Nachricht | Amerikas - USA / Kanada - Gesellschaftliche Alternativen - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit - COP 22 Donald Trump in Marrakesch

Um zu verstehen, was Trumps Sieg für die Klimaverhandlungen und die Klimabewegung bedeutet, muss man verstehen, warum ihm seine Anhänger zujubeln - und Schlüsse daraus ziehen.

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Aktion des Climate Justice Network am 9.11.2016 in Marrakesch

Die Klima(gerechtigkeits)politik hat seit jeher zwei Modi: den der globalen Klima-Governance, die hart um einen weltweiten Konsens für einen effektiven Klimaschutz ringt, und den der sozialen Bewegungen, die von unten die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und Normalitäten verschieben. Eine Politik von oben, eine von unten - wobei dies keine Wertung darstellt: Ohne den Atomausstieg von oben hätte die von unten agierende Anti-Atom-Bewegung in Deutschland nicht wirklich und abschließend gewonnen.

Der erste Politikmodus geht davon aus, dass globale Probleme wie der Klimawandel globaler Lösungen bedürfen. Auf Grundlage dieser Logik wurden die Institutionen der globalen Klima-Governance geschaffen, allen voran die UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC. Tatsächlich sind diese Institutionen - trotz all ihrer offensichtlichen Schwächen - wichtig, weil soziale Bewegungen in einzelnen Ländern zwar erhebliche Fortschritte erkämpfen können, diese aber ohne einen globalen institutionellen Rahmen nicht weltweit verallgemeinert werden können. Außerdem lassen sich zentrale Fragen der Klimagerechtigkeit nur auf dem internationalen Verhandlungsparkett effektiv bearbeiten: die Abermilliarden schwere Frage etwa, wer wie viel für die Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels zahlen muss und die ebenfalls Abermilliarden schwere Frage, wer wie viel für die klimawandelbedingten Schäden und Verluste ('Loss&Damage') leisten muss.

Vertreter_innen des zweiten Modus verweisen seit jeher darauf, dass die globalen Institutionen der Klima-Governance zu elitär und abgehoben seien, dass sie nicht in der Lage seien, die notwendigen radikalen Fragen zu stellen, und dass am Ende dort eigentlich nichts Positives mit ausreichend effektiven realen Auswirkungen geschehe. Fakt ist tatsächlich, dass die UN-Verhandlungen in mehr als 20 Jahren weder zu realen Treibhausgasreduktionen geführt noch wirklich belastbare und halbwegs ausreichende Finanzierungszusagen hervorgebracht haben. Vor diesem Hintergrund ist auch die scharfe Kritik am Pariser Abkommen zu verstehen. Viele argumentieren, dass die wirklich effektiven Veränderungen unserer Gesellschaften immer von unten angestoßen und von politischen Institutionen dann nur noch formalisiert (und gelegentlich pervertiert) wurden.

In der Klima(gerechtigkeits)bewegung finden sich beide Zugänge - wenngleich es auch Konflikte gibt: Soll man zum Klimagipfel nach Paris mobilisieren oder im Rheinland zu "Ende Gelände" aufrufen? Soll man bei den Klimagipfeln auf der Straße vor dem Konferenzzentrum demonstrieren oder drinnen bei den Verhandlungen Nuancen im Wording der Vertragstexte verschieben, um kleine Besserungen zu erreichen oder Schlimmeres zu verhindern? Oder - ganz gelegentlich - bemerkenswerte Erfolge wie das 1,5-Grad-Limit zu bewirken?

Welchen Effekt hat die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA?

Welchen Effekt hat die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA, wenn man diese beiden Modi der Klima(gerechtigkeits)politik betrachtet? Klar ist: Trump ist der Worst Case für jede Form der Klimapolitik: Er zweifelt die Existenz des menschengemachten Klimawandels an. Er hat angekündigt den Clean-Power-Plan der Obama-Regierung abzuschaffen, der zur Abschaltung der dreckigsten US-amerikanischen Kohlekraftwerke führen soll. Er will die Keystone-XL-Pipeline realisieren, die die fossile Infrastruktur auf Jahrzehnte hinaus manifestieren würde. Und er hat angekündigt, dass die USA aus dem Pariser Abkommen austreten werden (auch wenn das nicht so einfach ist). All das bringt das empfindliche klimadiplomatische Gefüge ins Wanken, das mit dem Pariser Abkommen gerade ein klein wenig Dynamik in die Verhandlungen gebracht hatte.

