Elizabeth Peredo - Bolivien

Elizabeth Peredo im Interview

Elizabeth, was beinhaltet dein Kampf gegen den Klimawandel?

  • « In Berührung gekommen bin ich mit dem Thema Klimawandel im Jahr 2001, und zwar über meine Beschäftigung mit dem Menschenrecht auf Wasser. Von 2007 bis 2013 habe ich im Rahmen einer Allianz verschiedener lateinamerikanischer Gruppen die Blue October Campaign koordiniert. Außerdem gehörte ich 2009 dem Team an, das das erste zivilgesellschaftliche Tribunal zu Klimagerechtigkeit in Cochabamba organisiert hat. Das Tribunal hat vor Augen geführt, wie sehr sich der Klimawandel auf die Bevölkerung und Städte der Gebirgsregionen auswirkt. Seitdem habe ich mich viel mit der Klimagerechtigkeitsbewegung befasst und Texte und Analysen geschrieben, um die lokalen und globalen Narrative zur Klimagerechtigkeit mitzuprägen.

    Als Direktorin der Solon Foundation habe ich auch ein Informationsportal ins Leben gerufen, das "Bolivian Observatory on Climate Change and Development" (OBCCD). Die Seite soll - angesichts dessen, wie sehr das Thema Klimagerechtigkeit mit der Zukunft unserer Zivilisation verknüpft - über die Idee der Klimagerechtigkeit informieren. Zur Zeit arbeite ich als Wissenschaftlerin für das OBCCD. Darüber hinaus engagiere ich mich auch als unabhängige Aktivistin für soziale Gerechtigkeit und Umweltgerechtigkeit. Ich bin hier für die feministische Initiative "Trenzando Ilusiones" aktiv. Die Initiative will Debatten und Denkprozesse zu der Frage anstoßen, welche sozialen und persönlichen Werte wir für den Wandel in eine post-kapitalistische und post-patriarchale Gesellschaft brauchen, in deren Zentrum die Care-Ökonomie, die Idee der Commons und Degrowth-Perspektiven im Zentrum stehen. »

Was sind die Hauptthemen, mit denen du dich beschäftigst? Und: Warum sind sie so wichtig?

  • « Ein Thema ist der Klimawandel auf unserem gestressten Planeten und dessen Verknüpfung mit Diskussionen über Entwicklung, Reichtum und Gleichheit sowie der Frage, was das für arme und unterentwickelte Staaten bedeutet. Diese Fragen sind absolut entscheidend, weil die Volkswirtschaften des Globalen Südens seit einiger Zeit einen Entwicklungspfad verfolgen, der die Fehler der reichen Länder wiederholt - einen Entwicklungspfad, der die Natur zerstört, Menschenrechte beeinträchtigt und den massenhaften Konsum in unseren Gesellschaften ankurbelt. Aus diesem Grund engagiere ich mich in verschiedenen Gruppen und arbeite mit Intellektuellen und Aktivisten zusammen, die ein neues Verständnis von Konsum voranbringen wollen und auf der Suche nach neuen Paradigmen für unser Leben sind.

    Ein anderes Thema, mit dem ich mich intensiv beschäftige, ist die Suche nach Alternativen zum herkömmlichen Entwicklungsmodell. Im Zentrum dieser Alternativen steht die große Erzählung, das Narrativ von der Klimagerechtigkeit. Meiner Ansicht nach ist das eine Perspektive, die uns bei der Frage weiterhelfen kann, wie wir uns als Gesellschaft und Zivilisation entwickeln müssen. Im Zentrum dessen stehen die Care-Ökonomie, die Idee der Commons, Degrowth-Konzepte und vor allem auch der Gedanke, dass es sich bei der Atmosphäre um ein Gemeingut handelt, das uns vor die Herausforderung stellt, unser ökonomisches System und unsere sozialen System zu verändern.

    Inspiriert von der Commons-Idee und der Idee des guten Leben interessiert mich vor allem, was man auf lokaler und Gemeinschaftsebene tun kann. Ich beschäftige mich viel mit der Organisation von Commons und mit Erfahrungen, die hierbei gesammelt werden.

    Ein weiteres Feld, mit dem ich mich befasse, sind Frauenrechte und Gewalt gegen Frauen. Ich arbeite vor allem mit Heimarbeiterinnen und Hausfrauen zusammen. Sie sind es, die mit ihrer Arbeit unsere Gesellschaft am Laufen halten. Gleichzeitig sind sie jedoch Teil einer versteckten Ökonomie, die stark unterbewertet wird. Das Thema hängt eng mit meiner Vision zusammen, dass es möglich ist, die Wirtschaft und die Umwelt wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, indem man lokale Alternativen entwickelt. Wir können von den Erfahrungen der Frauen lernen, die zwar der Klimakrise ebenso ausgesetzt sind wie Gewalt, der Missachtung ihrer Arbeit und Diskriminierung, gleichzeitig aber diesen Herausforderungen mit Sorge und Liebe begegnen.

