Dokumentation Alte Linke – neue Linke?

Die Protestbewegungen der 1968er Jahre in Westdeutschland und Europa; Dokumentation der Fachtagung des Gesprächskreis Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Fachschaftsrates Psychologie der Universität Hamburg

Information

Veranstaltungsort

Universität Hamburg / HG ESA 1
Edmund-Siemens-Allee 1
20146 Hamburg

Zeit

25.04.2008 - 26.04.2008

Mit

Knud Andresen, Peter Birke, Manuela Bojadzijev, Angelika Ebbinghaus, Bernd Hüttner, Christian Frings, Paul Ginsborg, Haris Golemis, René Karpantschof, Marcel van der Linden, Markus Mohr, Gisela Notz, Gottfried Oy, Julia Paulus, Juliane Schumacher, F. We

Themenbereiche

Geschichte, Parteien- / Bewegungsgeschichte, Jugendbildung, Politische Weiterbildung

Tagungsbericht

Von Bernd Hüttner, 5.5.2008

Am 25. und 26. April fand an der Universität Hamburg eine geschichtspolitische Tagung statt (1). Sie wurde vom Gesprächskreis Geschichte der RLS vorbereitet und in Zusammenarbeit mit dem Fachschaftsrat Psychologie der Universität Hamburg und den Landesstiftungen Brandenburg, Bremen und Hamburg veranstaltet. Mit gut 80 quer über die Altersstufen verstreuten TeilnehmerInnen war sie gut besucht.

Die Tagung richtete sich vorrangig an ein fachlich interessiertes Publikation im Feld zwischen Wissenschaft und sozialen Bewegungen; sie wollte weniger die Ereignisse nacherzählen, sondern sich um eine kritische Deutung der Folgen der „langen 68er Jahre“ bemühen (2). Sie wollten Themen stärken, die erst seit kurzem eine Rolle in der Forschung spielen, wie etwa die Bedeutung von transnationaler Kommunikation und Migration für „1968“ oder auch die Rolle von Streiks und Arbeiterverhalten. Die Tagung bemühte sich um eine transnationale Perspektive, der Bereich „Osteuropa“ war bewusst ausgeklammert worden, da dazu bereits eine eigene Tagung stattgefunden hatte (3).

In je vier Einzelvorträgen (von Angelika Ebbinghaus, Juliane Schuhmacher, Giorgos Tsiakolos und Christian Frings) und in den Workshops wurde der Bogen weit aufgespannt: Er reichte von der Erinnerungspolitik in Mexiko zu 1968 bis zu den Alternativbewegungen der 1970er Jahre, von den verschiedenen Konzepten kritischer Medienarbeit bis zur Rolle und Bedeutung der LohnarbeiterInnen in den sozialen Kämpfen jener Zeit.

Der Eröffnungsvortrag dimensionierte „1968“ räumlich und inhaltlich als globale Revolution, die als eine „plurale Einheit“ verstanden werden müsse. So gebe es zwar zwischen den Ländern Ungleichzeitigkeiten, und auch unterschiedliche Thematiken und Grade der Mobilisierung, „1968“ sei aber davon gekennzeichnet, dass die Akteure und Akteurinnen das „Weltgeschehen als Folie des eigenen Handelns“ angesehen und in den Themen durchaus übergreifende Gemeinsamkeiten geteilt hätten: etwa im Kampf gegen Krieg und Kolonialismus, in der neuen Rolle der Intelligenz und vor allem in der Bedeutung von Gegenkultur und der Kritik der traditionellen Geschlechterverhältnisse. Die zeitliche Periodisierung fiel da schon einfacher: Viele Beiträge unterschieden in eine Vorphase mit intellektuellen StichwortgeberInnen und antikolonialen Kämpfen, den Höhepunkt 1967 bis zur Jahresmitte 1969 und den Nachwirkungen bis zum Ende der 1970er Jahre. Diese Nachwirkungen seien unter anderem ein gestiegenes Maß an „labor unrest“ und migrantischer Kämpfe, wie auch die organisationspolitischen Konsequenzen. Um diese Folgen entspann sich dann auch die Diskussion, vor allem darüber, wie und warum der antiautoritäre Aufbruch wieder in autoritären Formen eingehegt werden konnte.

