Tagung am 27./28. Juni 2003 in Frankfurt/M.
Vieles hat sich geändert, seit die Zweite Frauenbewegung ab Ende der 60er Jahre die Ungleichheit in den Geschlechterverhältnissen skandalisiert hat: In der Politik wurden von der Frauen- über Gleichstellungspolitik bis hin zum Gender Mainstreaming Strategien entwickelt, die der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung der Geschlechter zur Umsetzung verhelfen sollen. In der Wissenschaft hat die Kategorie "Gender" Einzug gehalten, auch hier lässt sich eine Entwicklung von der Frauenforschung hin zu Gender Studies und (de)konstruktivistischen Gender-Theorien beschreiben. Und in der Praxis gehören geschlechtsspezifische Ansätze ebenfalls längst zum Alltag. Ist Gender in Politik, Wissenschaft und Praxis daher Ausnahme oder Regel?
Dieser Frage werden wir auf unserer Tagung nachgehen. Diese begreift sich im Unterschied zu gängigen Veranstaltungen als Ort der vielschichtigen (Politik - Wissenschaft - Praxis) und kritischen Bearbeitung des Themas "Gender". Ziel der Arbeitsgruppen ist es, die Diskussion zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis zu ausgewählten Aspekten der Geschlechterverhältnisse zu befördern.
Ein weiteres Ziel dieser Tagung ist es, Stipendiatinnen der RLS in den Dialog zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis einzubeziehen und ihre Arbeiten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
>> Auswertung der Konferenz
Ablauf
Freitag, 27. Juni 2003 | |
14:00 | Begrüßung |
14:15 - 16:00 | Eröffnungsvortrag |
16:00 - 16:30 | Pause |
16:30 - 19:30 | Podiumsdiskussion und Arbeitsgruppen
|
19:30 - 21:00 | Pause |
21:00 - 23:00 | Kanak Attak "Catch me if you can" |
Samstag, 28. Juni 2003 | |
10:00 - 13:00 | Arbeitsgruppen
|
13:00 - 14:30 | Mittagspause |
14:30 - 16:00 | Podiumsdiskussion: Krieg & Frieden - Konsequenzen von Kriegen und Konflikten auf Geschlechterverhältnisse |
zum Inhalt
Eröffnungsvortrag: Gender - Karriere eines Begriffs
Frigga Haug (Prof., HWP Hamburg)
Moderation: Katrin Schäfgen (RLS)
Podiumsdiskussion: Frauenpolitik adé? Neue Strategien in der Geschlechterpolitik auf dem Prüfstand
Aktuelle Konzepte wie Geschlechterdemokratie und Gender Mainstreaming sind seit einiger Zeit erklärter Bestandteil der offiziellen Politik und werden auf den unterschiedlichen Ebenen versucht umzusetzen. Sind sie die adäquate Antwort auf alte und neue Geschlechterordnungen unter dem Vorzeichen von Neoliberalisierung und Globalisierung? Die AG möchte diese und weitere Strategien kritisch hinterfragen und vorhandene Erfahrungen aus der Praxis analysieren.
Regina Frey (Gender Büro Berlin)
Heinz-Jürgen Voß (Stipendiat der RLS, Leipzig)
Larissa Klinzing (GEW-Hauptvorstand, Frankfurt/M)
Corinna Voigt-Kehlenbeck (Niedersächs. Landesjugendakademie, Jugendhof Steinkimmen)
Christina Schenk (ehem. MdB, Politikberaterin, Berlin)
Evrim Baba (Frauenpolitische Sprecherin, PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin)
Moderation: Silke Veth (RLS)
AG 1: Globalisierte Ungleichheit? Gegenstrategien zu Globalisierungsprozessen
Seit Jahrzehnten kommt es durch eine Globalisierung ökonomischer Transaktionen, von Kommunikationsstrukturen, durch Migrationsbewegungen zu Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen vor Ort. In dieser Arbeitsgruppe sollen neue Entwicklungen dieser Thematik sowie Gegenstrategien diskutiert werden.
Bettina Musiolek (Clean Clothes Campaign, Düsseldorf): Globalisierungskritik konkret - Globalisierung von unten: Clean Clothes Campaign
Christa Wichterich (Journalistin, Bonn): Ansätze und Konzepte feministischer Globalisierungskritik
Judith Dellheim (Mitglied des PDS-Parteivorstandes, Berlin): Regionalisierung als Gegenstrategie zur Globalisierung?
