Dokumentation Reichtum und Macht

Workshop an der Universität Münster am 3. und 4. Dezember 2004

Information

Veranstaltungsort

WWU, Institut für Soziologie
Scharnhorststr. 121
48151 Münster

Zeit

03.12.2004 - 04.12.2004

Teilnahme nur nach Anmeldung bei

Prof. Dr. Dieter Klein,

Rosa Luxemburg Stiftung

Tel.: 040/44310135

oder

Prof. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski

Universität Münster

Tel.: 0251/511742

krysman@

uni-muenster.de

Seminarplakat [1 MB, pdf]

Seminarseite Macht und Reichtum mit ausführlichen Texten, Links, Hinweisen

Konferenzbericht:

Am 3. und 4. Dezember 2004 führte die Rosa-Luxemburg-Stiftung gemeinsam mit Professor Hans-Jürgen Krysmanski in Münster einen Workshop »Reichtum und Macht« durch. Autoren brandneuer Bücher zum Thema brachten ihre Forschungsergebnisse ein: Hans-Jürgen Krysmanski (mit Rainer Rilling): »Hirten et Wölfe«; Thomas Range: »Die Flicks.  Eine deutsche Familiengeschichte über Geld, Macht und Politik«; Rolf Schmucker: »Unternehmer und Politik «. Rund 200 Besucher erlebten in einem öffentlichen Abendpodium eine kontroverse Debatte.

Und dies sind einige Kernaussagen des Workshops:

Nach bisher vorliegenden Informationen wird der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zwar mehr Reichtum der Reichen und mehr Armut der Armen auch unter Rot-Grün nachweisen.  Aber über die wirkliche Macht der Reichen und Superreichen wird der Mantel der Intimität gebreitet bleiben. »Elite sind diejenigen, deren Soziologie niemand zu beschreiben wagt« – diese Aussage von Carl Schmitt wird auch auf den neuen Reichtumsbericht zutreffen.

Power Structure Research – die Erforschung der Machtstrukturen –wie in den USA ist in Deutschland noch kaum in Sicht. Klar ist: Als Kern einer neu geschichteten herrschenden Klasse können die Besitzer der extrem großen Geldvermögen angesehen werden. Einsichten in die Grundstrukturen des Machtmechanismus der Superreichen, wie sie in den USA gewonnen wurden, sind für die Erforschung von Machtstrukturen der deutschen Eliten wichtige Anregung.  Die wirklichen Reichtumsverhältnisse werden erst durch die Kombination mehrerer Ansätze erhellt: von Reichtumsforschung, Power Structure Research, kritischer Elite-Theorie, Wachstumsanalyse, internationalen Diskussionen über »Ökonomie der Enteignung« und Arbeiten zur Privatisierung öffentlicher Güter und öffentlicher Daseinsvorsorge bis hin zur Untersuchung imperialer Tendenzen. 

Die Behauptung vom Verschwinden des Reichtums angesichts leerer Kassen ist ein Grundmythos, auf dem die antisozialen Pseudoreformen in der Gegenwart beruhen. Zum Verbleib des Reichtums, zu seiner Polarisierung und zu strukturellen Fehlentwicklungen, die einen dramatisch abnehmenden Wohlfahrtseffekt des anschwellenden Reichtums zur Folge haben, wurden Analysen präsentiert.  Die verfehlte Standortpolitik der Bundesregierung privilegiert die Reichen und belastet die sozial Schwachen weit mehr als öffentlich bekannt. Eine »Ökonomie der Enteignung « zugunsten privater Kapitalanlagen betrifft auch die öffentliche Daseinsvorsorge, die unter dem wachsenden Druck der Privatisierungspolitik steht. Gegenstrategien der Berliner PDS-Fraktion gehörten zu den Diskussionsgegenständen der Tagung.

(Prof. Dieter Klein)

Programm

Freitag, 3.12.04

15:00 - 18:00

Einführung

Dieter Klein; H.J. Krysmanski

Bestandsaufnahme: Are They Getting Away With It?

Prof. Dr. H.J.Krysmanski / Prof. Dr. Jon V.Beaverstock (Leicestershire)

19:00

Öffentliche Podiumsdiskussion: Wie mächtig sind die Reichen, wie reich sind die Mächtigen?

Prof. J.V.Beaverstock, Prof. D.Eißel, Prof. M.Hartmann, Dipl.Soz. B.Hoff, Prof. P.Imbusch, Prof. D.Klein, Prof. Karin Priester, Moderation: Prof. H.J.Krysmanski

(Fürstenberghaus, F2)

Samstag, 4.12.04

9:00 - 12:30

Reichtum als Macht

Prof. Dr. Michael Hartmann (Darmstadt) / PD Dr. Peter Imbusch (Marburg) / Dr. Rolf Schmucker (Frankfurt/M.) / Dipl.Soz. Benjamin Hoff (Berlin)

12:30 - 13:15

Mittagspause

13:15 - 16:00

Soziologie und Ökonomie des Reichtums

Prof. Dr. Dieter Eißel (Gießen) / Prof. Dr. Dieter Klein / Dr. Harald Werner (Berlin)

16:00 - 16:15

Pause

16:15 - 17:00

Abschlussrunde

Information zur Veranstaltung:

Der neue Schub der Abkehr von Sozialstaatlichkeit und das Vorrücken der Kultur des Privaten hat der Frage nach Reichtum und Macht neues Gewicht gegeben. Die Klage, dass es nichts zu verteilen gäbe, müsste überprüft werden: wo bleibt eigentlich der wachsende Reichtum?

