Publikation Rosa-Luxemburg-Stiftung Jahresbericht 2017

Schwerpunkt «Stadt, Wohnen, soziale Spaltung»

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Reihe

Jahresberichte, Buch/ Broschur

Erschienen

August 2018

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Liebe Leserinnen und Leser,

der globale Trend zu autoritär-nationalistischer Politik setzte sich auch 2017 fort. Seit der Bundestagswahl ist in Deutschland eine rechtspopulistische Partei im Parlament und der Sog nach rechts geht weit über sie hinaus. Zehn Jahre nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise vertieft sich die Krise der etablierten Politik immer mehr.

Während rechtspopulistische Parteien in einigen Ländern bereits an der Regierung sind, verschärft sich nicht nur das innenpolitische Klima, sondern auch die rigide Abschottung der Grenzen. Das Mittelmeer wird zum Massengrab am Südrand der europäischen Wohlstandsregion. Doch dieser Wohlstand ist auch in Europa sehr ungleich verteilt und sorgt für unterschiedlichste Lebensbedingungen und Zukunftschancen.

Wir beobachten innerhalb der Bundesrepublik ein starkes Auseinanderdriften von Zentrum und Peripherie, damit einhergehend hat sich das Wahlverhalten verändert. DIE LINKE erhielt in großstädtisch geprägten Regionen Stimmenzuwächse. Sie verlor dagegen in ländlichen Gebieten, deren sozialökonomische Dynamik im Vergleich schwächer ausgeprägt ist und wo es weniger gelang, Präsenz zu entwickeln und politische Angebote zu unterbreiten. Bis zur Wahl im September sank auch dort die Wahlbeteiligung, insbesondere bei erwerbslosen Menschen.

Die drohende Entstehung von «demokratiefernen Räumen» ist eine Herausforderung für jede Institution der politischen Bildung. Die Landesstiftungen sind für uns ein zentraler Akteur bei dem Versuch, dem entgegenzuwirken. 2017 konnten mit ungefähr 2.000 Veranstaltungen rund 87.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreicht werden. Hinter diesen Zahlen steckt ein großes ehrenamtliches Engagement, das gar nicht hoch genug zu schätzen ist.

Mit unseren Veranstaltungen in der Fläche, aber auch mit Publikationen, Studien sowie Veranstaltungen in Berlin greifen wir wichtige aktuelle Themen auf. Eine zentrale soziale Auseinandersetzung dreht sich um das «Recht auf Stadt». Die Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten und die zunehmenden Spekulationen mit Immobilien, insbesondere Wohnungen, haben uns dazu gebracht, hier einen Schwerpunkt unseres Jahresberichts zu setzen.

Gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Studie zur «Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit» in Auftrag gegeben, die von Andrej Holm, Sabine Horlitz und Inga Jensen erarbeitet wurde. Etwa zeitgleich erschien in der Reihe «luxemburg argumente» die Broschüre «Muss wohnen immer teurer werden?». Den Diskurs um bezahlbare Wohnungen, um Gentrifizierung und ähnliche Fragen wird die Stiftung weiterführen, gemeinsam mit der uns verbundenen HermannHenselmann- Stiftung.

Die Stadt ist zugleich ein Terrain von Abschöpfung gigantischer Datenmengen durch große Technologieunternehmen. Evgeny Morozov und Francesca Bria haben in einer Studie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung über «Smart Cities» auf diese Zusammenhänge hingewiesen und zeigen linke Alternativen am Beispiel der Stadtverwaltung von Barcelona auf.

Inspiriert von den Erfahrungen in den USA, in Spanien und England hat die Debatte um «Organizing» in der politischen Linken Konjunktur. Im Institut für Gesellschaftsanalyse wird sie mit dem Verständnis einer «neuen Klassenpolitik» verbunden, die versucht, den «Knoten der unterschiedlichen Herrschaftsverhältnisse zu durchtrennen» (Frigga Haug).

2017 jährten sich die Revolutionen vom Februar und Oktober 1917 in Russland mit ihren tief greifenden, vor allem internationalen Konsequenzen. Zur Geschichte der Russischen Revolution(en) organisierte die Stiftung bundesweit und international über 100 Veranstaltungen und gab einige Publikationen heraus, darunter den Materialienband «Roter Oktober 1917» von Christoph Jühnke und Bernd Hüttner, «Anarchismus und Russische Revolution» von Philippe Kellermann, «Die russische Linke zwischen März und November 1917» von Wladislaw Hedeler, «Diktatur statt Sozialismus. Die russische Revolution und die deutsche Linke 1917/1918» von Jörn Schütrumpf sowie «Lenin neu entdecken» von Michael Brie.

