Krise? Welche Krise?
Das Stottern von Finanzmarktkapitalismus und American Empire
Während Institutionen wie der IWF oder amerikanische Starökonomen, die größte Krise seit der Großen Depression der 1930er Jahre diagnostizieren, versuchen EZB und Bundesregierung noch immer die Folgen der Finanzkrise klein zu reden.
Doch lässt sich kaum noch bestreiten, dass die Finanzkrise sich global ausweitet und auf die sog. Realwirtschaft durchschlägt. Diskutiert wird nicht ob, sondern wie tief die Rezession in den USA werden wird.
Die Frage ist, inwieweit sich die Krise der Finanzmärkte zu einer Krise des Finanzmarktkapitalismus ausweitet. Denn offenbar gelingt es gegenwärtig immer weniger, mit flexiblem Krisenmanagement die Folgen finanzieller Instabilitäten zu begrenzen oder (wie oft erprobt) auf periphere Märkte auszulagern (Asienkrise, Argentinienkrise etc.). Die Krise schlägt im Zentrum des globalen Finanzmarktkapitalismus zu, in den USA. Das hat globale Auswirkungen.
Welche Folgen haben also Wirtschaftskrise und der krasse Dollar-Verfall für das imperiale Projekt der USA? Wenn der US-amerikanische ‚globale Konsument’ krisenbedingt ausfällt, was bedeutet die dann zu erwartende Exportkrise für das imperiale Projekt der EU oder auch Chinas?
Die Krise bringt auch die Frage nach der Rolle des Staates zurück in die Debatte. „Ich glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes“, erklärte Deutsche Bank-Chef Ackermann und ruft nach einer konzertierten Aktion von Staat und Wirtschaft. Starökonom Nouriel Roubini fordert sogar zur Verstaatlichung der Banken auf. Die amerikanische Zentralbank Fed organisiert die größte Reform der Finanzmarktkontrolle seit 1945. Die US-Regierung legt Milliarden-schwere Konjunkturprogramme auf. Die neoliberale Litanei, „es sei kein Geld da“ und die Staatshaushalte bedürften der „Konsolidierung“, ist über Nacht vorbei. Es werdern Hunderte von Milliarden öffentlicher Mittel mobilisiert. Was drückt sich in diesem 'neuen Staatsinterventionismus' oder der Re-Politisierung der Finanzmärkte aus? Ist das ein Paradigmenwechsel oder nur der übliche Ruf nach dem lender of last resort? Ist Europa orthodoxer als die USA?
Und grundsätzlich: welches sind eigentlich die zum neuen Finanzmarktkapitalimus dazugehörigen politischen oder staatlichen Formen: Stichworte sind Trans- oder Internationalisierung des Staates, autoritärer Sicherheitsstaat, Präventionsstaat, Export liberaler Demokratie?
Wir wollen also versuchen, die Analyse und Einschätzung der Entwicklung des Finanzmarktkapitalismus zu verbinden mit der neuen Debatte um die „Rückkehr des autoritären Kapitalismus“? Und wir fragen: Welche Alternativen der Re-Regulierung sind geeignet? Welche Konzepte einer sozialistischen Transformation des Finanzmarktkapitalismus sind zu entwickeln?
Zur Klärung dieser und keiner anderen Fragen dienen einige Veranstaltungen im Rahmen unserer Reihe »So what is Capitalism«.
The State is 'back'
Zu Leo Panitch siehe: en.wikipedia.org/wiki/Leo_Panitch.
Ein aktueller Beitrag zum Thema mit dem Titel Putting the U.S. Economic Crisis in Perspective findet sich hier: http://www.williambowles.info/americas/usa/2008/0108/us-crisis-310108.html.
Alex Demirovic, Dr.phil. habil., lehrt derzeit Poltikwissenschaft an TU Berlin und hat sich in zahlreichen Publikationen mit Fragen der Demokratie und des Staates befasst.
Audiomitschnitte
Lesen Sie auch das Interview zum Thema aus der Jungen Welt vom 06.05.2008 (Seite 3):»Die Krise schlägt im Zentrum zu«
Über die Folgen der Finanzkrise, die Politik der Europäischen Zentralbank und die notwendige Re-Regulierung der Märkte. Ein Gespräch mit Mario Candeias
»So what is Capitalism« im Überblick
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