
Nie haben wir es für möglich gehalten, dass Russland seine ukrainischen Nachbarn, seinen früheren Bruderstaat, überfällt. In dieser Brutalität, mit diesen Kriegsverbrechen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Wir müssen befürchten, dass der Krieg in der Ukraine noch lange dauern wird.
Deutschland hat aus den Weltkriegen eine wichtige Lehre gezogen: Nie wieder Krieg! Nie wieder Militarismus! Die tiefe Überzeugung der allermeisten Deutschen war und ist es, bei Konflikten immer zuerst nach einer friedlichen Lösung zu suchen. Diese Überzeugung ist in den letzten Monaten leider ins Wanken geraten. Die Angst, dass ein solcher Angriffskrieg erfolgreich sein könnte und dann der nächste und der übernächste folgt, ist real. Der Griff zu den Waffen, zu Aufrüstung und Waffenlieferungen in die Ukraine liegt da sehr nahe. Dabei gibt es doch Alternativen.
Wer den Krieg nur militärisch denkt, hat ihn schon verloren.
Aber taugen unsere alten Antworten noch? Wie kann es denn Sicherheitsgarantien für die Nachbarländer Russlands geben, ohne gleich in den Militarismus zu verfallen? Wie der Druck auf den Kreml erhöht werden, ohne eine Massenarmut und Hungersnöte in Russland auszulösen. Und wie die Vereinten Nationen so gestärkt werden, dass sie künftig wieder eine wichtige Rolle für friedliche Konfliktlösungen spielen kann? Dieses Dossier versucht sich an Antworten und Hintergrundanalysen zu diesen drei Fragekomplexen:
Welche Rolle können, müssen Sanktionen spielen?
Der Weg zum Frieden muss friedlich bleiben, aber er darf auch nicht hilflos sein. Wirtschaftlicher Druck hat in der Vergangenheit schon häufiger geholfen, menschenverachtende Regime zu stürzen – denken wir z.B. an den Apartheidsstaat in Südafrika. Auf der anderen Seite gibt es viele Beispiele dafür, wie Wirtschaftssanktionen ganze Bevölkerungen in den Hunger getrieben haben – und am Ende die Machthaber im jeweiligen Land nur gestärkt wurden, weil alle Verantwortung für die Misere auf «böse Mächte dort draußen» abgewälzt werden konnte. Das gnadenlose Sanktionsregime gegen den Irak in den 1990er Jahren ist ein besonders schlimmes Beispiel dafür, dass Sanktionen nicht immer eine gute Lösung sein können. Wir wollen hier der Frage nachgehen, wie verschiedenen Sanktionsregime in den vergangenen Jahrzehnten gewirkt haben und welche Lehren wir aus linker Sicht daraus ziehen können. In welchen Situationen könnten welche Art von Sanktionen tatsächlich positiv wirken?
Kollektive Sicherheitssysteme
Die NATO spielte in den vergangenen Jahrzehnten eine unrühmliche Rolle. Sie ist kein «Wertebündnis», das für Freiheit und Demokratie einsteht, sondern ein knallhartes Machtbündnis, deren Mitgliedsstaaten im Zweifelsfall ihre Interessen auch mit brutaler militärischer Gewalt durchsetzen. So wie die USA 2003 mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Irak. Oder wie ganz aktuell die Türkei mit einem genauso völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Nordsyrien. Es gibt viele gute Gründe, die NATO abzulehnen.
Aber es gibt auch andere Formen kooperativer Sicherheitssysteme, wie die OSZE oder auch die EU. Sie alle haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile, Eigeninteressen und eine je unterschiedliche Haltung zum Einsatz auch militärischer Mittel.
Angesichts des russischen Angriffskrieges wächst in Staaten wie Finnland, Georgien oder Moldawien die – sehr nachvollziehbare – Angst, auch Opfer einer Aggression zu werden. Auch Friedensbewegung und gesellschaftliche Linke müssen sich der Frage stellen, wie die Sicherheit aller Länder in Europa (und darüber hinaus) auch ohne NATO langfristig gewährleistet werden kann.
Demokratisierung der Vereinten Nationen
Welche Rolle können die Vereinten Nationen überhaupt noch spielen, wenn der Sicherheitsrat blockiert ist? Die fünf ständigen Mitglieder verhindern mit ihren Vetos gegenseitig jeweils die Resolutionen der Gegenseite, die UNO scheint handlungsunfähig. Sollte der Sicherheitsrat erweitert, das Veto abgeschafft werden? Oder wäre es nicht sinnvoller, wichtige Entscheidungen in die Generalversammlung zu verlagern? Die Frage stellt sich ähnlich bei vielen anderen UN-Prozessen, von Klimafragen bis zur Abrüstung: Dort gilt meist das Konsensprinzip. Es sichert den Schutz von Minderheiten, führt aber auch oft zu Blockaden oder zu einem Minimalkonsens, der meist so minimal ist, dass er wirkungslos bleibt. Aber mit einer Abschaffung des Konsensprinzips wären einzelne Länder dem Diktat der Mehrheit ausgesetzt. Wie also sollten die Vereinten Nationen gestärkt und demokratisiert werden, um künftig wieder eine stärkere, aktive Rolle für den Frieden in der Welt spielen zu können?
Kontakt
Rolle | Persondetails |
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Referent für internationale Krisen und Konflikte | Jan van Aken E-Mail: jan.vanaken@rosalux.org Raum: 457 |
Referent für Friedens-, Außen- und Sicherheitspolitik | Ingar Solty E-Mail: ingar.solty@rosalux.org Telefon: +49 30 44310 - 165 Raum: 6.01 |