„1968“ wurde in allen Beiträgen als antihierarchische und grundlegend den Verhältnissen kritisch gegenüberstehende Bewegung beschrieben und sei im globalen Norden von einer Vielfalt der Protestformen gekennzeichnet gewesen. In den „1968er Jahren“ fand auch eine „kulturelle Revolution“ statt, die sich zwar in der Sphäre des Konsums und der Freizeit abspielte, und insofern das Wirtschaftswachstum und die Bildungsexpansion jener Jahre zur Voraussetzung hat. Mehrere Beiträge thematisierten, dass diese „kulturelle Revolution“ aber genauso Auswirkung auf wie Folge von Veränderungen in der Arbeitswelt war. Gegenstand der Debatte war auch, welche Rolle die Medien für die Herausbildung eines „globalen 68“ spielten. Es wurde berichtet, wie stark der internationale Bezug zwischen dem eigenen Handeln und den weltweiten Ereignissen (etwa dem Vietnamkrieg oder dem französischen Mai) war: Die AkteurInnen waren international informiert und neben persönlichen Kontakten spielten die Massenmedien dafür eine bislang nur unzureichend untersuchte Rolle.

Quer durch alle Vorträge und auch das Abschlussplenum zog sich die Frage der Periodisierung, etwa entlang der Frage, ob es die „neue Linke“ nicht schon vor dem Jahr 1968 gegeben habe. Eine These, die von vielen geteilt wurde: Diese Intellektuellen seien in ihrer Abwendung von Sozialdemokratie und autoritärem Parteikommunismus zwar vor 1968 marginalisiert, aber dann umso wichtiger gewesen.

Abschließend lässt sich feststellen: „1968“ war ein globales Phänomen. Die Forderungen der Revolte sind nicht in der aktuellen Ordnung aufgehoben, ihre Wünsche und Erfahrungen bleiben bis heute von Bedeutung und haben Berechtigung. Der durch „1968“ ausgelöste Wechsel in der linken Themenagenda hin zu Themen wie Fortschrittskritik, Minderheitenrechten, eines erneuerten Internationalismus oder in der Kritik von Arbeit hat Folgen bis heute, die es zu berücksichtigen gilt. Offen musste bleiben, welche organisatorischen Konsequenzen zu ziehen seien. Denn „1968“ und viele daraus resultierende Organisationsversuche bedeuten, dass Politik machen seitdem nicht mehr zwangsläufig bedeuten muss, dies in der Parteiform zu tun. Die Hypothek der gescheiterten, so autoritären wie folkloristischen kommunistischen Gruppen der 1970er Jahre ist dafür nur ein mahnendes Beispiel.

„1968“ war der letzte transformatorische Versuch, der sich auf einen gewissen historischen Optimismus stützte und der sich auch eindeutig „links“ verortete. Alle nachfolgenden relevanten sozialen Bewegungen – egal ob es sich um die Solidarnosc, die westdeutsche Bewegung gegen Atomkraftwerke oder selbst die „Globalisierungsbewegung“ handelt, konnten und taten dies nicht mehr.

Bernd Hüttner ist Koordinator des Gesprächskreises Geschichte und Regionalmitarbeiter Bremen der RLS

Marginalien

1) Ein Sammelband mit Beiträgen aus der Tagung erscheint Anfang 2009.

2) Dazu Peter Birke, Bernd Hüttner: 1968. Deutungen und Folgen, in RosaLux 1/2008

3) Das Jahr 1968 aus der Perspektive der Gesellschaften Mittel-, Ost und Südosteuropas, Tagung am 22. und 23. Februar 2008 in Bremen (interner Link folgtBericht).

Zitat als Illustration

„Was kann man anderes erwarten von dieser Linken, wenn die soziale Fragmentierung jeden Tag immer deutlicher zeigt, dass es unmöglich ist, diese gesellschaftliche Entwicklung in den kanonischen Formen der Partei oder der Gewerkschaft abzubilden?“

externer Link in neuem Fenster folgtwww.precaria.org, die Website der Mailänder Kollektive, die alljährlich den EuroMayday organisieren, in ihrem Kommentar zum Ausgang der jüngsten Wahlen in Italien, zitiert nach Andrea Fumagalli: Jenseits der Institutionen, Jungle World Nr. 17, 24. April 2008

Tagungsankündigung

 

Grundfragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Rudi Dutschke, Notizen, Nachlass, 1967