Moderation: Friederike Habermann (Stipendiatin der RLS, Hamburg)
AG 2: Geschlecht als Konstruktion? Gender in Kunst und Kulturpolitik
Geschlechterdarstellungen in Literatur, Film und Malerei sind selbstverständlich - doch welche Bilder werden dabei erzeugt, welche Konstruktionen hergestellt? Und wie wird Gender in der Kulturpolitik verhandelt? Diesen Fragen wird in dieser AG nachgegangen. Auch wird die Spannung zwischen Konstruktionen in der Kunst und den Zwängen der Kulturpolitik thematisiert.
Else Laudan (Verlegerin, Ariadne-Programmmacherin, Hamburg): Politik des Kulturellen heute: Lassen sich Gender-Rollenmuster in Literatur und Film bis in den Mainstream verändern?
Lill-Ann Körber (Stipendiatin der RLS, Berlin): Unbehagen der Geschlechter in Rezeption und Werk Edvard Munchs
Gunhild Lattmann (Mitglied des Sächsischen Landtages): Gender in der Kulturpolitik Sachens
Moderation: Margrit Klingler-Clavijo (Journalistin, Frankfurt/M.)
AG 3: Gender in Lehre und Forschung - Ausnahme oder Regel?
Die Einrichtung von Gender-Studiengängen in Deutschland seit Ende der 90er Jahre täuscht darüber hinweg, dass "Gender" längst noch nicht selbstverständlicher Bestandteil von Lehre und Forschung geworden ist. In dieser AG werden Entwicklungen und Grenzen der Thematisierung von Gender diskutiert.
Tanja Mölders/Christine Katz (Uni Lüneburg): Aus(nahme)fälle in der Nachwuchsförderung - Qualifizierungen in Themenfeld‚ Gender und Nachhaltigkeit'
Ilona Pache (HU Berlin): Gender Studies an der Humboldt-Universität
Regina Schleicher (Uni Frankfurt/M.): Vernetzung von Geschlechterforschung - ein Projekt.
Moderation: Daniel Loik (Stipendiat der RLS, Frankfurt/M)
AG 4: Zur Konstruktion von "Weißsein" und Geschlecht in der Tradition deutscher Kolonialgeschichte
Normen von "Weißsein" entfalten ihre Macht u.a. dadurch, dass sie von "Weißen" nicht wahrgenommen werden. Gegen diese Praxis des Verdeckens kann die Kategorie "Weißsein" als analytisches Instrument eingesetzt werden, um rassistische Praktiken als solche aufzudecken und ihnen entgegenzuwirken. Anhand von Filmausschnitten und Texten wollen wir uns der Geschichte der deutschen Frauenbewegung nähern: inwiefern konstruierten sich Frauen über die Kolonialfrage als Weiße und bürgerliche Subjekte? Inwieweit wirken diese Normen fort? Wie tragen sie dazu bei, einen nationalen Raum der BRD und DDR als "Weiß" zu definieren?
Anette Dietrich, Ingrid Jungwirth und Katharina Walgenbach (Stipendiatinnen der RLS, Berlin)
AG 5: Theoretische Debatten um Gender
Seit den Anfängen der Frauenforschung Anfang der 70er Jahre, die insbesondere die Ausblendung der Leistungen von Frauen in den Disziplinen sowie die Bedingungen ihrer Unterdrückung und Ausbeutung thematisierten, hat sich eine differenzierte, die Disziplinen übergreifende Theorieentwicklung vollzogen. Diese aktuellen theoretischen Debatten um "Gender" vorzustellen, dient diese AG. Dabei werden aktuelle Begriffsbestimmungen ebenso entwickelt wie deren Ausdifferenzierungen.
Encarnacion Gutiérrez Rodriguez (Uni Hamburg): Disobbedientae in Gender Studies? Von der Theorie zurück zur Praxis
Sylka Scholz (Soziologin, Berlin): 'Hegemoniale Männlichkeit' - innovatives Konzept oder Leerformel
Kornelia Hauser (Uni Insbruck): Eine Begriffsbestimmung von Gender
Heike Raab (Frankfurt/M.): Queer meets Gender - Prekäre Beziehung oder gelungene Koalition? Zum Verhältnis von queer theory und Genderforschung
Moderation: Eva Schäfer (RLS)
AG 6: Ent-Sicherung? Umbau sozialer Sicherungssysteme und Konsequenzen für Geschlechterverhältnisse
In Vertiefung der AG 1: "Gegenstrategien zu Globalisierungsprozessen" werden in dieser AG die Konsequenzen des Um- bzw. Abbaus sozialer auf die Geschlechterverhältnisse thematisiert. In diesem Zusammenhang wird auch die Kategorie Arbeit kritisch hinterfragt.
Gisela Notz (Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn): Hauptsache Arbeit? - Arbeit, Geschlecht und Politik
Hannelore Buls (ver.di, Berlin): Hartz und Leid/tkultur Familie
Brigitte Stolz-Willig (FH Frankfurt/M.): Konturen einer modernen Familienpolitik
Pia Maier (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Berlin): Umbau des Sozialstaates - auf wessen Kosten?