    Auch mit dem Thema Energie und der Entwicklung anderer Konsummuster beschäftige ich mich. Mich begeistert die Idee, das globale Energiesystem auf Erneuerbare umzustellen. Denn das Energiesystem steht im Zentrum der Klimakrise - das beinhaltet die globalen Verhandlungen ebenso wie die Veränderungsprozesse auf lokaler Ebene. Gleichzeitig fürchte ich aber, dass es der Lobby der großen Energiekonzerne gelingen könnte, die Regierungen so zu beeinflussen, dass die alten Strukturen erhalten bleiben und auch das neue Energiesystem außerhalb demokratischer Kontrolle liegen wird. Der Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystem hat aber nicht nur mit der Umstellung auf erneuerbare Energie zu tun. Wir müssen auch die Nachfrage nach Energie senken. Und das bedeutet, dass wir unsere Konsummuster ändern müssen und ebenso unsere Vorstellung von Reichtum und Glück.

    Schließlich bin ich noch Teil der Anti-Atom-Bewegung in La Paz. Mich interessieren die Diskussionen und Perspektiven der Klimabewegung zur Atomenergie und auch welche Rolle sie für die UN-Klimaverhandlungen spielen wird. »

Tauchen diese Themen auch in den UN-Klimaverhandlungen auf?

  • « All diese Themen spielen für die Verhandlungen eine Rolle, wenn auch die Gender-Fragen und die Suche nach Alternativen eher im Kontext der Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN verhandelt werden. Je mehr wir es durch den Klimawandel aber mit Krisen zu tun haben werden, desto stärker werden die Themen in den Fokus rücken. Als Sozialwissenschaftlerin und Aktivistin bin ich auf jeden Fall sehr gespannt, die Klimaverhandlungen zu verfolgen. »

Was brauchen wir denn ganz allgemein für erfolgreiche Klimaverhandlungen?

  • « Ich setze keine großen Hoffnungen in die Verhandlungen. Das liegt vor allem daran, dass der ganze INDC-Prozess die Grundlagen für nationale Reduktionsverpflichtungen dramatisch verschoben hat. Was wir wirklich bräuchten, ist, die grundlegenden Regeln für unseren Umgang mit dem Klimawandel wiederherzustellen, auf die wir uns im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls geeinigt hatten (das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung). Diese Prinzipien wurden ausgehöhlt, weil sich Staaten und Konzerne in diesem Zeitraum gleichzeitig auf einen viel mächtigeren Handlungsrahmen geeinigt haben: den Washington Consenus. Der hat den Konzernen eine grundlegende Rolle bei Entwicklungsfragen gegeben. Wenn wir die Wachstumsobsession durchbrechen wollen, müssen wir diese Lobbyfront durchbrechen, die die Welt regiert und sowohl kleine als auch große Volkswirtschaften auf einen selbstmörderischen Pfad bringt.

    Insgesamt gilt natürlich: Wir müssen die großen Verschmutzer stoppen, genügend finanzielle Mittel bereitstellen, um der Klimakrise zu begegnen, und uns falschen Lösungen wie Geoengineerung und Atomenergie entgegenstellen.Der größte Erfolg des Gipfels wäre - davon träume ich - sich künftig auf die Alternativen, wenn sich die Menschheit künftig auf die Alternativen besinnen würde, die die Menschen schon entwickelt haben. Vor allem müssen wir uns auf ein solidarisches Miteinander besinnen und Bande der Menschlichkeit rund um den Globus spannen. Nur so lässt sich der Krise der Menschheit begegnen, die uns ansonsten mit Sicherheit immer härter treffen wird. »

Elizabeth Peredo - Bolivia

Sozialpsychologin, Autorin und Aktivistin

Elizabeth Peredo hat in den 90er Jahren TAHIPAMU mitgegründet (Women's History and social Participation Workshop) und 1998 angefangen, für die Solon Foundation zu arbeiten, wo sie sich für die Arbeitsrechte von Frauen engagierte. Von 2006 bis 2015 war sie Direktorin der Stiftung. Darüber hinaus ist Elizabeth Mitgründerin des  Bolivian Observatory on Climate Change, für das sie auch wissenschaftlich tätig ist, und engagiert sich für Trenzando Ilusiones), das sich mit Ideen für den Übergang in eine post-kapitalistische Gesellschaft beschäftigt. Elizabeth ist außerdem Aktivistin der bolivianischen Allianz für Klimagerechtigkeit (Encuentro de la sociedad civil boliviana ante el cambio climático) und gehört der Anti-Atom-Bewegung an.