Vierzig Jahre nach dem Aufstand an der Pariser Universität Sorbonne und dem Beginn des Massenstreiks in Frankreich werden die „1968er Jahre“ öffentlich stark debattiert. Auch die bundesdeutschen Bewegungsereignisse sind wieder im Gespräch, von den Schüssen auf Benno Ohnesorg im Juni 1967, über die „Aprilunruhen“ bis zu den Protesten gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze im Mai 1968. Allerdings steht dabei in STERN, Spiegel oder tageszeitung vor allem der spektakuläre Charakter der Aktionen im Vordergrund. Allzu oft wird die Bewegung auf einen romantischen Aufstand einiger jugendlicher Helden zusammengeschrumpft oder als Brutstätte gewaltförmiger Politik dämonisiert.

In der historischen und sozialwissenschaftlichen Forschung wird solchen Vereinfachungen die These entgegen gehalten, die „1968er“ hätten es zwar nicht gewollt, seien aber dennoch für die „Fundamentalliberalisierung“ der Bundesrepublik verantwortlich. „1968“, heißt es dort, sei ein Ausdruck viel längerfristig angelegter „Modernisierungsschübe“ auf ökonomischem und kulturellem Gebiet. Hinter dieser Öffnung der Periodisierung verbirgt sich der Wunsch, den sozialen Sinn der „1968er“ zu retten und gegen die Diffamierung durch die politische Rechte zu verteidigen. Aber die These, der Aufstand sei Ausdruck einer glücklichen Verbindung von technisch-wissenschaftlichem Fortschritt und Demokratisierung mit, zumindest im Falle der Bundesrepublik, einem guten Ausgang in der Gegenwart, erscheint angesichts einer anhaltenden Demontage demokratischer und sozialer Rechte heute selbst in der Bundesrepublik merkwürdig antiquiert.

Während die Sensationen, die die Bilder aus dem Jahre 1968 auslösen, heute vielleicht stärker als je zuvor verwertet, kommentiert und reklamiert werden, wird auf eine Auseinandersetzung mit der Herausforderung verzichtet, die die von Immanuel Wallerstein als "globale Revolution" bezeichneten Bewegungen bis heute darstellen. Mit unserer Tagung wollen wir eine solche Auseinandersetzung anregen. Dabei wird der Blick bewusst nicht alleine auf die spektakulären Bewegungsereignisse reduziert, sondern auf die lange Vor- geschichte der Protestbewegungen seit den frühen 1960er Jahren ebenso wie auf den gesamten Zyklus des Aufstands gerichtet, ein Zyklus, der bis in die 1970er Jahre hinein reicht. Unsere Aufmerksamkeit gilt dem global verstreuten Charakter und der sozialen Zusammensetzung der Proteste. Ein besonderer Schwerpunkt der Tagung wird auf der Frage des Verhältnisses zwischen der „alten“ ArbeiterInnenbewegungslinken und den neuen sozialen Bewegungen liegen.

Wir wollen ForscherInnen, Interessierte und aktuell in den sozialen Bewegungen Engagierte zusammenzubringen, für die noch nicht alle Fragen bezüglich der „1968er“ beantwortet sind:

  • Wie transnational waren die Proteste und was bedeutet ihre „Globalität“? Gab es einen Zusammenhang zwischen den Reform- und Selbstverwaltungsprojekten in Ost und West, in Nord und Süd? Welche Gestalt hatte "1968" in den westeuropäischen Diktaturen wie Griechenland, Spanien oder Portugal? Wie sind die "Ungleichzeitigkeiten" im europäischen/transnationalen Maßstab zu bewerten?

  • Wie breit waren die Protestbewegungen der 19er Jahre in sozialer Hinsicht? Welche Rolle spielte die Neuzusammensetzung der Lohnarbeit im transnationalen Maßstab? In welcher Weise griffen die Proteste in die Regulation der Geschlechter- und Migrationsverhätlnisse ein? Welche Rolle spielen hier insbesondere die Proteste, die im Anschluss und in teilweiser Abwendung von "den 68ern" stattfanden, wie die neue Frauenbewegung?

  • Welche Rolle spielten und spielt die „kulturelle Revolution“ in den „1968er Jahren“ und wie wirken die damit verbundenen Umwälzungen bis heute?

Die Forderungen der Protestbewegungen sind nicht restlos in der aktuellen neoliberalen Ordnung aufgehoben. Aber welche Träume, Wünsche und Erfahrungen bleiben heute von Bedeutung?

