Nachricht | Deutsche / Europäische Geschichte - GK Geschichte Alles nach Plan? Formgestaltung in der DDR, Berlin

...es gab kein sozialistisches Design, aber sehr wohl Design in der DDR.

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Der Bauhausstil sei eine „volksfeindliche Erscheinung“. So kanzelte 1952 Walter Ulbricht, Vorsitzender des Zentralkomitees der SED, in einem sehr befremdlichen Sprachduktus die Bemühungen von Formgestaltern in der DDR ab. Es begann die Kampagne gegen den Formalismus.

Eine kleine Ausstellung der Berliner Niederlassung des staatlichen Haus´ der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (HdG) stellt derzeit anhand von vielen Objekten, der Vita einzelner Gestalter und der Geschichte der institutionellen Einbindung der Gestaltung in die sozialistische Wirtschaft dieses relativ unbekannte, aber doch im damaligen Alltag sehr präsente Feld der DDR-Geschichte vor.

Design, oder wie es in der DDR bis fast zu ihrem Ende hieß, (industrielle) Formgestaltung, hatte den Auftrag, langlebige Güter zu schaffen, die für die Massenfertigung geeignet waren, egal ob es sich um Kleidung, Hausrat oder Fahrzeuge handelte. So lautete zumindest der Anspruch. Die Ideen der oftmals noch von den Reformideen der Weimarer Zeit inspirierten Gestalter stießen auf die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der DDR. Ab den 1970er Jahren - 1972 entsteht aus einer Vorläufereinrichtung das „Amt für industrielle Formgestaltung“ (AiF) -, wird in der DDR zusehends für den Export produziert. Dies verschafft der Gestaltung ambivalente Freiräume, da für den Export eine moderne Formensprache der Produkte notwendig ist.

Die 180 Quadratmeter umfassende Ausstellung vermittelt anhand der Objekte und der Hintergrundinformationen einen guten Eindruck vom Schaffen der Gestalter und Gestalterinnen. Das HdG arbeitet nach der seit 2008 geltenden Gedenkstättenkonzeption der Bundesregierung, die fordert, dass Repression und Widerstand gegenüber der Alltagsgeschichte im Vordergrund stehen. Unter dieser Engführung leidet auch diese Ausstellung, obwohl sie Gegenstände des Alltags präsentiert. Die präsentierten Videointerviews zeigen ihr Selbstverständnis. Der Tenor dort ist, dass es zwar kein DDR-Design oder gar sozialistisches Design gegeben habe, aber sehr wohl Design in der DDR.

Die Objekte stammen aus der umfangreichen Sammlung des 1990 abgewickelten AiF, das nach der Wende von der Stiftung Industrie- und Alltagskultur verwaltet und weiterentwickelt und unter Protest 2005 in das Haus der Geschichte eingegliedert wurde. Mehr dazu hier: http://www.stiftung-industrie-alltagskultur.de.

 

Noch bis 19. März 2017. Museum in der Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, 10435 Berlin. Eintritt frei. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Die Ausstellung wird später vermutlich auch an den anderen Standorten des HdG in Leipzig und Bonn zu sehen sein.

 


[Begleitband] Gabriele Zürn /Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Alles nach Plan. Formgestaltung in der DDR (76 Seiten, ISBN 9783937086248), an der Museumkasse 9,80 EUR.

 

Weitere Literatur zum Thema

Form und Zweck. Zeitschrift, erscheint in der DDR von 1956 bis 1990. Hintergrundinformationen hier: www.formundzweck.de/de/ueber-uns.html

Jahrgänge 1956 bis 1990 digitalisiert im Volltext https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/130943/1/

Heinz Hirdina: Gestalten für die Serie - Design in der DDR 1949-1985, Dresden 1988

Günter Höhne: Das große Lexikon DDR-Design, Köln 2007

Ders.: Die geteilte Form : deutsch-deutsche Designaffären 1949 – 1989, Köln 2009

Jens Kassner (Hrsg.): Clauss Dietel und Lutz Rudolph – Gestaltung ist Kultur, Chemnitz 2002

 

Unter http://www.industrieform-ddr.de/ hat Günter Höhne, von 1984 bis Mitte 1989 Chefredakteur der Form und Zweck, seit 2004 eine umfangreiche Website aufgebaut, die sich „der Erforschung, Dokumentierung, dem Erkenntnisaustausch und der Publizierung der Geschichte des ostdeutschen Designs als Bestandteil der gesamtdeutschen Industriekultur seit 1945“ widmet.