Dokumentation Warum die GASP keine Friedenspolitik werden kann

Veranstaltungsreihe «Handlungsfeld Europa»

Information

Veranstaltungsort

Europäisches Haus / Großer Konferenzsaal des Informationsbüros des Europäischen Parlaments
Unter den Linden 78
10117 Berlin

Zeit

24.09.2010

Veranstalter

Ramona Hering,

Mit

Sabine Lösing, MdEP; PD Dr. Johannes M. Becker, Universität Marburg/Konfliktforschung; Dr. Giji Gya, Direktorin des ISIS Paris, Moderation: Birgit Daiber

Themenbereiche

International / Transnational, Westeuropa

Armutsbekämpfung statt Bekämpfung der Armen

Ein Teil der Antwort auf die Frage im Veranstaltungstitel steckt bereits in der Frage selber. Sabine Lösing, Abgeordnete der Partei DIE LINKE im Europäischen Parlament, stellte die zwei Formen kritischer Auseinandersetzung mit der GASP gegenüber. Danach ist die GASP: 

  1. Gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Dementsprechend fehle es nicht am Willen eine konsequente Friedens- und Sicherheitspolitik zu verfolgen. Problematisch sei jedoch die Ausgestaltung und die wenig kohärente und konkrete Strategie zur Erreichung dieses Ziels.
  2. Die zweite Analyse konstatiert: Wo kein Wille ist, da hilft der beste Weg nichts. Das bedeutet, dass die GASP keine Friedenspolitik ist, sondern primär zur Durchsetzung sicherheitspolitischer und ökonomischer Interessen entwickelt wurde und nicht primär der Sicherheit der Menschen dient. Das Credo der EU (gleichzeitig das der NATO 2020 und EU 2020) ist die zivil-militärische Zusammenarbeit.

Der Vertrag von Lissabon trifft eindeutige Aussagen zu militärischen Optionen und zur Einrichtung einer Verteidigungsagentur. Was darin völlig fehlt, ist das klare Bekenntnis zum Frieden. So steht beispielsweise in diesem Vertrag an keiner Stelle, dass von der EU niemals ein Krieg ausgehen dürfe, ebenso fehlt der Gedanke der Einrichtung einer Abrüstungsagentur oder der einer Behörde zur Überprüfung von Rüstungsexportverboten.

Selbst wenn man der 1. Analyse folgt, so gibt es doch ein Kapazitätsproblem. Stabilität, so wie sie die EU gern umsetzen möchte, ist mit den finanziellen und operationellen Mitteln der EU nicht annähernd zu erreichen. Selbst, wenn es Sinn machen würde, Ziviles mit Militärischem zu verbinden, auch, weil ein solcher Weg finanziell effektiver ist, so muss man festhalten, dass dabei das Militärische im Vordergrund steht, dem das Zivile untergeordnet wird, vor allem dann, wenn es um vitale EU Interessen geht.

Fazit: Die zivile Friedenspolitik muss zentrales Anliegen der Verträge werden, erst dann kann sie eine wirkliche Friedenspolitik sein.

Die Direktorin des International Security Information Service (ISIS, Brüssel) Giji Gya legte dar, dass es notwendig sei, sich zu fragen, was wir unter Frieden verstehen? Für sie geht es dabei um menschliche Sicherheit, d.h. die Freiheit von Angst und die Freiheit von Mangel, sowie um ökologische Stabilität und natürlich die Umsetzung der Menschenrechte. Laut Gya hat die EU hat keine Sicherheitspolitik, keine kohärente Strategie, sondern es existieren hierzu lediglich Dokumente.

Was die EU jedoch habe, und dies stehe eindeutig im Lissabonvertrag, ist eine Palette gemeinsamer Werte. Sie beinhalten neben anderen die Wahrung der Menschenrechte.

Eine ganz elementare Schwäche der GASP sei aus ihrer Sicht, der mangelnde politische Wille der Mitgliedsstaaten und die daraus resultierende mangelnde Koordinierung der verschiedenen Politiken der 27 Mitglieder in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Noch immer vertritt jeder einzelne Mitgliedsstaat vorrangig seine eigenen Interessen und setzt dabei auf die bilaterale Zusammenarbeit oder auf die Gremien in der NATO und der UNO.

Gya widersprach allerdings der Auffassung, dass sich die EU militarisiere. Dagegen spräche sowohl der prozentuale Anteil an Missionen (von 14 Missionen insgesamt waren nur 2 militärisch), als auch das bereits angesprochene Kapazitätsproblem der GASP, respektive der Missionen.

Johannes M. Becker machte deutlich, dass die ungleiche Verteilung des Reichtums die Sicherheit in dieser Welt am stärksten gefährdet. Die „Least Developed Countries“ oder die „vierte Welt“ benötigt neue Terms of Trade, d.h. gerechte Preise für ihre Produkte. Nur so kann nachhaltige Friedenspolitik erreicht werden. Wie auch über nachhaltiges, ökologisch vertretbares Wirtschaften. Das wäre auch eine effiziente Terrorismusbekämpfung. Politisch und ökonomisch könne man, so Becker, Konflikte und Kriege bekämpfen, keinesfalls jedoch militärisch. 

Leider ist die EU mit 500 Millionen ProduzentInnen und KonsumentInnen noch ein institutionelles Gebilde, das die Chance vergibt, Konflikte bevor sie entstehen zu entdecken und sie dann nicht-militärisch zu lösen. Denn bisher konnte noch kein Konflikt dieser Erde militärisch nachhaltig gelöst werden.

Ramona Hering, RLS