Nachricht | Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2013

Information

Das Jahrbuch erscheint seit nunmehr 20 Jahren, zuerst institutionell verbunden mit dem Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, nun mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Es ist einer der wenigen Orte, an denen in deutscher Sprache zur Geschichte der kommunistischen Bewegung publiziert wird. Die laufende, pünktlich Mitte April erschienene Ausgabe (Inhaltsverzeichnis) für 2013 hat einen umfangreichen Schwerpunkt zur Kommunismusforschung in Westeuropa. Hier finden sich Texte zu den kommunistischen Parteien Österreichs, Dänemarks, Italien und Frankreichs. Genauer gesagt, zu deren eigener Geschichtsschreibung sowie zur Geschichtsschreibung über sie. Allen Beiträgen ist gemeinsam, dass sie als Kommunismus den autoritären, an „Moskau“ orientierten Parteikommunismus verstehen und so den Alleinvertretungsanspruch dieser Parteien (PCI, KPF) fortsetzen. Andere kommunistische Gruppen oder Parteien, die ja zumindest in Frankreich und Italien eine nicht unwesentliche Rolle spielten, kommen nicht vor. In allen Beiträgen wird reichlich Literatur genannt, die aber in der Regel in der Sprache des jeweiligen Landes verfasst ist. Verfasser des Beitrages zur KPÖ ist Manfred Mugrauer, Sekretär der Alfred Klahr Gesellschaft. Diese wiederum verwaltet das Archiv der KPÖ. Ob dadurch die nötige Distanz für eine wissenschaftliche Untersuchung gegeben ist?

Der Schwerpunkt wird eingeleitet mit einem Beitrag von Mario Kessler zu den Anfängen der westdeutschen Kommunismusforschung der 1950er und 1960er Jahre. Kessler greift auf seine Forschungen zur Emigration und Remigraton zurück und hier konkret Ossip K. Flechtheim, Franz Borkenau und Richard Löwenthal als Beispiel heraus und stellt deren  – wechselhaftes – Leben und ihr wissenschaftliches Wirken vor.

Drei weitere Beiträge behandeln den Umgang mit sowjetischen Ehrenmalen in Litauen, Estland und Deutschland. Sebastian Voigt, der, zusammen mit Samuel Salzborn, im Jahr 2011 die umstrittene Studie "Antisemiten als Koalitionspartner?" (PDF) zum Antisemitismus in der Linkspartei publizierte, ist auch vertreten. Voigt berichtet über den Übergang französischer Linker der 1970er Jahre vom Kommunismus zum Antitotalitarismus und welche Bedeutung dabei die jüdische Zugehörigkeit der Protagonisten hatte. Herman Weber, der Doyen des Jahrbuches, berichtet in einem längeren, autobiographisch geprägten Aufsatz über ein Zeitschriftenprojekt namens „Der dritte Weg. Diskussionsforum für einen modernen Sozialismus“. Mit seiner Hilfe sollten von 1959 bis 1964 gezielt Angehörige der mittleren und höheren Ebenen der SED für einen dritten Weg gewonnen werden.

Die Ausgabe enthält wie immer den umfangreichen International Newsletter of Communist Studies (im Buch enthalten ist die laufende Nr. 26, online zugänglich ist als aktuellste die Nr. 25, Stand 25.6. 2013, siehe http://newsletter.icsap.de).

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2013, 414 Seiten, 38 EUR, Aufbau Verlag, Berlin 2013

Hinweis: Rezension des Jahrbuches 2012 (mehr)