Publikation Afrika - Westafrika - Wirtschafts- / Sozialpolitik - Staat / Demokratie - Globalisierung Warum wir uns vom Franc CFA emanzipieren müssen

Eine Streitschrift lässt die Debatte um den Franc CFA neu aufflammen

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Dezember 2016

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Mit dem Erscheinen der Streitschrift Sortir l’Afrique de la servitude monétaire: à qui profite le Franc CFA? (Die monetäre Knechtschaft Afrikas überwinden: wem nutzt der Franc CFA?) ist die Debatte um den Franc CFA neu aufgeflammt. Die Schrift selbst, die von Kako Nubukpo, Bruno Tinel, Martial Ze Belinga und Demba Moussa Dembélé herausgegeben wurde und neun Beiträge von insgesamt zehn Wissen­schaftler_innen aus Afrika und Europa enthält, wurde innerhalb kürzester Zeit nicht nur ein Bestseller, sondern erregte auch beträchtliche mediale Aufmerksamkeit in Frankreich und in der Presselandschaft überall in Afrika. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass noch nie so viel über den Franc CFA diskutiert wurde wie in den vergangenen zwei Monaten. Inzwischen haben sich unter anderem auch Vertreter_innen der Zentralbanken aus der Franc-CFA-Zone, der französischen Regierung und französische Investoren zu Wort gemeldet.

Angesichts dessen ist es keine Überraschung, dass sich auch der „samedi de l‘économie“ am 5. Novem­ber 2016 im RLS-Büro in Dakar/Senegal mit diesem Buch befasst hat. Grundlage für die Diskussion waren Beiträge von Martial Ze Belinga, Chrystel Lemoing, Ndongo Samba Sylla und Demba Moussa Dembélé; alles Personen, die entweder als Autor_in oder Herausgeber an der Publikation beteiligt sind. Kritisch begleitet wurde die Debatte, die freundlich im Ton, aber konsequent in der Sache geführt wurde, von Professor Samir Amin, der sich selbst bereits in den 1970er Jahren mit der Notwendigkeit einer radikalen Reform des Franc CFA auseinandergesetzt hat, mit Argumenten, die noch heute aktuell sind. Diese Veranstaltung hat insbesondere drei Lehren zutage gefördert, die nicht zuletzt mit der besonderen Ge­schichte dieses Währungsverbunds zu tun haben.

Zur Geschichte des Franc CFA

Der Franc CFA – oder wie er einst hieß: der Franc der französischen Afrikakolonien – wurde offiziell am 26. Dezember 1945 per Dekret von General de Gaulle geschaffen. Sechs Jahre zuvor hatte Frankreich bereits eine Franc-Zone aus der Taufe gehoben, um ein System der Wechselkurskontrolle innerhalb der Wirtschaftsbeziehungen mit den Kolonialgebieten zu etablieren. Als Kolonialwährung sollte der Franc CFA also vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen der französischen Kolonien untereinander und mit dem Mutterland erleichtern.

Nach dem Erlangen der staatlichen Unabhängigkeit wurde die Franc-Zone allerdings zweigeteilt: zum einen in eine westafrikanische, wo fortan der „Franc de la Communauté financière d’Afrique“ (Franc der afrika­nischen Währungsgemeinschaft) galt, und zum anderen in eine zentralafrikanische mit dem „Franc de la Coopération financière en Afrique Centrale“ (Franc der Währungszusammenarbeit in Zentralafrika). Abge­sehen von den Komoren, schließt die Franc-Zone insgesamt 14 Länder in zwei unterschiedlichen Wirt­schafts- und Währungsräumen ein: acht Länder der Währungs- und Wirtschaftsunion Westafrikas (UEMOA – Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo) und sechs CEMAC-Länder (CEMAC – Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft Zentralafrikas: Kamerun, Zentralafrika­nische Republik, Kongo (Brazzaville), Äquatorialguinea, Gabun und Tschad). Beide Gebiete haben heute etwa dasselbe wirtschaftliche Gewicht (sie erzeugen ca. elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts Afrikas südlich der Sahara). Allerdings sind die beiden Franc CFA nicht untereinander konvertibel. Das monetäre System Franc CFA als Vereinbarung der Währungszusammenarbeit zwischen afrikanischen Ländern und Frankreich beruht auf vier Grundpfeilern.

