Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Gesellschaftstheorie - Globalisierung - Kultur / Medien Medien – Macht – Demokratie. Neue Perspektiven

Reihe: Texte der RLS Bd. 54 von Lothar Bisky, Konstanze Kriese und Jürgen Scheele (Hrsg.)

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Reihe

Texte (Archiv)

Autor*innen

Jürgen Scheele, Konstanze Kriese,

Erschienen

Februar 2009

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Von Lothar Bisky, Konstanze Kriese, Jürgen Scheele (Hrsg.)

Reihe: Texte / Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 54

ISBN 978-3-320-02183-2

472 Seiten, Broschur


Inhalt

Vorwort

Politik
Lothar Bisky: Was könnte Medienpolitik leisten?
André Donk/Joachim Westerbarkey: Politische Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft: Fragmentierung, Desintegration und Entpolitisierung
Hans J. Kleinsteuber: Entstaatlichung des Rundfunks: Notwendige Reformen für Rundfunkräte
Heiko Hilker/Jürgen Scheele: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Digitalzeitalter. Grundlagen für eine digitale Medienordnung

Gesellschaft
Andreas Fisahn: Plurale Kommunikation und Demokratie
Eva Kreisky: Neoliberalismus, Entdemokratisierung und Geschlecht. Anmerkungen zu aktuellen Entwicklungen
demokratischer Öffentlichkeit
Rainer Fischbach: Internet: Zensur, technische Kontrolle und Verwertungsinteressen 1
Jörg Becker/Flooh Perlot: Vom Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Jens Ilse: Zwischen Qualität und Kommerz. Wie sich deutsche Tageszeitungen neu erfinden
Christoph Butterwegge: Zuwanderer im Zerrspiegel der Massenmedien. Migrationsberichterstattung als Stimmungsmache

Ökonomie
Mark Terkessidis: »Irgendwas mit Medien …« Moderne Kulturarbeit zwischen Freiheitsversprechen und Prekariat
Elisabeth Mayerhofer: Kultur- und Medienindustrie als Standortfaktor – Das Konzept der Creative Industries
Dan Schiller: Der Informationskrieg
Martin Dieckmann: Globale »Heuschrecken« – »gutes Deutschland«? Kontroversen um die Konzentrationskontrolle im Medienbereich
Gert Hautsch: Gute Bekannte. Kapitalkonzentration in der deutschen Medienwirtschaft: Fast überall trifft man auf dieselben Namen
Marco Tullney: Digitale Überwachung im Büro – neue Risiken für Beschäftigte

Recht
Wolfgang Kleinwächter: Internet-Regulierung: Auf dem Weg zu einem neuen globalen Governance-Modell?
Philipp Otto: Google – Metronom des Netzes. Sind Regulierung und Kontrolle notwendig?
Götz Frank/Ulrich Meyerholt: Online Rundfunk. Der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet
Matthias Spielkamp: Brüder, zur Sonne, zu freien Inhalten? Creative Commons in der Praxis
Nils Zurawski: Videoüberwachung. Praktische Überlegungen zu einer allgegenwärtigen Technologie

Kultur
Julian Kücklich: Computerspiele, Medialität und Öffentlichkeit
Peter Wicke: »We’re Only In It For the Money«. Musikindustrie im Wandel
Inke Arns: Die Windungen der Schlange. Minoritäre Taktiken im Zeitalter der Transparenz
Tobias Schulze: Distribution und Kommunikation. Lässt sich Brechts Radiotheorie aktualisieren?
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren


