Nachricht | Mini, Mofa, Maobibel. Die sechziger Jahre in der Bundesrepublik, Bielefeld 2013

Information

Seit der Veröffentlichungswelle 2007/8 – anlässlich des 40. Jubiläums von „1968“ – könnte vermutet werden, es sei schon alles zu dieser Wendezeit der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte geschrieben worden. Mini, Mofa, Maobibel wirkt erst einmal unscheinbar, hat es dann aber in sich. Das Buch bietet insofern neues, als es über Objekte, Stile und Sichtweisen aus dem Alltag breiter Kreise der Bevölkerung berichtet und jene diskutiert. Der reichhaltig und größtenteils farbig bebilderte Band ist das Begleitbuch zu einer kulturgeschichtlichen Ausstellung.

Thematisch umfasst er in insgesamt 13 Beiträgen unter anderem Architektur, Wohnen, Design, Mode, Reisen, Malerei und Musik. Als geographischer Bezugsrahmen wird, wie es der Untertitel aussagt, die Bundesrepublik bzw. wenn man die Einflüsse hinzunimmt, Westeuropa (und Nordamerika) gewählt, die DDR ist kein Thema.

Der Reigen der Beiträge deutet an, dass hier ein weites Feld aufgemacht wird, dieses reicht von Möbeln über Filme, von der Malerei bis zur Verhütung, von Kinderspielzeug bis zur Rockmusik. Eingesprenkelt sind statistische Angaben, so erfährt die Leserin, dass es 1972 in 82 Prozent aller Haushalte eine Badewanne gab, und 1962 in nur gut der Hälfte einen Kühlschrank. 1964 gab es 7,7 Millionen PKW (Zum Vergleich 2010: 41 Millionen), ein Jahr vorher betrug der Mindesturlaub 18 Werktage, wenn dieses zusammengedacht wird, erklärt sich unter anderem, dass 1968 erstmals mehr Deutsche im Ausland als im Inland Urlaub machten. Am Ende der 1960er Jahre hatten dann schon 85 Prozent aller Haushalte einen Fernseher, das entspricht 16 Millionen Geräten, allerdings hatte 1971 erst 8 Prozent einen Farbfernseher der damals 2500 DM, das Zweieinhalbfache eines durchschnittlichen Nettomonatseinkommens, kostet. Der heute gerne auf Fotos gezeigte „Mini“ wird nur von einem Prozent der Frauen getragen.

Der Band macht deutlich, wie neue Trends, Konsummuster und Lebensstile entstehen, bei gleichzeitiger Fortexistenz der alten, also Beatles und Schlager, Peter Weiss bei Suhrkamp und Johannes Mario Simmel, skandinavische Möbel und Gelsenkirchener Barock, Edgar Wallace oder Winnetou Filme und die von Volker Schlöndorff. Es beginnt und beschleunigt sich das, was später die „Pluralisierung der Lebensstile“ genannt werden wird. Es wandelt sich auch das Verständnis davon, was „öffentlich“ und „privat“ ist, und was in den dazugehörigen Sphären gelebt wird. Der vergleichsweise hohe Wohlstand und die Entdeckung der Teenager als konsumfreudige Gruppe bildet die materielle Grundlage der in dem Buch gezeigten Entwicklungen. Ein umfangreiches, sortiertes Literaturverzeichnis und eine Zeitleiste runden diese Veröffentlichung ab.

Siegfried Müller (Hrsg.): Mini, Mofa, Maobibel. Die sechziger Jahre in der Bundesrepublik, Kerber Verlag, Bielefeld 2013, 138 Seiten, 25 EUR

Die Ausstellung "Mini, Mofa, Maobibel" ist noch bis zum 3. März 2013 im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte im Schloss in Oldenburg zu sehen.