Dokumentation Perspektiven der Linkspartei

Entwicklungsmöglichkeiten und Gefährdungen – das Projekt einer „Pluralen Linken“ – Anforderungen an die Linkspartei. Der Workshop ist die ist die zweite Veranstaltung in der Reihe „Gesellschaftspolitische Foren“.

Information

Veranstaltungsort

SAALBAU Bockenheim
Schwälmer Straße 28
60486 Frankfurt

Zeit

29.10.2005 - 30.10.2005

Mit

Christoph Spehr/Bremen, Meinhard Meuche-Mäker/Hamburg, Helge Meves/Berlin und Joachim Bischoff/Hamburg, Evelin Wittich/Berlin und Murat Cakir/Kassel (u.a.)

Themenbereiche

Soziale Bewegungen / Organisierung

Von Fragen der Organisationsform über europäische Vergleiche bis zum geschlechterdemokratischen und migrationspolitischen Profil eröffnete das zweite gesellschaftspolitische Forum eine breit gefächerte Debatte zur Entwicklung der Linkspartei. Über 90 TeilnehmerInnen diskutierten am 29. und 30. Oktober in Frankfurt/Main über Anforderungen an eine künftige gemeinsame linke Partei, ausgehend von Linkspartei.PDS und WASG. Ihre Kernforderungen waren eine kulturelle und interkulturelle Öffnung der Linken sowie transparente und demokratische Parteistrukturen.

Im Vordergrund stand die Entwicklung in den westdeutschen Ländern, wo der Linkspartei.PDS am 18.9. mit einem Ergebnis von 4,9% (nach 1,1% 2002 für die PDS) ein spektakulärer Erfolg gelang, der freilich noch lange nicht stabil ist. Hierzu wurden am Samstag einleitend drei analytische Betrachtungen zu Arbeitsweisen und Funktion einer künftigen Linkspartei im (westdeutschen) politischen Spektrum vorgestellt:

Christoph Spehr (Bremen) formulierte drei zentrale Ziele für eine moderne Linkspartei: Pluralität als gewollte, nicht nur hingenommene, Akzeptanz von Unterschiedlichkeit; „offener Sozialismus“ als Offenheit für gesellschaftliche Entwicklungen und Verzicht auf elitär-pseudowissenschaftliche Zukunftsentwürfe; offene Organisation mit Anknüpfungspunkten für Nicht-Mitglieder. Er warnte vor einer Überschätzung programmatischer Debatten.

Meinhard Meuche-Mäker (Hamburg) zog Schlussfolgerungen aus knapp 15 Jahren Geschichte der West-PDS, die dort „eigentlich nie eine Chance gehabt“ habe. Aus ihren vielen Schwächen, kleinen (vor allem kommunalpolitischen) Stärken und den Erfahrungen mit dem organisatorischen Gefüge, ohne das der Wahlkampf 2005 auch im Westen sehr viel schwieriger gewesen wäre, könne und müsse auch die Linkspartei unter Einschluss der WASG für ihre künftige Arbeit im Westen lernen. Meuche-Mäkers Thesen fußen auf einer von ihm für die RLS erstellten Studie zur „Die PDS und der Westen“, die im November 2005 veröffentlicht wird.

Helge Meves (Berlin), einer der Mitinitiatoren der WASG, skizzierte die Erwartungen bei der Entstehung der WASG und ihren jetzigen Stand. Er verwies dabei auf die großen organisationspolitischen Differenzen zwischen Linkspartei und WASG sowie auf die große Zahl neu-politisierter, selbst von Sozialabbau betroffener Menschen, die oftmals nicht aus der klassischen Linken kämen. Dies biete Chancen für die Entwicklung einer zukünftigen Linkspartei, stelle jedoch auch eine erhebliche Herausforderung dar.

An der anschließenden breiten Debatte beteiligten sich   u.a. Joachim Bischoff, Murat Çakir  und Björn Radke vom Bundesvorstand der WASG, Benjamin Hoff und Heiner Halberstadt von der Linkspartei.PDS. Am Samstagabend diskutierten Christophe Hodé (PCF, Frankreich) und Daniel Oliveira (Bloco de Esquerda, Portugal) über Modelle pluraler Linksparteien in ihren Ländern.

