Dokumentation TransKontinentale Krankenkassentage

Hunderttausende von Menschen haben keinen Zugang zur medizinischen Versorgung, weil ihr Aufenthaltsstatus ungesichert ist. Ein ganz alltägliches Drama mitten in Deutschland, wo Menschen mit und ohne Rechte eine medizinische Notversorgung organisieren. Die Zeit ist reif für TransKontinentale Krankenkassentage.

Information

Veranstaltungsort

Haus Drei, Stadtteilkulturzentrum Altona
Hospitalstr. 109
Hamburg

Zeit

30.09.2005 - 02.10.2005

Themenbereiche

Wirtschafts- / Sozialpolitik

„Die Gesundheit ist eines der höchsten Lebensgüter. Es ist das Ziel der Gesundheitspolitik, die Gesundheit der Bürger zu erhalten, zu fördern und im Krankheitsfall wieder herzustellen. Gesünder leben, länger leben und aktiver leben zu können, dies ist für jeden Bürger bestmöglich zu gewährleisten. Das Gesundheitswesen qualitativ auf hohen Stand und gleichzeitig finanzierbar zu halten, ist die Herausforderung, vor der die Gesundheitspolitik heute und auch in Zukunft steht. Dazu bedarf es eines umfassenden Systems gesundheitlicher Sicherung, das allen Bürgern wirksam und ohne Hindernisse zur Verfügung steht.“ Bundesministerium für Gesundheit und Soziales

Doch was sind die Quellen der Gesundheit und wer sind alle Bürger?

Befragen wir Clara, unsere virtuelle Gesundheitsberaterin auf der Homepage zur Gesundheitsreform: Was ist die Quelle der Gesundheit? Erklären sie mir bitte, was sie meinen. Wer sind alle Bürger? Ich weiß nicht, das kann ich beim besten Willen nicht beantworten. Vielleicht interessiert sie die Patienten-Quittung oder Gesundheitskarte? Krankenschein für Asylbewerberin? Ich weiß nicht worum es geht. Gesundheit für Migrant? Ich habe sie leider nicht verstanden. Flüchtling? Worauf wollen sie hinaus?

Ein Drama: 100.000e von Menschen haben keinen Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland, weil ihr Aufenthaltsstatus ungesichert ist. Eine Situation, in der schon seit über 10 Jahren bewusst Gesetze übertreten oder kreativ ausgelegt werden. Ein ganz alltägliches Drama mitten in unserer Gesellschaft, in der Menschen mit und ohne Rechte eine medizinische Notversorgung organisieren.

Es besteht Übereinstimmung zwischen Ärzten, Beratungsstellen, Klinikpersonal und sogar Teilen der Gesundheitsverwaltung, dass die Begleitumstände für PatientInnen ohne Papiere oder ohne Rechte unzumutbar, ja sogar krankheitsverursachend sind. Dennoch wird in unserem Gesundheitssystem ein anonymer, verfolgungsfreier Zugang verweigert. Ein Zugang, der in anderen EU – Mitgliedstaaten durchaus möglich ist.  Der deutsche Ärztetag stellte dieses Jahr dazu trocken fest: „ Die medizinische Behandlung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland entspricht nicht den erforderlichen medizinischen Standards und wird durch gesetzliche Regelungen behindert.“ Deshalb stellen wir das Recht auf Gesundheit und medizinische Versorgung, das Recht auf Rechte unabhängig von Aufenthaltsbewilligungen oder Einkommen in den Mittelpunkt unserer Veranstaltungen.  Wir möchten uns hier versammeln, um Bewegung in die politische Landschaft zu bringen für überfällige Entscheidungen. Die gesellschaftliche Realität hat in weiten Teilen die Gesetzeslage unterlaufen. Das neue Gesetz zur Begrenzung der Zuwanderung hat die Situation nicht nur nicht verbessert, sondern verschärft.  Werfen wir einen Blick auf die Zukunft der Gesundheitsreform. Wir argumentieren bewusst aus der Perspektive der Rechtlosen, der bisher Ausgeschlossenen in der nationalen Gesundheitspolitik.  Die Privatisierung von Gesundheit und medizinischer Versorgung soll die Krise des Nationalstaates und seiner Versorgungssysteme lösen. Schon jetzt ist absehbar, dass eine weitere Menge Menschen aus dem System fliegen oder schlechtergestellt werden.