Damit ist die Klima-Governance zwar nicht am Ende, aber stark angeschlagen und wird mit großer Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren wieder arg stottern. Inwiefern sich der klimadiplomatische Diskurs verschiebt, zeichnet sich bereits heute am Tag nach der Wahl ab: Die Kooperation der USA und Chinas war eine zentrale Voraussetzung für das Zustandekommen des Pariser Abkommens. Nicht ausgeschlossen ist, dass es soweit kommen könnte, wie es heute morgen ein Mitglied einer afrikanischen Regierungsdelegation kommentierte: "If you lose the Americans, you lose the Chinese, and that's it."

Wenn die USA unter Trump klimapolitisch zum Totalstillstand kommen, müssen sich die anderen (Industrie)Staaten umso stärker engagieren: Sie müssen mehr Emissionen reduzieren, mehr für die Klimafinanzierung aufbringen, mehr Energie aufwenden, um den zarten klimadiplomatischen Schwung nicht abzuwürgen. Das sind zumindest die Forderungen, die von Bewegung und NGOs an den Prozess herangetragen werden. Wie groß der Handlungsspielraum im klimadiplomatischen Gefüge ist, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass die Klimaziele der Staaten schon jetzt bei Weitem nicht ausreichen, das 1,5-Grad-Limit zu halten. Diese Zuspitzung des Handlungsdrucks, weil ein traditionell in den Klimaverhandlungen zentraler Akteur plötzlich kippt und unberechenbar wird, erschwert die ohnehin komplexen Aushandlungsprozesse um Reduktionsverpflichtungen und Finanzzusagen. All das kostet noch mehr Zeit. Zeit, die sich die Welt angesichts der Tatsache, dass das Emissionsbudget für das 1,5-Grad-Limit schon 2020 aufgebraucht sein wird, nicht leisten kann. Wie jetzt aber weiter?

But why did we lose the Americans?

Um zu verstehen, wie Donald Trump die Koordinaten der Klimapolitik verschiebt, reicht es nicht aus, nur zu konstatieren, dass damit das Pariser Abkommen und das zarte Pflänzchen klimadiplomatischen Schwungs in Gefahr sind. Entscheidend ist die Frage, warum Trump überhaupt siegen konnte. Die Antwort hierauf ist für alle sozialen und linken Bewegungen entscheidend und sie ist ebenso zentral für die Frage danach, wie eine progressive Klima(gerechtigkeits)politik aussehen kann und muss.

Die Frage ist: Warum haben so viele Menschen, die nicht unbedingt rassistische oder sexistische Ressentiments hegen, Trump überhaupt gewählt? Die Washington Post hat dazu treffend bemerkt: "Many Trump supporters don't believe his wildest claims - and they don't care". Das heißt, Trump-Wähler unterstützen ihn nicht wegen, sondern trotz seiner Positionen. Und dies tun sie, weil es ihnen scheinbar nicht um die Inhalte von Trumps politischem Programm im klassischen Sinne geht. Das erklärt, warum es Trump nicht schadet, wenn er beständig verschiedenster ganz offensichtlicher Lügen überführt wird. Und es erklärt, warum es Trump nicht schadet, wenn ihm nachgewiesen wird, dass seine politischen Pläne nicht einmal aus seiner Sicht Sinn machen - wie zum Beispiel John Oliver in seiner exzellenten Demontage des Trump'schen Grenzmauerplans zeigt.