Das Programm

Freitag, den 25. April 2008, Flügel Ost, R. 221

14.15 Uhr Angelika Ebbinghaus (Bremen): War „1968“ eine globale Revolte?

Was bedeutet es, wenn wir von den Protestbewegungen der 1968 Jahre als einer globalen Revolte sprechen? Als erstes sollten wir uns darüber verständigen, welchen Zeitraum wir meinen, wenn wir „1968“ als Chiffre nutzen. Zweitens fragt sich, ob es sinnvoll ist, die sozialen und politischen Massenbewegungen der 1960er und 1970er Jahre gemeinsam und weltweit in den Blick zu nehmen. Gab es so etwas wie eine „plurale Einheit“ dieser Bewegungen? Was charakterisiert die 1968er-Bewegungen und unterscheidet sie damit von anderen sozialen Bewegungen? Wenn wir zwei andere wichtige politische Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrachten, stellt sich die Frage, ob die Dekolonisierung eine besondere Bedeutung für die 1968er-Bewegungen hatte? Und schließlich, in welchem Verhältnis steht „1968“ zu „1989“?
 

16.15 Uhr Juliane Schumacher (Berlin), Christian Frings (Köln): Die Ungleichzeitigkeiten der „globalen Revolution“

Während die Proteste in Paris, Berkley oder Berlin in aller Munde sind, wird sich aktuell nur am Rande an die Geschichte der "1968er" außerhalb Westeuropas erinnert. Nur wenige Veröffentlichungen beispielsweise beziehen die Geschichte der mexikanischen Studentenbewegung ein, die mit dem Massaker von hunderten Protestierenden auf dem Platz der drei Kulturen in Mexiko-City im Oktober 1968 einen ebenso tragischen wie in der mexikanischen Gesellschaft bis heute unaufgearbeiteten Höhepunkt fand. Kann man die Situation der Protestierenden in Lateinamerika und Westeuropa im Frühjahr 1968 vergleichen? Gab es gemeinsame Ziele und Anliegen? Was bedeuten die unterschiedlichen Reaktionen des Staates? Wie wird die Geschichte der "1968er Jahre" im globalen Süden geschrieben? Eine Frage ist auch, wie bedeutend das Datum "1968" hier ist, das selbst im Norden nur vor dem Hintergrund der antikolonialen Kämpfe zu denken ist. Welche Ungleichzeitgkeiten zeigen sich im Blick auf die "1968er" aus der Sicht der Weltsystemforschung?

20.00 Uhr Lesung

Peter Chotjewitz: „Mein Freund Klaus“
Ort: Buchhandlung im Schanzenviertel, Schulterblatt 55, Nähe S-Bahn
Sternschanze, ca. zehn Minuten von der Universität entfernt: externer Link in neuem Fenster folgtwww.schanzenbuch.de.

Der Schriftsteller Peter Chotjewitz liest aus seinem Roman, in dem die Geschichte von Klaus Croissant, Anwalt von Gefangenen der RAF, erzählt wird - eine Geschichte der permaneter Rechtsverletzungen von Seiten des bundesdeutschen Staates. Peter Chotjewitz, Schriftsteller, ehemaliger Malergeselle, Jurist, Wahlverteidiger von Andreas Baader und Peter-Paul Zahl; Romane u.a.: Die Herren des Morgengrauens (1978), Machiavellis letzter Brief (2003), Urlaub auf dem Land (2004), Alles über Leonardo aus Vinci (2004), Fast letzte Erzählungen (2007), Übersetzungen aus dem Italienischen u.a.: Nanni Balestrini, Dario Fo, Giuseppe Fava.

 

Samstag, den 26. April 2008, Flügel Ost, R. 221

10.15 Uhr Giorgos Tsiakalos (Thessaloniki), Vom Putsch der Offiziere bis zur Nelkenrevolution: Die "1968er" inwesteuropäischen Diktaturen

