Publikation Stadt / Kommune / Region - Commons / Soziale Infrastruktur - Ja zur Vergesellschaftung - Wohnen «Enteignung schafft keine einzige Wohnung»

Mythen und Fakten zur Vergesellschaftung von Wohnraum

Information

Reihe

luxemburg argumente

Autor*innen

Nelli Tügel, Jan Ole Arps,

Erschienen

Juli 2022

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Die charakteristischen lila Westen der Initiative «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» tauchten zum ersten Mal am 6. April 2019 im Stadtbild von Berlin auf. Auf der Auftaktkundgebung der größten Demonstration gegen hohe Mieten und Verdrängung, die Berlin seit Jahrzehnten erlebt hatte, bildeten sich lange Schlangen, um für die Enteignung großer Wohnungskonzerne zu unterschreiben. In kürzester Zeit kamen die nötigen Unterschriften zusammen, um das entsprechende Volksbegehren zu starten. Zweieinhalb Jahre und eine Bilderbuchkampagne mit zwischenzeitlich mehr als 2.000 Aktiven später war der Volksentscheid gewonnen. Mehr als eine Million Berliner*innen stimmten dafür, private Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu enteignen.

Dabei ist Enteignung eigentlich das falsche Wort, denn es geht um Vergesellschaftung, also die Überführung privaten Eigentums in Gemeineigentum und Gemeinwirtschaft. Diese grundgesetzlich verankerte Möglichkeit wurde seit Bestehen der Bundesrepublik noch nie angewandt. Die große Zustimmung dazu, den entsprechenden Grundgesetzartikel jetzt anzuwenden, mag auf den ersten Blick überraschen. Allerdings wird bei genauerem Hinschauen klar: Nach einem Jahrzehnt, in dem sich die Mieten in Berlin mehr als verdoppelt haben, sodass kaum noch bezahlbare Wohnungen zu finden sind, reicht es vielen Berliner*innen.

Die Widerstände aus Immobilienwirtschaft, Interessenverbänden und Politik sind groß und die öffentliche Debatte wird entsprechend schrill geführt. Zu hoch sind die Gewinne, die mit den etwa 270.000 potenziell betroffenen Wohnungen erwirtschaftet werden, zu groß der politische Einfluss der Konzerne auf die Politik. Enteignung? Ein Instrument aus der DDR-Mottenkiste! Eingriffe ins Privateigentum? Verfassungswidrig! Die fällige Entschädigung? Viel zu teuer! Und überhaupt schafft Enteignung keine einzige Wohnung, während so dringend neu gebaut werden muss.

In dieser Broschüre wird deutlich, dass solche und andere Behauptungen auf wackeligen Füßen stehen. Die Autor*innen erläutern die Komplexität des Vorhabens und die Möglichkeiten der Vergesellschaftung als Mittel zur Verwirklichung des Rechts auf Wohnen. Die Broschüre soll allen helfen, die hinter die oft oberflächlich geführte Debatte blicken, die sich mit Gegenargumenten rüsten oder die aktiv werden wollen für eine Wohnungsversorgung, die sich nicht an Profitinteressen, sondern am Bedarf der Menschen orientiert und die demokratischen Entscheidungsprozessen unterliegt.

Redaktion: Stefan Thimmel, Armin Kuhn
Illustrationen: Anton Ohlow

Inhalt

  • Vergesellschaftung schafft keinen neuen Wohnraum
  • Es ist kein Zufall, dass Artikel 15 des Grundgesetzes noch nie angewendet wurde
  • Vergesellschaftung ist verfassungswidrig
  • Vergesellschaftung kostet Unsummen
  • Vergesellschaftung bedeutet mehr Schulden
  • Vergesellschaftung enteignet auch Genossenschaften
  • Der Volksentscheid ist nicht ernst gemeint
  • Wer für Enteignung ist, hat aus der Geschichte nichts gelernt
  • Der Mietendeckel wurde gekippt – die Vergesellschaftung wird auch scheitern
  • Glossar