Zusätzlich befassten sich die Ausstellung «The kids want communism » aus Israel und die Konferenz «Perspektiven auf den Roten Oktober» mit dem «unausschlagbaren und unannehmbaren» Erbe der Oktoberrevolution.

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Reformation, die 2017 ihren 500. Jahrestag feierte, fanden verschiedene Veranstaltungen statt sowie Busexkursionen zur Person Thomas Müntzer. Höhepunkt war eine mehr als 20 Mal aufgeführte szenische Lesung des Romans «Q» in einer von Thomas Ebermann bearbeiteten Fassung.

Auch am Evangelischen Kirchentag beteiligte sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Eine der Attraktionen war unzweifelhaft die Podiumsdiskussion mit Bodo Ramelow zum Thema «Mit Luther, Marx & Papst den Kapitalismus überwinden». Zudem veröffentlichte die Stiftung das Buch «Alle Verhältnisse umzuwerfen … und die Mächtigen vom Thron zu stürzen» über das gemeinsame Erbe von Christinnen, Christen und Marx.

Die internationale Arbeit der Stiftung ist in diesen turbulenten Zeiten und angesichts eines global grassierenden neuen Autoritarismus bedeutsamer denn je. Das Zentrum für internationalen Dialog (ZiD) hat mit der Orientierung auf fünf zentrale Themenlinien begonnen, politische Verbindungslinien in ihrer Arbeit zu vertiefen, die die Aktivitäten in den Auslandsbüros besser zusammenbringen können. Die Ausrichtung am Konzept «Globale Soziale Rechte» als Perspektive soll der internationalen Stiftungsarbeit stärkere gemeinsame politische Konturen verleihen.

Neue Büros in Beirut und Madrid konnten eröffnet werden, weitere sind in Vorbereitung. Die Krisenregion im Nahen Osten wird inhaltlich durch unser Programmbüro in Beirut betreut. Das übergeordnete Thema ist «positiver Frieden», was bedeutet, Ideen für friedliche und gerechte Gesellschaftsordnungen zu implementieren und den Dialog über Konfliktlösungsstrategien zu führen.

Insgesamt ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung mittlerweile in mehr als 70 Ländern aktiv. Neben der Beschäftigung mit neoliberalen und neoautoritaristischen Regimen stehen die Vernetzung der Linken und das Lernen voneinander im Vordergrund der Stiftungsarbeit. Stellvertretend dafür waren 2017 beispielsweise die europäische Sommerschule in Madrid und die Konferenz «Keine Arbeitermacht ohne Organisierung» in Belgrad. Beide dienten dem internationalen Erfahrungsaustausch über Aktionen sowie der kritischen Sicht auf erfolgreiche und gescheiterte Projekte.

Ebenfalls Austausch und gegenseitiges Lernen ermöglichten die Bildungsreisen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die auf eine erfreulich große Nachfrage stießen. Katalonien und Madrid, Russland, Israel und Rom waren 2017 Ziele dieser spannenden Bildungsangebote.

In einer Gesellschaft, in der im vergangenen Jahr erneut Rassismus, Konkurrenz und Ausgrenzung zugenommen haben, ist sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung bewusst, wie wichtig politische Bildung ist. Wir stehen für eine Bildungsarbeit, die kritisches Nachdenken ermöglicht, zum Widerspruch ermuntert, Empathie befördert und solidarische Perspektiven diskutierbar macht.

Einen Überblick über das letztjährige Angebot findet sich auf den nachfolgenden Seiten. Wir wünschen eine anregende Lektüre.

 
Dagmar Enkelmann, Vorsitzende des Vorstandes

Inhalt

  • Editorial
  • Schwerpunkt: Stadt, Wohnen, soziale Spaltung
  • Das Institut für Gesellschaftsanalyse
  • Akademie für politische Bildung
  • Historisches Zentrum Demokratischer Sozialismus
  • Bundesweite Arbeit
  • Zentrum für internationalen Dialog und Zusammenarbeit
  • Geförderte Projekte
  • Das Studienwerk
  • Politische Kommunikation
  • Archiv und Bibliothek
  • Berichte aus der Stiftung
  • Personalentwicklung
  • Gremien
  • Organigramm
  • Stiftungshaushalt

Alle Jahresberichte finden Sie hier.