Moderation: Iris Nowak (Stipendiatin der RLS, Hamburg)
AG 7: Kommen und Bleiben? Migrantinnen in Deutschland
Weltweit haben Migrationsbewegungen zugenommen, über die Hälfte der Migrierenden und drei Viertel der Flüchtlinge sind Frauen. Die Gründe hierfür sowie die Konsequenzen für die Herkunfts- und Zielgesellschaften sind vielfältig.
Doch als Migrantinnen sind sie doppelt ungleich: als Ausländerinnen und Frauen. In dieser Arbeitsgruppe soll gefragt werden, wie sich Veränderungen rechtlich-politischer Rahmenbedingungen auf das Leben von Migrantinnen auswirken und wie auf verschiedenen politischen Ebenen gegengesteuert werden kann.
Ulla Jelpke (Junge Welt, Berlin): Geschlechtsspezifische Verfolgung und die gesetzlichen Konsequenzen am Beispiel des Zuwanderungsgesetz
Manuela Bojadzijev (ehem. Stipendiatin der RLS, Frankfurt/M) / Sabine Hess (Uni Frankfurt/M.): Gender und Migration. Überlegungen zu Migrationsregime, Transnationalität, Autonomie der Migration
Judith Rosner (Agisra, Frankfurt/M.): Zur unsichtbaren Migration von Frauen. Arbeit und Leben in der Illegalität
Moderation: Birgit zur Nieden (Soziologin, Berlin)
AG 8: Gewalt in Geschlechterverhältnissen: Neue Perspektiven auf ein altes Thema
Gewalt ist konstituierendes Moment unserer Gesellschaft und seit Jahren Thema feministischer Politik und Praxis. Allerdings hat Gewalt viele Gesichter und richtet sich nicht ausschließlich gegen Frauen. In dieser Arbeitsgruppe sollen daher aktuelle Forschungen sowie politische Interventionsmöglichkeiten thematisiert werden.
Constanze Ohms (Broken Rainbow, Frankfurt/M.): Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen als Beleg für das Versagen herkömmlicher Erklärungsmuster
Silke Gahleitner (Psychotherapeutin, Berlin): Genderaspekte in der Bewältigung sexueller Gewalt
Ronald Lutz (FH Erfurt): Faszination der Gewalt
Britta Ferchland (frauenpolitische Sprecherin, Sachsen-Anhalt): Wie kann die politische Umsetzung erfolgen am Beispiel des Gewaltschutzgesetzes in Sachsen-Anhalt?
Moderation: Gudrun Wörsdörfer, Beratungsstelle Frauennotruf, Frankfurt/M.
Studentinnenvertretung und Dekonstruktivismus - Ein unvereinbarer Gegensatz?
Ein Workshop des FemRef Oldenburg
Annette Losert, Kaja Haeger, Petra Schmalz
Podiumsdiskussion: Krieg & Frieden - Konsequenzen von Kriegen und Konflikten auf Geschlechterverhältnisse
Im Unterschied zu klassischen Schlusspodien von Tagungen bricht dieses bewusst mit den Schwerpunkten der einzelnen Arbeitsgruppen. Dieses Podium soll einen Raum bieten, die Frage nach Krieg und Frieden, die auf der politischen Agenda ganz weit oben steht, auch auf seine Konsequenzen für die Geschlechterverhältnisse zu thematisieren. Die Feststellung, dass "nach dem Krieg vor dem Krieg" ist, macht deutlich, dass alle auf der Tagung diskutierten Aspekte von Gender angesichts von Krieg und Frieden eine andere Relevanz erfahren.
Anna Elvira Claßen (Stipendiatin der RLS, Trier)
Simone Wisotzki (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt/M)
Monika Hauser (medica mondiale, Köln)
Petra Bläss (Bundestagsvizepräsidentin a.D., Berlin)
Moderation: Claudia Haydt (Promotionsstipendiatin der RLS, Tübingen)
Kunst & Kultur
Veranstaltung
Kanak Attak: "Catch me if you can" - Performance mit Kanak Attak Frankfurt, Respect-Netzwerk Berlin und anderen
Ausstellungen:
Afrika in Deutschland - Bloß keine Schuldgefühle! (Sonja Mezger, Berlin, Nicole Wiederroth, Berlin, Viola Prüschenk-Adjesso, Stipendiatin der RLS, Berlin)
Verbotener Raum (Mia Unverzagt, Stipendiatin der RLS, Saarbrücken )
Film:
Gold und Gummi. Die Frauen aus der zweiten Schicht. Arbeiterinnen aus Welzow in der Lausitz (R: Hans Sparschuh, D 2002)