Publikation Rosa Luxemburg Clara Zetkin in ihrer Zeit. Neue Fakten, Erkenntnisse, Wertungen

Von Ulla Plener (Hrsg.). Reihe Manuskripte der RLS, Bd. 76

Information

Reihe

Manuskripte

Autor

Ulla Plener,

Erschienen

August 2008

Bestellhinweis

Nur online verfügbar

Zugehörige Dateien


Rosa-Luxemburg-Stiftung, Reihe: Manuskripte, 76

ISBN 3-320-02160-3

247 Seiten, Broschur

 

Inhalt

ZUM GELEIT

GISELA NOTZ: Clara Zetkin und die internationale sozialistische Frauenbewegung

SETSU ITO: Clara Zetkin in ihrer Zeit – für eine historisch zutreffende Einschätzung ihrer Frauenemanzipationstheorie

CHRISTA UHLIG: Clara Zetkin als Pädagogin

CLAUDIA VON GÉLIEU: Die frühe Arbeiterinnenbewegung und Clara Zetkin (1880er/1890er Jahre)

SABINE LICHTENBERGER: „Der Vortrag machte auf die ganze Versammlung einen mächtigen Eindruck.“ Zur Rede Clara Zetkins in Wien am 21. April 1908

ECKHARD MÜLLER: Clara Zetkin und die Internationale Frauenkonferenz im März 1915 in Bern

MIRJAM SACHSE: „Ich erkläre mich schuldig.“ Clara Zetkins Entlassung aus der Redaktion der „Gleichheit“ 1917

OTTOKAR LUBAN: Der Einfluss Clara Zetkins auf die Spartakusgruppe 1914-1918

HARTMUT HENICKE: Clara Zetkin: „Um Rosa Luxemburgs Stellung zur russischen Revolution“. Theoretisch-methodische Anmerkungen

HEINZ SOMMER: Clara Zetkin und die Rote Hilfe

WOLFGANG BEUTIN: „Dieses weltgeschichtliche Ringen geht um das ganze Kulturerbe der Menschheit.“ – Kultur, Intellektuelle und Proletariat in Clara Zetkins Gedankenwelt

GÜNTER WERNICKE: Clara Zetkin gegen Ausgrenzungen aus Komintern und KPD Mitte der 20er Jahre

HORST HELAS: Über einen „Dreckbrief“ Clara Zetkins von 1927

ROLF HECKER: Clara Zetkin und Dawid Rjasanow auf den Spuren von Karl Marx

MARCEL BOIS: Clara Zetkin und die Stalinisierung von KPD und Komintern

ULLA PLENER: Vier Anmerkungen zu Clara Zetkins Wirken und Persönlichkeit 1900-1933

 

DOKUMENTE
Frauenfrage und Sozialismus. Rede in Wien am 21. April 1908

Um die internationale sozialistische Frauenbewegung. Sieben Briefe an Mitstreiter in Schweden, 1906-1914

Zwei Reden im Württemberger Landtag: Für die Demokratie der Habenichtse und Ausgebeuteten. Rede am 25. September 1919

Für die Aufnahme von Beziehungen zur russischen Sowjet-Republik. Rede am 10. März 1920

Für den Schutz der Oktoberrevolution von 1917. Mathilde Wibaut zur Antwort, September 1922

Gegen Ausgrenzungen aus Komintern und KPD. Zwei Briefe an Jelena Stassowa, 1924

Den Geist von Marx und Engels auf den Kampfplatz rufen. Brief an Dawid Rjasanow, 13. März 1930

Für die Einheitsfront der werktätigen Massen – gegen „tote kalte Formeln“. Drei Briefe an Maria Reese, 1931/1932

Abkürzungsverzeichnis

Namensverzeichnis

Autorinnen und Autoren

 

Zum Geleit
Clara Zetkin. Die ihr gewidmete Literatur ist überschaubar – und doch umfangreich, wie die Anmerkungen zu den hier vorliegenden Beiträgen ausweisen. Und nun noch ein ihr gewidmeter Sammelband? Ist da Neues zu erwarten? Wer zu diesem Band greift und die Aufsätze durchliest, wird feststellen: Ja. Um nur einiges an neuen Fakten zu nennen: Da erfährt der Leser die Vorgeschichte des Mandats von Clara Zetkin für den Sozialistenkongress in Paris 1900 und einiges darüber, dass und wie sie für den Deutschen Holzarbeiter-Verband und die Internationale Union der Holzarbeiter vor dem Weltkrieg aktiv war; da muss er sein Wissen über die Reaktion Clara Zetkins auf den Brief der Gruppe um Rosa Luxemburg vom 5. August 1914 (und nicht nur darüber) korrigieren; da kann er erstmalig die Aufzeichnung ihrer Rede auf der internationalen Frauenkonferenz in Bern 1915 nachlesen und wird über Einzelheiten ihrer Entlassung als Chefredakteurin der „Gleichheit“ 1917 informiert. Was weiß man über Clara Zetkin in Japan? Was war das Besondere an ihrer auf Frauen bezogene Emanzipationstheorie und -praxis? War sie eine Feministin? Was war das Spezifische an ihrer schulpolitischen Position? Worin bestand ihr konkreter Beitrag zur internationalen Solidarität in den 20er/30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts? Was hatte sie zur Marx-Forschung an der Seite Dawid Rjasanows beigetragen? Schätzte sie den Bewusstseinsstand und die Kampfbereitschaft der Arbeiterschaft in den 20er und zu Beginn der 30er Jahre genauso optimistisch ein wie die Führungen der Komintern und der KPD? Welche Position bezog sie in den Auseinandersetzungen um deren politische Linie und im Umgang mit den eigenen Genossen? Wie stand sie zu Stalin? Wie ging sie nach 1917/1918 mit politischen Gegnern um, die zuvor ihre Mitstreiter waren?

