Dokumentation Wahlen und neue Medien

Obama-Twitter-Hype und die Mühen der deutschen Internet Ebene. Podiumsdiskussion zum Auftakt des Red Media Camps 2013 (#rmc13).

Information

Zeit

01.02.2013

Mit

Hektor Haarkötter (Hochschule für Medien und Kommunikation München), Bodo Ramelow (DIE LINKE), Tom Strohschneider (Chefredakteur neues deutschland), Cornelia Otto (Piraten), Julia Seeliger (Bloggerin).

Themenbereiche

Kultur / Medien

«Das Internet wird überschätzt!» Der Wahlkampf in den USA findet nach wie vor auf der Straße statt, nicht im Netz. Die Präsenz der Politik in den sozialen Medien kann einen Wahlkampf unterstützen, weil es partizipative Werkzeuge sind, aber ohne knochige Basisarbeit von Tür zu Tür wird keine Wahl gewonnen, so Haarkötter. Auch Bodo Ramelow ist der Meinung, dass die «digitale Welt ein Handwerkszeug» ist und die «reale Welt die ist, um die man sich kümmern muss». Julia Seeliger findet es falsch, zwischen «real life» und «digital life» zu trennen, beides findet gleichzeitig real statt. Besser wäre es schon, von «offline» und «online» zu sprechen, so die Bloggerin.

Kann das Internet die Gesellschaft demokratisieren?

Hektor Haarkötter ist da sehr skeptisch. Bevor wir darüber überhaupt nachdenken, muss zunächst eine Netzgerechtigkeit hergestellt sein, so der Professor. Soll heißen: Weltweite Versorgung an Breitbandanschlüssen, vor allem im globalen Süden und in dünn besiedelten ländlichen Regionen, Netzzugang muss als Menschenrecht jedem zustehen unabhängig von der individuellen finanziellen Situation. Aber auch wegen seiner Strukturierung gibt Haarkötter Diskussionen im Netz keinen hohen Stellenwert. «Internetdiskussionen sind größtenteils apolitisch! Sie versanden ohne Zusammenfassung, ohne Klusion oder Fazit.» Deshalb würde der Medienprofi Kommunikation im Netz nicht als herrschaftsfrei bezeichnen, wohl aber soziale Netzwerke als partizipative Werkzeuge. Tom Strohschneider sieht das ähnlich. Eine umfassende Teilhabe am Netz ist die Vorraussetzung für demokratische Diskurse. Die Linke hat ein Problem: Wenn ein Großteil der Mitglieder nicht digital kommunizieren, ist die Übersetzung von «online» zu «offline» einer der großen Herausforderungen in der Partei.

Dennoch ist der technologische Fortschritt mit den inhärenten Veränderungen in der Kommunikation nicht zu ignorieren. Haarkötter sieht hier auch den dringendsten Handlungsbedarf: Netzpolitische Themen wie Netzsperren, Urheberrecht, Leistungsschutzrecht, Vorratsdatenspeicherung u.a. müssen viel stärker in der Politik vertreten sein. «Die Hälfte der Mitglieder im deutschen Bundestag ist nicht im Netz aktiv. Dem netzpolitischen Analphabetismus in der Legislativen muss unbedingt begegnet werden.»

Erwin Heil

Über die Podiumsgäste

Cornelia Otto
Studentin der Politikwissenschaften, Technische Redakteurin und seit 1997 selbstständig im Web- und Medienbereich. Seit 2009 aktives Mitglied der Piraten. Als Leiterin der Recherche-Abteilung der Piratenpartei analysiert sie regelmäßig die neue Medien und erstellt für Mandatsträger Faktensammlungen und Hintergrundsbriefings zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen.

Julia Seeliger
Journalistin und Bloggerin. Aktuell schreibt sie ein Buch über das Trollen – zerstörerische Kommunikation im Netz. Früher war sie mal bei den Grünen aktiv.

Dr. Hektor Haarkötter
Professor für Journalistik an der MHMK Hochschule für Medien und Kommunikation. Zuvor hat er 18 Jahre lang als Fernsehjournalist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet und für viele überregionale Zeitungen und Magazine geschrieben. Es liegen mehrere Buchveröffentlichungen von ihm vor, u.a. „Abschalten. Das Anti-Medien-Buch“.

Bodo Ramelow
Gelernter Kaufmann und Politiker. 1999 wurde er für die PDS in den Thüringer Landtag gewählt. 2005 kandidierte er bei der Wahl zum Deutschen Bundestag, bei dem er bis zu seinem Ausscheiden 2009 als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE angehörte. Seit November 2009 ist er Fraktionsvorsitzender.

Tom Strohschneider
Journalist und Chefredakteur bei der Tageszeitung neues deutschland. Er studierte an der Humboldt-Universität Berlin sowie zeitweise an der Universität Graz. 2000 absolvierte er ein Volontariat beim nd und stieg anschließend als Redakteur für Inland bis zum stellvertretender Ressortleiter auf. Im Jahr 2008 ging er für vier Jahre zur Berliner Wochenzeitung der Freitag. Später war er ein halbes Jahr bei der taz, bis er zum nd zurückkehrte. Außerdem betreibt er einen Blog unter dem Namen „Lafontaines Linke“.

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