur Erarbeitung eines biographischen Handbuchs der Kommunistischen Internationale in Kooperation mit dem Moskauer Komintern-Archiv. Das schon früher von ihm bearbeitete Thema der Stalinisierung der kommunistischen Parteien in Lateinamerika seit Ende der 1920er Jahre wurde hier auf der Basis neuer Quellen bedeutend vertieft.

Das «Beharren auf Demokratie» hat Klaus Meschkats Lebensweg, wie das Jahrbuch Lateinamerika feststellte, maßgeblich geprägt: Von den späten 1950er Jahren, als er als Vorsitzender des Verbands Deutscher Studentenschaften für die Ausweitung des realen Zugangs zur Universität für alle sozialen Klassen eintrat, bis heute, in seinen 81. Lebensjahr.