Am 21. April 1967 putschten rechte Offiziere in Griechenland, um einen bevorstehenden Wahlsieg der Linken zu verhindern. Gleichzeitig waren die Protestbewegungen der "1968er Jahre" in Spanien und Portugal mit faschistischen Regimes konfrontiert, deren Geheimdienste folterten und mordeten. Die Aufstände gegen diese Regimes markieren zugleich das Ende der Periode, die oft als der "Bewegungszykuls" der 1968er Jahre begriffen werden. Die Proteste der Studenten im Athener Polytechnikum, der unter Einsatz von Panzern brutal zusammengeschossen wurde, diskreditierte die griechische Militärregierung und trug zu ihrem Fall bei. Am 25. April 1974 machte die portugiesische "Nelkenrevolution" Hoffnung auf einen selbstverwalteten Sozialismus am "anderen Ende Europas". Und kurze Zeit später fiel auch das Franco-Regime in Spanien. Wie sind diese Bewegungen analytisch einzuordnen? Welche Bedeutung sollten diese Bewegungen für die westeuropäische Historiografie der "1968er Jahre"?

12.15 Uhr Arbeitsgruppe 1 (zeitgleich mit AG 2)

„Der proletarische Mai“: Die soziale Zusammensetzung der Proteste
Mit Knud Andresen (Hamburg), Peter Birke (Hamburg) und Manuela Bojadzijev (London)

Die Streiks und Proteste der Arbeitenden und die Forderung nach Selbstverwaltung standen besonders in Italien und Frankreich im Mittelpunkt der Bewegungen der letzten Jahre der 1960er. Welche alten und neuen Wünsche drückten sich in diesen Bewegungen aus? Inwiefern kooperierten (Lohn)arbeitende und Studierende und welche Rolle spielte diese Kooperation nicht alleine in Italien und Frankreich, sondern auch in den nordeuropäischen Ländern? Wie veränderten sich im Verlaufe der Proteste die Geschlechter- und Migrationsverhältnisse in der Lohnarbeit?
 

12.15 Uhr Arbeitsgruppe 2 (zeitgleich mit AG 1)

Die „kulturelle Revolution“: Errungenschaften und Folgen der Proteste
Mit Arndt Neumann (Hamburg) und Gisela Notz (Berlin)

Wenn von den kulturellen Auswirkungen von 1968 gesprochen wird, gehört die Trennung von Kultur und Ökonomie häufig zu den unausgesprochenen Grundannahmen. Untersucht werden die kulturellen Folgen von kulturellen Praxen. In dieser Arbeitsgruppe steht eine andere Frage im Mittelpunkt: Was waren die ökonomischen Folgen kultureller Praxen? Welchen Anteil hatten Halbstarke, Gammler und Hippies an der Krise der „Fabrikgesellschaft“? Lassen sich New Economy und „digitale Boheme“ ohne die Geschichte der Gegenkultur verstehen? Und welche Rolle spielt die Veränderung der Geschlechterverhältnisse in der aktuellen Entwicklung der Arbeitsgesellschaft?
 

Pause zwischen 14.00 Uhr und 15.30 Uhr
 

15.45 Uhr Arbeitsgruppe 3 (parallel zu AG 4)

Öffentlichkeit und Subversion seit den „1968er Jahren“
Mit Gottfried Oy (Frankfurt) und Bernd Hüttner (Bremen)

Die kulturellen Ausdrucksformen und die bürgerliche Öffentlichkeit in den kapitalistischen Gesellschaften Westeuropas und Nordamerikas haben sich zwischen 1960 und 1980 sowohl sozial als auch technologisch grundlegend verändert. Welche Vorstellungen und Ideen lagen der Medienpolitik der „Neuen Linken“ zugrunde? Welche Widersprüche zeigten sich in dem Versuch der „Veröffentlichung“ der sozialen Proteste? In welcher Weise gingen die Medialisierungen der Revolte in den Mainstream der bürgerlichen Öffentlichkeit ein? Und welche Bedeutung hatten die damit verbundenen Veränderungen für Ansätze eines emanzipatorischen Eingreifens in gesellschaftliche Verhältnisse?
 

15.45 Uhr Arbeitsgruppe 4 (parallel zu AG 3)

Die Erben der Scherben. Die Rezeption der „1968er Jahre“
Mit Julia Paulus (Münster), Markus Mohr (Hamburg) und René Karpantschoff (Kopenhagen)