Die neuen internationalen Turbulenzen rücken die Debatten über eine global ruling class und / oder eine transnational capitalist class nach vorne, verknüpft mit einigen Versuchen, die von der klassischen Elitenforschung kaum erfassten ultra-high-networth individuals zum Thema zu machen. In welche Richtung gehen hier die Recherchen?

Endlich: die politischen Veränderungen werfen die komplizierte Frage nach dem Zusammenhang von Reichtum und Macht auf - und nach dem Thema der Veränderung.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat seit 2002 Arbeitszusammenhänge unterstützt, die sich mit Fragen der Privatisierung und der Entwicklung des Eigentums befassen, u.a. das von ihr initiierten Netzwerk ("Privatization - Public Goods - Regulation") sowie kleinere Tagungen und Projekte. Das dabei behandelte Themenspektrum hat die Frage nach "Reichtum" ebenso eingeschlossen wie - noch am Rande - die nach Machtnetzwerken der Superreichen. Wir möchten das Gesamtspektrum dieser Probleme in einem kleinen internationalen Workshop aufgreifen, der am 3./4. Dezember 2004 an der Universität Münster stattfinden wird. Der Workshop soll einen stark informellen und exploratorischen Charakter haben.

Themenspektrum der Veranstaltung:

(1) Was ist Reichtum und welches sind seine Quellen?

(Mögliche Aspekte: Das Verhältnis von Reichtum und verschiedenen Eigentumsformen, insbesondere das Verhältnis von Reichtum und Kapital. Reichtum und ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. Verschiedene Gestalten des Reichtums: Einkommensreichtum, Geldvermögen, Reichtum an Wirtschaftsressourcen, Grund- und Immobilienvermögen, Gebrauchsvermögen. Reichtum und Macht. "Reichtum der menschlichen Natur", "wirklicher Reichtum … die entwickelte Produktivkraft aller Individuen" (Marx) - ein entscheidender Ausgangspunkt für alternative Reformen.)

(2) Wo verbleibt der Reichtum?

(Mögliche Aspekte: Wächst der Reichtum tatsächlich nur noch gedämpft im Vergleich zu vergangenen Zeiten? Soziale Polarisierung: das Verschwinden des Reichtums auf Seiten großer Teile der Bevölkerung zugunsten der Bereicherung von Machteliten. Reichtumsverluste durch strukturelle Fehlentwicklungen: Verluste durch Umweltzerstörung, Rüstung und Kriege, Fehlinvestitionen, Wegwerfgesellschaft. Destruktive Wirkungen spekulativer Kapitalanlagen auf den internationalen Finanzmärkten. Wirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Reichtumsentwicklung. Entwicklung der Kapitalintensität und Reichtumsverwendung. Demographische Entwicklung und Reichtum. Nöte der Landespolitik durch öffentliche Armut.)

(3) Wer sind die Reichen, welches sind ihre Netzwerke?

(Mögliche Aspekte: Entschleierung der Anonymität des Reichtums. Globale Netzwerke der Reichen und Zentren der Macht. Privatisierung der Weltpolitik auf unterschiedlichsten Feldern.)

(4) Wie funktioniert Reichtum als Macht, was sind seine Folgen?

(Mögliche Aspekte: Das Verhältnis von Reichtum und Macht, insbesondere von Geldvermögen und Macht/Herrschaft. Monetarisierung der Macht und globalisierte Finanzmärkte. "Akkumulation durch Enteignung" - eine zutreffende Beschreibung des gegenwärtigen Kapitalismus? Kritik der Mainstream-These, dass Macht entsubjektiviert nach rationalen teilsystemspezifischen Codes von Funktionseliten in alternativer Weise verwaltet würde. Privatisierung der Macht und ihre Formen.)

(5) Alternativen zur Reichtumspolarisierung und zur Politik der Machteliten

(Mögliche Aspekte: ist öffentliche Verfügungsmacht über Eigentum unterschiedlichster Formen eine Alternative? Was ist "Aneignung von unten"? Dissidenz in den Machteliten? Gibt es Differenzierungsprozesse in den Machteliten, die unter dem Druck globaler Problemlagen Anknüpfungspunkte für Alternativen bieten?)

Die Aktualität des Workshop-Themas legt nahe zu überlegen, wie Teilnehmer des Workshops - unter Umständen in einem abendlichen Podiumsgespräch in der Universität - öffentlichkeitswirksam werden könnten.