Erstens, auf einem festen Wechselkurs zum EURO (früher zum französischen Franc), der gegenwärtig 1 EURO zu 655,957 Franc CFA (FCFA) beträgt.

Zweitens, auf der durch Frankreich garantierten unbegrenzten Konvertibilität des FCFA in EURO.

Drittens, auf der Zentralisation der Währungsreserven; die beiden (UEMOA bzw. CEMAC) Zentralbanken müssen seit 2005 die Hälfte ihrer Währungsreserven auf speziellen Konten bei der französischen Zentral­bank (Trésor français) hinterlegen. Vor der staatlichen Unabhängigkeit und bis 1973 betrug dieser Satz 100 Prozent und zwischen 1973 und 2005 65 Prozent. Dieser Mechanismus ist die Voraussetzung für die Konvertibilitätsgarantie durch Frankreich. In den Verträgen ist festgeschrieben, dass sich die Einlagen an Währungs­reserven auf mindestens 20 Prozent der zirkulierenden Geldmenge belaufen müssen. Bis zum derzeitigen Verfall des Erdölpreises betrug der Deckungsgrad (das Verhältnis zwischen den Währungsreserven und dem Geldumlauf) jedoch beinahe 100 Prozent. Das bedeutet, dass die afrikanischen Länder eigentlich gar nicht auf die Wechselkursgarantie durch Frankreich angewiesen sind.

Viertens schließlich gilt innerhalb der Franc-Zone eine unbeschränkte Freizügigkeit des Kapitalverkehrs.

Mehr als 160 Jahre monetärer Kolonialismus

Die erste Lehre aus der eingangs erwähnten Diskussionsveranstaltung besteht darin, dass die Währungs­beziehungen, genauer die finanziellen Dominanzverhältnisse zwischen Frankreich und seinen Kolonien, be­reits weit vor die Schaffung der Franc-Zone und des Franc CFA zurück reichen.

Wie Martial Ze Belinga, unter Verweis auf Professor Nicolas Agbohou, gezeigt hat, wurde 1853 durch Napoleon III. bereits mit der Gründung der Banque du Sénégal eine Finanzinstitution geschaffen, die aller­dings allein den französischen Kolonialisten vorbehalten war. Und es ist durchaus bezeichnend, dass ein Teil der Einlagen aus den Entschädigungszahlungen stammt, die der französische Staat nach der Abschaf­fung der Sklaverei im Jahre 1848 an ehemalige französische Sklavenhalter geleistet hat. Die Geschäfte der Banque du Sénégal wurden nach ihrer Auflösung im Jahr 1901 von einer Bank mit dem Namen Banque de l’Afrique Occidentale (BAO – Bank Westafrikas) fortgeführt. Diese wiederum wurde 1959 zur Keimzelle der Banque Centrale des Etats de l’Afrique de l’Ouest (BCEAO – Zentralbank westafrikanischer Staaten) und der Banque Centrale des Etats de l’Afrique Centrale (BCEAC – Zentralbank der Staaten Zentralafrikas).

Deshalb kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass Frankreich seit mehr als 160 Jahren im afrika­nischen Währungsraum präsent ist. Das System Franc CFA, das formell aus dem Jahr 1945 stammt, wurde von Frankreich schließlich in erster Linie dazu geschaffen, weiterhin die Wirtschaftssysteme und vor allem die Ressourcen seiner ehemaligen Kolonien zu kontrollieren.

Der Franc CFA ist ökonomisch nicht zu rechtfertigen

Die zweite Lehre besteht darin, dass eine Aufrechterhaltung des Systems Franc CFA mit Verweis auf öko­nomische Vorteile kaum gerechtfertigt werden kann.

Das wichtigste wirtschaftliche Argument zugunsten des Festhaltens an der Franc-Zone durch die afrika­nischen Länder ist gemeinhin, dass der Franc CFA aufgrund des durch Frankreich „garantierten“ Wechsel­kurses zum EURO als stabile und kreditwürdige Währung die Unabhängigkeit der Zentralbanken (zwar gegenüber den Regierungen afrikanischer Staaten, aber nicht gegenüber der französischen Zentralbank) sichert. Dies beruht vor allem auf einem Funktionsverständnis von Zentralbanken, dem zu Folge ihre Auf­gabe insbesondere darin besteht, den Wechselkurs zu verteidigen und die Inflation bei etwa zwei Prozent zu begrenzen; alles mit dem Ziel, ein günstiges makroökonomisches Investitionsklima und vor allem natürlich Wirtschaftswachstum zu erzeugen.