Noch auf dem Höhepunkt der Revolte kam es zu den ersten Protesten gegen ihre „Macher“. Vor allem die neue Frauenbewegung war es, die die Dominanz männlich konnotierter Sprach- und Politikformen, die mangelnde Kritik traditioneller Familienverhältnisse und die Trennungen zwischen Privatem und Politischem kritisierte, die den SDS und die Organisationen der „alten“ neuen Linken bis Ende der 1960er Jahre geprägt hatte. Gegen Ende der 1970er Jahre nahm die Alternativbewegung diese Kritik auf und führte sie mit einem bestimmten Praxisbegriff und in der Realität einer Vielzahl von Projekten und Initiativen weiter. Eine weitere Differenzierung ergab sich durch die Kritik, die die autonome Bewegung der 1980er Jahren an diesen Praxisformen artikulierte – während sie die Selbstgefälligkeit und politische Anpassung der „68er“ angriff. Heute dagegen wird die „Revolution von68“ durch den Jugendverband einer „Neuen Linken“ eher gefeiert. Was bedeutet das und wer sind wirklich „die Erben der Scherben“?
 

18.15 Uhr Abschlussdebatte

Julia Paulus (Münster), Marcel van der Linden (Amsterdam) und Florian Weis (Berlin): Alte Linke, neue Linke?

Welche politischen und wissenschaftlichen Perspektiven werden in den kommenden Jahren wichtig, wenn es um die „globale Revolution“ geht? In welchem Verhältnis stehen dabei die aktuellen sozialen Bewegungen und die historische bzw. sozialwissenschaftliche Forschung?
 

Ende: gegen 20 Uhr

 

Die ReferentInnen

Knud Andresen, Historiker, Universität Hamburg, arbeitet zurzeit an einem Projekt über die Geschichte der Lehrlingsbewegung

Peter Birke, Universität Hamburg, freier Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, arbeitet zur Geschichte der Arbeitskämpfe

Manuela Bojadzijev, Goldsmiths, University of London, arbeitet über die Geschichte und die Autonomie der Migration

Angelika Ebbinghaus, Historikerin und Psychologische Psychotherapeutin, Vorsitzende der Stiftung Sozialgeschichte, Bremen

Bernd Hüttner, Politologe, Koordinator des Gesprächskreises Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung, arbeitet zu Rassismus und über die Geschichte und Autonomie der Migration

Christian Frings, Köln, arbeitet zu aktuellen Arbeitskämpfen in der Bundesrepublik und im transnationalen Maßstab, Übersetzer von Beverly Silver: Forces of Labor, 2003

Haris Golemis, Athen, Mitarbeiter des Nico-Poulanzas-Instituts

René Karpantschof, Soziologe, Universität Kopenhagen, forscht zur Geschichte der Proteste und Besetzungen in der dänischen und skandinavischen Geschichte

Marcel van der Linden, Direktor des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte, Amsterdam

Markus Mohr, Politikwissenschaftler, Hamburg, Verfasser etlicher bedeutender Texte zur Geschichte der sozialen Proteste und der autonomen Bewegung in der BRD

Gisela Notz, Berlin, arbeitet unter anderem zur Geschichte der neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik

Gottfried Oy, Frankfurt, forscht über die Geschichte der "Gegenöffentlichkeit" seit den 1968er Jahren

Julia Paulus, forscht zur Frage der historischen Geschlechterverhältnisse, Institut für westfälische Regionalgeschichte, Münster

Juliane Schumacher, Lateinamerika-Nachrichten, Berlin, Bundeskongress Internationalismus

Florian Weis, Historiker, Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin

Ein Literaturverzeichnis mit zahlreichen Beiträgen der Referent_innen und anderen Informationen über aktuelle Literatur kann auf der interner Link folgtThemenseite des Gesprächskreises Geschichte eingesehen werden.

Ein Tagungsband, der Veranstaltung und Debatte zusammenfasst, erscheint im Herbst/Winter 2008.

Siehe auch Neues Deutschland vom 18.04.2008 (Außer Parlamentarisches, Seite 13):

externer Link in neuem Fenster folgt http://www.neues-deutschland.de/artikel/127360.html

Teil 1, 02.04.2008:

Im ersten Teil der Einführung werden die weltanschaulichen Grundlagen von Marx vorgestellt. Ausgehend von einer ethischen Festlegung entwirft Marx ein Konzept der Einheit von theoretischer Reflexion und praktischem Handeln. Das Entwicklungsgesetz der Geschichte, die Analyse der bürgerlichen Klassengesellschaft sowie das politische Programm zur Überwindung des Kapitalismus sind Bestandteile der neuen Weltanschauung. Abschließend werden die Überlegungen von Marx zur Übergangsgesellschaft vorgestellt.