Der politische Diskurs von und rund um Trump ist ein Beispiel für ein Phänomen, das in Deutschland als "post-faktische Politik" diskutiert wird. Der englische Begriff hierfür, "post truth politics", geht darüber noch hinaus - denn bei der Wahrheit geht es um mehr als um die bloßen Tatsachen selbst. Der Begriff steht für das Phänomen, dass Trumps politische Statements gar keine klassischen Wahrheitsansprüche mehr artikulieren. Eben deshalb lassen sie sich auch nicht mit den traditionellen Waffen der sozialistischen Ideologiekritik bekämpfen. Trump sagt:: "I'll build a wall, and Mexico will pay for it." Und die Linken entgegnen: "The wall cannot be built, and Mexico will never pay for it". In dieser Entgegnung aber drückt sich der rationalistische Diskurs innerhalb der linken Politik aus (in Deutschland aus gegebenem historischen Anlass noch stärker als in vielen anderen Ländern) - und dieser geht vollkommen am Punkt vorbei. Inwiefern, das bringt Stephen Colbert absolut treffend auf den Punkt: "These legitimately angry voters don't need a leader to say things that are true, or feel true. They need a leader to feel things that feel feels. And that's why I believe Donald Trump is a leader for our times: an emotional megaphone full of rage..."

Mit anderen Worten: Trump appelliert nicht an Interessen im klassischen Sinne - wenn man unter "Interesse" versteht, dass eine politische Aussage A in einem stabilen Verhältnis zu einer Policy B steht, die wiederum ein irgendwie geartetes (persönliches, gesellschaftliches, ökonomisches) Interesse C bedient. Trumps Aussagen stellen einfach nur affektive Resonanzen her. Seine Unterstützer_innen jubeln ihm - erstens - nicht zu, weil sie den Inhalt seiner Aussagen bejubeln. Sie jubeln ihm zu, weil dort jemand das fühlt, was sie seit Jahren oder Jahrzehnten fühlen. Und - zweitens - bejubeln sie, dass dort jemand steht, der ihnen ein Gefühl von Stärke und Relevanz vermittelt, dass sie seit Jahrzehnten nicht mehr gespürt haben.

Es ist deshalb aus zwei Gründen ratsam, keine großen Hoffnungen auf maßgebliche Erfolge in den UN-Klimaverhandlungen zu setzen: Erstens bremst Trumps Machtantritt den Prozess - wie stark, muss sich noch zeigen. Zweitens - und darin liegt der tiefere Grund - bewegt sich auch der UN-Klimaprozess vor allem im Feld klassischer Wahrheitsansprüche und lässt die affektive Politikebene weitestgehend außer Acht.

Wenn das zutrifft - und davon gehen wir aus angesichts eines Zeitalters, in dem Eliten angeblich unwiderlegbare Wahrheiten ("Es gibt keine Alternativen") dazu benutzen, die historischen Errungenschaften der Arbeiterklasse drastisch zurückzufahren und eines Zeitalters, in dem die sozialen Medien Resonanzräume schaffen, in denen sich massenweise verheerende "Wahrheiten" manifestieren - dann darf sich Klima(gerechtigkeits)politik nicht damit begnügen, nüchtern auf ihre Wahrheiten zu verweisen. Aus Sicht der Klimagerechtigkeitsbewegung braucht es eine Klima(gerechtigkeits)politik, die Menschen ermächtigt, die nicht mit CO2-Budgets an sich argumentiert, sondern mit den Kämpfen der am stärksten vom Klimawandel Betroffenen, den Front-Line-Communities. Es braucht eine Klima(gerechtigkeits)politik, die sexy genug ist, den rassistischen, sexistischen, demagogischen Trends entgegenzutreten, die den Globalen Norden zurzeit überrollen.

Kurz: Es braucht - so argumentieren Aktivist_innen der Klimagerechtigkeitsbewegung jetzt - zusätzlich zum Fokus auf die COPs auch mehr Gewicht auf Aktionen wie Ende Gelände. Es braucht zusätzlich zu den Kämpfen für eine CO2-Steuer im Kongress auch mehr effektive, kraftvolle und umfassende Kämpfe gegen Keystone XL und die Dakota Access Pipeline. Aus Sicht der Klimagerechtigkeitsbewegung muss es mehr zivilen Ungehormsam und weniger UN-Gipfel-Hopping geben. Nicht weil diese Gipfel unnötig oder ineffektiv sind. Sondern weil eine Welt, in der sich Klimapolitik primär an Vernunft und logische Argumentation klammert und globale Eliten das Geschehen dominieren, die Klimakrise nicht wird abwenden können. Aus dieser Perspektive gilt: Gewinnen lässt sich der Kampf gegen die Klimakrise nur mit einer Klimagerechtigkeitspolitik, die es schafft, attraktiver zu sein als das Desaster auf der anderen Seite.