Vorwort

Stiefmütterliche Distanz zur Medienpolitik ist bei weitem nicht nur eine chronische Krankheit aktiver Politikerinnen und Politiker, in Deutschland und europaweit. Medienwelten werden auch gern in den Sozial- und Geisteswissenschaften, in Zukunftsprojektionen und Überlegungen über eine Modernisierung der demokratischen Öffentlichkeiten unterschätzt.
Während gerade noch das Ende einer eurozentristisch geprägten literalen Kulturepoche befürchtet oder besungen wurde, spielen neue Generationen der westlichen Welt in virtuellen Räumen archaisch anmutende Zukünfte, proben komplexe Kommunikationsformen, schaffen neue soziale Beziehungen, deren Tragkraft noch im Verborgenen scheinen. Dies ist längst in den Einzelwissenschaften angekommen und damit scheint unser Eingangsstatement beinahe erledigt. Doch leider fügen sich die Notate und Befunde über Medienkonzentrationen, Spielewelten, Überwachungspraktiken und Runkfunkentwicklungen nicht systematisch zueinander, weshalb uns ein Sammelband ausgesprochen lohnenswert erschien, in dem ökonomische, politische, kulturelle und juristische Sehweisen aufeinander treffen.
Auf der anderen Seite hat beinahe die Hälfte der Menschheit noch nie ein Telefon benutzt, bleibt abgeschnitten von der Produktion, Verbreitung, der Strukturierung und modernen Aufbereitung von Informationen über Konflikte und Chancen unseres Zusammenlebens, über Weisheiten und Dramen unserer Weltgeschichte.
Der digitale Graben selbst offenbart allerdings kaum etwas von den Chancen und Unwägbarkeiten des digitalen Ufers selbst. Wenn allgegenwärtige mobile Kommunikationsapparate und wachsende Überwachung gerade die Boten jener Welt sind, die stolz auf gelebte Demokratie und Freiheit zurückschaut, so sind doch einige Rätsel des digitalen Fortschritts nicht nur ungelöst, sondern gleichen einem gordischen Knoten, dessen Durchschlagung auch mehr Licht in den Graben der globalen Ungerechtigkeit bringen dürfte.
Der vorliegende Sammelband, Medien – Macht – Demokratie, ist entstanden, weil vielen Wissenschaftlerinnen, Politikern, Medienfachleuten und Kulturmenschen zutiefst bewusst ist, dass der Zugang zu Kommunikation und Information in unseren Gesellschaften Grundfragen der demokratischen Beteiligung betreffen.
Deshalb hielten wir es für geboten, gerade die Vorzüge eines Sammelbandes zu nutzen und ein Kaleidoskop mediendemokratischer Suchbewegungen zu vereinen. Dies geschieht grundsätzlich durch zwei unterschiedliche Herangehensweisen: Entweder verfolgen die Autorinnen und Autoren demokratietheoretische Konfliktfelder, die die Repräsentations-, Verhandlungs- und Entscheidungskraft moderner politischer Öffentlichkeiten hinterfragen oder sie entführen die Leserschaft zu den Adern, Herzkammern und Knochengerüsten des digitalen Kapitalismus. Wir verdanken den Autorinnen und Autoren mit diesem Band leidenschaftliche und nachdenkliche Begegnungen mit Datenströmen, Konzernstrukturen, Kommunikationsweisen, Arbeits- und Lebensformen, die tatsächlich neuartige Sichten eröffnen, zum Weiterdenken anregen und unsere gewohnten politischen und kulturellen Denkweisen auf harte Proben stellen.
Dabei ergreifen viele Autorinnen Partei für ein eingreifendes Wissen um die Produktions-, Verbreitungs- und Nutzungspraktiken, die mit der heutigen Aneignung von Information und Wissen verbunden sind, und zielen damit direkt auf die Verantwortung einer Medienpolitik als Gesellschaftspolitik.
Die Gesamtlektüre der hier versammelten sorgfältigen Analysen unterfüttert uneingelöste linke Forderungen an eine europäische Medienordnung: der demokratische Zugang aller, ein wachsender Kompetenzgewinn gegenüber dem digitalen Kapitalismus und würdige Arbeits- und Kommunikationsbedingungen von Medienmachern und Mediennutzern. Sie verlangen konkrete Regelungen für die Offenheit der Netze, ein modernes Urheberrecht ebenso wie neuartige kollektive Rechte, Datenschutz, transparentes Datenmanagement und vieles mehr. Aus komplexen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Veränderungen, wie sie hier dargestellt werden, eine praktikablere Medienpolitik, die sich einem sozialen und demokratischen Gemeinwesen verpflichtet fühlt, zu entwickeln, ist keine leichte, dafür allerdings eine wahrlich interessante Aufgabe.
Hier ist Gelegenheit, den Autorinnen und Autoren für ihre einzigartigen Sichtweisen, ihre Mühen, Fragen zu formulieren und Wirklichkeiten erhellend zu hinterfragen, zu danken und uns gemeinsam eine weiterführende Diskussion um diese Publikation zu wünschen – natürlich in virtuellen, politischen und anderen kulturellen Öffentlichkeiten.

Lothar Bisky, Konstanze Kriese, Jürgen Scheele
Berlin, im Januar 2009