Allerdings fällt diese Argumentation – wie die Autor_innen von Sortir l’Afrique de la servitude monétaire… zeigen – beim Faktencheck durch. Auf längere Sicht geht die Zugehörigkeit zur Franc-Zone nämlich mit einer schwachen Wirtschaftsdynamik einher. In den zurückliegenden 50 Jahren hat es gerade mal ein Land unter 15 Franc-CFA-Ländern (sechs westafrikanische; acht zentralafrikanische und die Komoren) geschafft, eine durchschnittliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf von mehr als zwei Prozent zu erreichen. Dabei handelt es sich um Äquatorialguinea, ein Staat, der zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) zählt. Der intra-regionale Handel wurde durch die Währungsunion kaum stimuliert.

Die, gemessen an den meisten Indikatoren, schwache wirtschaftliche Entwicklung der Franc-CFA-Länder, ist kaum überraschend. Sie kann auch nicht allein mit der Währungsproblematik begründet werden. Diese trägt aber erheblich zur misslichen Lage bei.

Zum ersten ist der Franc CFA durch seine Bindung an den EURO eine starke Währung, bei der durch den Wechselkurs in der Tendenz der Export von verarbeiteten Produkten erschwert und die Ausfuhr von Roh­stoffen begünstigt wird. Anders gesagt, durch diese Währung wird die notwendige strukturelle Transfor­mation gerade nicht begünstigt. Geld- und Wechselkurspolitik, falls davon in der Franc-Zone überhaupt die Rede sein kann, bewirken eher eine Anpassung an die wirtschaftlichen Interessen der EURO-Zone als an die Entwicklungserfordernisse in den Franc-CFA-Ländern.

Zum zweiten stellt der Franc CFA ein System der massiven finanziellen Fremdbestimmung dar. Dies ist so zu sagen der Preis, der für eine niedrige Inflation und den festen Wechselkurs gezahlt werden muss. Kredite an Unternehmen erreichen in der UEMOA-Zone gerade mal 25 und in der CEMAC-Region nur 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Vergleich dazu liegt diese Quote in den OECD-Ländern und in den aufstrebenden Wirtschaften des Südens bei über 100 Prozent. Mehr noch, die Kreditbedingungen in der Franc-Zone sind geprägt durch ein extrem hohes Zinsniveau und kurze Laufzeiten. In der Regel spielen die primären Sektoren (wie Landwirtschaft und Industrie) nur eine untergeordnete Rolle, genauso wie kleine und mittelständische Unternehmen. Allein ausländische Investoren und Großunternehmen können unter diesen nachteiligen Finanzierungsbedingungen überhaupt wirtschaftlich erfolgreich sein.

Zum dritten hat die Fixierung auf den Kampf gegen die Inflation zur Konsequenz, dass das Wirtschafts­wachstum in vielen afrikanischen Ländern hinter den Möglichkeiten zurück bleibt. Für die Entwicklungs­länder unter den Mitgliedern der Franc-Zone ist das Niveau der Inflation eindeutig zu niedrig. Bruno Tinel hat in seinem Beitrag zum Buch erhellende Fakten zu dieser Frage präsentiert. Das Verhältnis von Infla­tions- zu Wachstumsrate lag in den meisten Ländern der Franc-Zone zwischen 0,5 und 0,2, während es für Frankreich über 1 lag [d.h. in den afrikanischen Franc-CFA-Ländern lag die Wachstumsrate nur zwischen der Hälfte bzw. einem Fünftel der Inflationsrate, während in Frankreich das Wirtschaftswachstum deutlich über der Inflationsrate lag – Anm.d.Ü.].

