Dokumentation Die Schärfe der Konkretion

Reinhard Strecker, 1968 und der Nationalsozialismus in der bundesdeutschen Historiografie

Information

Zeit

01.12.2013

Veranstalter

Bernd Hüttner,

Themenbereiche

Geschichte, Erinnerungspolitik / Antifaschismus, Deutsche / Europäische Geschichte

Der Jahrzehntwende von den 1950er zu den 60er Jahren kommt eine wichtige Rolle in zwei historischen Großerzählungen zu. Für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus gilt sie als Wendepunkt vom Verleugnen hin zu Auseinandersetzung und Aufarbeitung. Zugleich finden sich hier die Anfänge der Jugend- und Studentenbewegung, die 1968 ihren Höhepunkt erreichte. Diese erinnerungspolitische Konstellation wird in dreierlei Hinsicht aufgenommen. In West-Deutschland war es damals eine kleine Zahl von Einzelpersonen, die an die NS-Vergangenheit rührte, darunter der Student Reinhard Strecker. Einem Gespräch mit dem früheren Aktivisten, dessen Aktion Ungesühnte Nazijustiz 1959/60 öffentlich für Wirbel sorgte, folgt ein Essay, der die Entwicklung des Verhältnisses der 68er-Bewegung zum Nationalsozialismus beleuchtet und sie als eine Art Schwundgeschichte rekonstruiert. Ein weiterer Essay prüft die Substanz der erinnerungspolitischen Großerzählung von der erfolgreichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Fraglich erscheint es, ob die Geschehnisse zu Zeiten Streckers als Vorgeschichte eines zwar spät, aber doch noch einsetzenden Reifeprozesses der Bundesrepublik aufgefasst werden können. (aus der Verlags-Ankündigung)

Reinhard Strecker ist vielen bis heute kein Begriff, obwohl er einer der Pioniere der bundesdeutschen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist. Bereits Ende der 1950er Jahre begann auf Initiative des damaligen Sprachwissenschaftsstudenten an der Freien Universität Berlin eine kleine Gruppe aus dem Umfeld des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) damit, Materialien über NS-Täter zu sammeln.

Sie recherchierte Dokumente zu Unrechtsurteilen aus der NS-Zeit und veröffentlichte sie mitsamt den Namen der verantwortlichen Richter und Staatsanwälte.
Daraus entstand die Ausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“. Für die Verjährungsdebatten im Bundestag und die Diskussion personeller Kontinuitäten in bundesdeutschen Behörden gab sie wesentliche Impulse.

Gottfried Oy und Christoph Schneider widmen sich in ihrem Buch „Die Schärfe der Konkretion“ dieser frühen Phase der Auseinandersetzung mit dem NS und ihren Folgen für die Neue Linke vor 1968.

In der Veranstaltung werden die Autoren geschichtspolitische Überlegungen vorstellen, die dem Buch zugrunde liegen.

Reinhard Strecker wird als Akteur der „58er“ aus erster Hand über die frühe NS-Aufarbeitung berichten.

Eine Audioaufzeichnung der Veranstaltung ist unter https://www.freie-radios.net/62182 zu finden.