Naomi Klein

Naomi Klein - Kanada

Aktivistin, Journalistin, Autorin

«Unsere Botschaft ist zu wichtig, um zuhause zu bleiben.»

29. November 2015, am Rande der Menschenkette zum Gipfelauftakt | Naomi Klein über den Mut der Demonstrierenden auf den Straßen von Paris und die Bedeutung der Proteste


RLS: Hallo Naomi, wir sind hier bei der Menschenkette die organisiert wurde, um den Protest gegen den Klimagipfel zu eröffnen. Was passiert hier gerade?

  • «Was wir hier sehen, ist eine Straße die eigentlich mit hunderttausenden von Menschen gefüllt sein sollte. Das war der Plan, das war das, was hier hätte passieren sollen. Eigentlich hätten sogar Millionen hier sein sollen. Es sollte ein Zeichen der Stärke sein, ein Zeichen des Drucks, weil dies der Beginn des Klimagipfels, der COP21, ist. Die französische Regierung hat Protestmärsche, Demonstrationen und jede Art von politischer Kundgebung im öffentlichen Raum verboten. Also haben die Leute versucht, Wege zu finden, wie ihre Stimme trotzdem gehört werden kann.

    Es ist beeindruckend, dass etwa 5.000 Leute hierher gekommen sind, sich auf den Gehwegen und Straßen nebeneinander gestellt haben, so dass dies rein formell nicht offiziell ein Protestmarsch ist. Dennoch ist es aber ganz offensichtlich eine politische Demonstration. Und genau das ist angesichts dieser unglaublichen Demonstration staatlicher Repression, die wir hier in den letzten Tagen erlebt haben, ein echtes Zeichen von Mut.

    Verschiedene Klimaaktivisten sind präventiv verhaftet worden, weil man annahm, sie könnten Unruhe stiften. In Wohnungen von Aktivisten haben Razzien stattgefunden haben, die mit erheblicher Machtdemonstration der Polizei einher gingen. Niemand wusste, was uns hier auf der Straße heute erwarten würde.

    Deshalb erscheint es mir umso bedeutender, dass trotzdem so viele gekommen sind. Ein Teil der Botschaft, die wir hier hören ist: "Ja, Sicherheit ist wichtig, aber die Sicherheit eines jeden Menschen ist wichtig. Menschen verlieren ihr Leben dadurch, dass wir nicht gegen den Klimawandel aktiv werden. Und diese Leben sind auch wichtig, sie sind genauso wichtig." Es ist also in gewisser Weise eine Erweiterung der Trauer um diejenigen, die ihr Leben verloren haben.

    Ein anderer Teil der Botschaft ist aber auch, dass unser Anliegen einfach zu wichtig ist, um folgsam zuhause zu bleiben und still zu sein. Und dazu braucht es in dieser Situation Mut.

    Wir wissen, dass die Regierungen mit vollkommen inadäquaten Emmissionsreduktionszielen an den Verhandlungstisch kommen, mit Reduktionszielen, die uns immer weiter in die Misere führen, in eine total katastrophale Welt. Und einige dieser Regierungen, wie die der USA oder Kanada zum Beispiel, wollen noch nicht einmal, dass diese lächerlichen Ziele rechtlich verbindlich sind. Angesichts dessen können wir nicht schweigen!»

RLS: Vielen Dank, Naomi. Da muss es doch jetzt, mehr als je zuvor, um Klimagerechtigkeit gehen, oder?

  • «Naomi Klein: Genau!»