Darüber hinaus sind dem System Franc CFA weiter Mechanismen eigen, die es zu einem Instrument der Konservierung von Unterentwicklung machen: so fördert z.B. das Prinzip uneingeschränkter Kapitaltrans­aktionen sowohl den Profittransfer als auch illegale Kapitalflucht. Zusammen mit dem festen Wechselkurs führt dies zwangsläufig dazu, dass eine autonome Geldpolitik unmöglich gemacht wird; das folgt aus dem Dreieck der Inkompatibilitäten von Mundell – wonach eine autonome Geldpolitik unmöglich ist, solange parallel ein fester Wechselkurs und offene Kapitalmärkte existieren.

Angesichts der vielfältigen Nachteile des Franc CFA verfallen seine Verteidiger, in Ermangelung seriöser ökonomischer Argumente, auf drei Typen von Rechtfertigungen für den Status quo. Der erste Typ besteht darin, zwar einzuräumen, dass der Franc CFA keine optimale Lösung ist, aber darauf hinzuweisen, dass es andere Prioritäten gibt (wie „gute Regierungsführung“, „Rechtsstaatlichkeit“ etc.). Zweitens kommt das „kleinere Übel“ ins Spiel („unter den gegenwärtigen Bedingungen gibt es eben keine Alternative zum Franc CFA“; „der Franc CFA ist sehr viel kreditwürdiger als jede denkbare nationale afrikanische Währung“). Drittens schließlich werden Katastrophenszenarien an die Wand gemalt („wenn der Franc CFA abgeschafft wird, bricht das Chaos aus“), die bei genauerem Hinsehen nur eine neue Version der alten kolonialen Vor­urteile darstellen („nach dem Franc CFA kommt unweigerlich das Chaos, weil die Afrikaner unfähig sind, ihr eigenes Geld ordentlich zu verwalten; deshalb ist der weiße Mann nicht ersetzbar“).

Der Franc CFA als politisches Projekt

Die dritte Lehre bezieht sich auf die politische Dimension der Debatte. Der Franc CFA ist ein durch und durch politisches Projekt und eben keine technisch-ökonomische Angelegenheit. Um das zu verstehen, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, dass die Worte „Geld“ und „Gesetz“ im Altgriechischen den­selben Ursprung haben. Geld ist untrennbar mit der Frage der Souveränität verbunden – darauf verweist Demba Moussa Dembélé immer wieder. Selbst wenn der Franc CFA das beste, werthaltigste Geld der Welt wäre, hätten die Afrikaner_innen immer noch das Recht, selbst über ihre Währungsbeziehungen und ihre wirtschaftliche Zukunft zu bestimmen.

Alle wirtschaftlichen Argumente für und wider den Franc CFA laufen am Ende auf die eine Kernfrage hinaus: Wollen wir Afrikaner_innen selbst über unser Zusammenleben und unsere Zukunft entscheiden? Dies wird nachgerade von den Verteidigern des Franc CFA bestätigt, wenn sie unablässig versuchen, die ganze Problematik als vorgeblich neutrale technische Angelegenheit darzustellen.

Deshalb muss im Zusammenhang mit dem Verweis auf die Souveränität klar gestellt werden, dass es hier um „demokratische Souveränität“ geht; es handelt sich um das Recht der Völker auf Selbstbestimmung. Kein Land kann wirklich souverän sein, solange diese Souveränität nicht demokratisch im Interesse des Volkes ausgeübt wird. Im Falle des Franc CFA hat das Fehlen von Souveränität ein profundes Demo­kratiedefizit zur Folge. Die grundlegenden Entscheidungen über Währung und Wechselkurs werden am Ende von Frankreich getroffen, da die Aufsichtsräte der Zentralbanken keinerlei Mandat haben, sich an die afrikanischen Regierungen, geschweige denn unmittelbar an ihre Bürger_innen zu wenden. Auf diese Art und Weise wird das System Franc CFA gegen jeglichen demokratischen Druck von unten immunisiert. Dieser Zumutung muss ein Ende gesetzt werden. Währungsfragen sind als öffentliche Angelegenheiten zu verhandeln. Es wird Zeit, dass die Afrikaner_innen ihre Geldangelegenheiten in die eigenen Hände nehmen. Sie haben dazu die Mittel und sie müssen es tun, wenn sie die Zukunft ihres Kontinents gestalten wollen. Das ist die Kernausaussage von Sortir l’Afrique de la servitude monétaire…

Ndongo Samba Sylla arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar/Senegal.

Übersetzt aus dem Französischen von Arndt Hopfmann.

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