Die Diskussionen über feministisch-frauenpolitische und migrationspolitisch-antirassistische Anforderungen an eine kommende Linkspartei am Sonntagvormittag waren stärker auf eine breite Beteiligung der TeilnehmerInnen angelegt. Als roter Faden verband beide Veranstaltungstage die Forderung nach offenen, flexiblen und durchlässigen Organisierungsweisen. Diese seien eine Voraussetzung, die Attraktivität von WASG und Linkspartei im Westen für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken. Die Erwartungen, die Frauen an eine parteiliche Organisation stellten, könnten mit Stichworten wie Offenheit, Transparenz, Verständlichkeit und Kompetenz beschrieben werden sowie mit der Fähigkeit, im Diskurs Angebote zu entwickeln und eigene Interessen mit Konsequenz und Realitätssinn durchzusetzen, so Evelin Wittich (RLS, Berlin).

Murat Çakir (WASG, Kassel) hob insbesondere auf eine „Demokratisierung der Demokratie“, eine umfassende interkulturelle Öffnung auch der Linken und, in der Diskussion durchaus kontrovers, auch eine gewisse Quotierung für MigrantInnen in einer kommenden Linkspartei ab. Die Diskussion zum frauenpolitisch-feministischen und migrationspolitisch-antirassistischen Profil der neuen Linkspartei sind auf dieser Seite dokumentiert. Insbesondere die frauenpolitische Debatte soll in einer eigenen Veranstaltung in der Reihe der „gesellschaftspolitischen Foren“ Anfang 2006 vertieft werden.


(Bericht: Florian Weis)

Beiträge / Berichte:

Murat Çakir: Paradigmenwechsel für eine linke Politik. Impulsreferat für den Workshop »Links ist, wo keine Heimat ist«. Antirassistische und migrationspolitische Anforderungen an ein linkes Projekt.


Murat Çakir: Migrationspolitische Thesen zur Diskussion. Thesenpapier zum RLS-Workshop »Links ist, wo keine Heimat ist«

Lutz Brangsch: „Linkspartei: Feministisch oder nicht links? Anforderungen aus feministischer und frauenpolitischer Sicht“ Kurzbericht zum Gesellschaftspolitischen Forum

Sandra Thieme / Lutz Brangsch: Perspektiven der Linkspartei
Bericht zum Workshop " Linkspartei: Feministisch oder nicht links? Anforderungen aus feministischer und frauenpolitischer Sicht" (30. Okt. 2005)

 

Programm:

Samstag, 29. Oktober, 16.00 bis 19.00 Uhr:

Zu Funktion und Perspektiven der künftigen Linkspartei in der bundesdeutschen Gesellschaft, speziell in den westdeutschen Bundesländern, unter Berücksichtigung der Erfahrungen der westdeutschen PDS und der Entstehung der WASG.

Einführung: Florian Weis, Berlin, RLS

Mit Beiträgen von: 

  • Christoph Spehr, Bremen, Autor, freier Mitarbeiter der RLS
  • Meinhard Meuche-Mäker, Hamburg, Politikwissenschaftler
  • Helge Meves, Berlin, Mitarbeiter der Linksfraktion im Deutschen Bundestag
  • Benjamin Hoff, Berlin, Mitglied des Abgeordnetenhauses  von Berlin, Vorstandsmitglied der RLS;
  • Murat Cakir, Bundesvorstand WASG

Einführung und Moderation: Cornelia Hildebrandt 

Samstag, 29. Oktober, ab 20.00 Uhr:

Linkspartei – das Konzept einer ‚Pluralen Linken’ an Beispielen in Frankreich und Portugal.
Eine Veranstaltung des RL-Forum Hessen mit

  • Christophe Hodé (PCF, Frankreich)
  • Daniel Oliveira (Bloco de Esquerda, Portugal)

Moderation: Jörg Prelle, Frankfurt, RL-Forum Hessen
Übersetzung: Margrit Klinger-Clavijo


Sonntag, 30. Oktober, 9.00 bis ca. 14.00 Uhr (u.a. mit Evelin Wittich/Berlin und Murat Cakir/Kassel):


Linkspartei: Feministisch oder nicht links? Anforderungen aus feministischer und frauenpolitischer Sicht
Einführung: Evelin Wittich, Berlin, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied RLS
Moderation: Eva Schäfer / Silke Veth, RLS


Links ist, wo keine Heimat ist? Antirassistische und migrationspolitische Anforderungen an ein linkes Projekt
Einführung: Murat Cakir, Bundesvorstand WASG
Moderation: Lutz Kirschner, Berlin, RLS; Susanne Spindler, Köln, RLS-NRW