Aktuelle Anforderungsprofile an eine moderne Medizin verlangen non-profit-orientierte, leistungsfähige und kommunikative Systeme, die persönliches und gesellschaftliches Wohl verknüpfen. Systeme, die eine sozial verantwortliche und medizinisch erweiterte Heilkunst praktizieren und heutige Medizin transformieren.  Strukturen, die regionalisierte Dienstleistungen in einer globalisierten Gesellschaft organisieren und anbieten.  Es gibt Veränderungen, die im Rahmen der bestehenden Gesundheitssysteme möglich sind. Aber wenn wir TransKontinentale Krankenkasse sagen, sprechen wir von einem globalen Know-How, das abseits kapitalisierter Gesundheitsversorgung besteht. Dann reden wir von einer sozialen Bewegung, die in prekären Verhältnissen Rechte aneignet und fordert.

Die Zeit ist reif für TransKontinentale Krankenkassentage.

Veranstalter:

Medizinische Beratungsstelle für  Flüchtlinge und MigrantInnen
mit GesellschafterInnen für Legalisierung

Mit freundlicher Unterstützung von rls und Haus Drei.


Freitag, 30.09.2005


19:30 - 22 Uhr
Hearing
Begrüssung und Vorstellung der Tage: Medizinische
Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen und
GesellschafterInnen für Legalisierung
Medizinische Beratungsstelle für Flüchtlinge und
MigrantInnen: 11 Jahre Arbeit in Hamburg.
Erfahrungen, Bilanz und Forderungen
Praxisalltag:
ÄrztInnen aus Hamburg berichten.
Ich-Perspektive:
MigrantInnen stellen ihre Positionen vor.
Nachgefragt:
Über welche Kosten reden wir hier eigentlich?
Transkontinentale Handlungsoptionen.

Samstag, 01.10.05

10 - 13 Uhr
Panel 1 – Internationale Projekte
Einleitung: Zusammenfassung aufenthaltsrechtlicher
Bestimmungen der einzelnen Länder/ Analyse in
Bezug auf Deutschland.
EU-Verhältnisse. MitarbeiterInnen verschiedener
Organisationen berichten aus den Niederlanden,
Frankreich, Italien.
Pause / Mittagessen
15 - 18 Uhr
Panel 2 – Berichte aus Deutschland
Verhältnisse, Situationen, Veränderungen,
Erfahrungsaustausch im Bezug auf medizinische
Versorgung von MigrantInnen und Illegalisierten.
Ab 20 Uhr
Abends mit Getränken, Kurzfilmen, Dokumentationen
und Zeit im Buttclub/St. Pauli- Hafenstr. 126

Sonntag, 2.10.05

10 - 12:30 Uhr
Workshops, Weiterbildung, Verfahrensweisen
Medizin. Problemthemen: Schwangerschaft/Geburt,
Traumatisierung, Drohende Abschiebung,
Operationen, Chronische Krankheiten,
Psychosomatische Beschwerden, Zahnbehandlung.
Recht. Die rechtliche Situation von ÄrztInnen im
Zuwanderungsgesetz bei medizinischer Hilfe für
Illegalisierte.
Krise der Gesundheitssysteme.
Medizinsoziologische Betrachtung der aktuellen
Entwicklungen im Gesundheitswesen.
global trust fund.
Möglichkeiten und Grenzen anderer finanzieller
Konzepte.

13:30 - 15:30 Uhr
Abschlussdiskussion
Medizinische Beratungsstellen zwischen “sich
selbst überflüssig machen” oder Keimzellen einer
anderen Gesundheitsverorgung werden ? Oder
doch eine TransKontinentale Krankenkasse
gründen?
Was gibt´s?
Nordelbische Synode und Manifest der Bischöfe,
Peoples Health Movement, Malteser Hilfsdienst,
PICUM – welche Möglichkeiten von Zusammenarbeit
bieten sich an?
Vorstellung der geplanten Kampagne zum Umgang
mit Illegalisierten im Gesundheitswesen des IPPNW
zum Umgang mit Illegalisierten im Gesundheitswesen.

Ab 22 Uhr
LA FETE im Buttclub/St. Pauli- Hafenstr. 126