Die Reihe der bisher un- oder kaum bekannten Fakten aus dem Leben, Denken und Wirken Clara Zetkins, die in diesem Band mitgeteilt werden, könnte noch weiter fortgesetzt werden. Verwiesen sei auch auf den Dokumententeil, in dem einige bisher unbekannte, noch nicht (oder nicht wieder) veröffentlichte Reden und Briefe Clara Zetkins aus den Jahren 1906-1932 publiziert werden.
Aber um neue oder wenig bekannte Fakten und Erkenntnisse – alle gestützt auf neue archivalische Forschungen – geht es nicht allein. Es geht auch und vor allem um die differenzierte Sicht der Autoren auf die Zetkin als Persönlichkeit und Politikerin.

Sie, diese Sicht, ist bewundernd und kritisch zugleich – ob es nun um ihre frauen- oder schulpolitischen Positionen vor und nach dem Weltkrieg, ob es um ihre Bewertung der Oktober-Revolution von 1917 oder der sowjetischen Wirklichkeit danach oder anderer Ereignisse geht. Es sei „müßig, Zetkin immer wieder in Schubladen zu packen“ (Gisela Notz); ihr Werk „allein unter ‚Anerkennung und Ausnutzung’ abzutun, genügt nicht“, ihre Persönlichkeit sei „so einfach nicht zu fassen“ (Setsu Ito).

Im Unterschied zu Aussagen von Peter Nettl, Tânia Puschnerat oder Hermann Weber/Andreas Herbst, die die Persönlichkeit Clara Zetkins mit negativen Attributen versehen haben („geistig begrenzt“, „Theoretikerin epigonalen Ranges“, ohne eigene Meinung „zwischen kritischem und stalinistischem Kommunismus“ schwankend), stellen die Autoren des vorliegenden Bandes – und das Quellengestützt und mit neuen Fakten belegt – die Eigenständigkeit von Clara Zetkins Denken und Handeln fest. Im Gefolge von Gilbert Badia betont Ottokar Luban ihre „eigenständige, entschiedene, prinzipientreue Haltung wie auch die argumentative, dialogbereite, in schwierigen Situationen den politischen Diskurs mit den politischen Freundinnen und Freunden suchende Vorgehensweise“. Wichtig zu betonen ist der Stellenwert, den Clara Zetkin in ihren Situationsanalysen und Wertungen dem „Faktor Psyche“ der sozialen Klassen, Schichten, Gruppen ebenso wie Einzelpersönlichkeiten beimaß. Nicht zuletzt darauf gestützt argumentierte sie während des Weltkriegs und an der Jahreswende 1918/1919 gegen eine Verselbständigung der Spartakusgruppe als Partei, in den 20er Jahren gegen die kommunistische RGO u.a. linksradikale Schritte, die die KPD von den Massen isolierten. Und: Sie pflegte im Umgang mit „abtrünnigen“, andersdenkenden Genossen und mit früheren Mitstreitern und nun politischen Gegnern, ja sogar Feinden eine politische Kultur, die der heutigen neuen Linken sehr zu wünschen ist. (Vgl. ihren Brief „Mathilde Wibaut zur Antwort“ im Dokumententeil dieser Publikation.)

Clara Zetkins eigenwillige Positionen zu verschiedenen Fragen der Theorie und Parteipolitik, der Frauenemanzipation und Pädagogik, der Bündnispolitik gegenüber Mittelschichten und Intellektuellen, ihre frühe Auseinandersetzung mit dem Faschismus in Europa und seinen Ursprüngen, ihre Bewertung von Ereignissen und Persönlichkeiten, ihre Stellung zur Oktoberrevolution von 1917 und deren Folgen u.a.m. sind auch heute geeignet, Ausgangspunkt für klärende und weiterführende Diskussionen zu sein, – nicht zuletzt über Revolutionstheorie und Revolutionspraxis. Konkrete Angebote dazu enthält die vorliegende Publikation.

Die Beiträge entstammen dem am 6. Juli 2007 in Berlin von der bundesweiten Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Förderverein für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung gemeinsam aus Anlass des 150. Geburtstages Clara Zetkins durchgeführten Kolloquium; die Rede Clara Zetkins vom 22. April 1908 und ihre Briefe an Kampfgefährten in Schweden wurden den Veranstaltern von Sabine Lichtenberger aus Wien bzw. von Martin Grass aus Uppsala anlässlich des Kolloquiums zugeschickt.


Ulla Plener

 

 

>> Text als pdf