Dokumentation Frühstück mit der Drohne - Tagebuch aus Gaza

Während des letzten Gaza-Krieges schrieb Atef Abu Saif an allen 51 Kriegstagen in sein Tagebuch. Nun ist es als Buch erschienen. Lesung mit dem Autor.

Information

Zeit

16.09.2015

Veranstalter

Charlotte Tinawi,

Mit

Dr. Atef Abu Saif (Professor für Politikwissenschaften an der Al-Azhar Universität in Gaza und Chefredakteur des Seyasat Magazin in Ramallah)

Themenbereiche

International / Transnational, Krieg / Frieden

Zugehörige Dateien

Atef Abu Saif und Katja Hermann
Atef Abu Saif und Katja Hermann

 

Direkt vor der Veranstaltung fand die Ausstellungseröffnung des Foto-Projekts «Kids of Gaza» statt.

Wenn er kommt, spürst du zunächst seinen Geruch, seine besondere Note. Schon als Kind lernst du, ihn zu erkennen, wenn du in diesen engen Straßen aufwachst. Du entwickelst ein Talent dafür, ihn zu wittern, ihn in der Luft zu schmecken. Du kannst ihn beinahe sehen. Wie ein Hexentier lauert er in jedem Schatten, folgt dir auf dem Fuß bei jedem Schritt. Wer diese Fähigkeit nicht verlernt, kann voraussagen, dass er kommt. Manchmal Stunden, manchmal Tage, bevor er wirklich da ist. Du kannst dich nicht täuschen. Es ist Krieg. (S. 1)

Mit diesen Worten beginnt das literarische Tagebuch über Leben, Sterben und Überleben während des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 von Dr. Atef Abu Saif. Das Buch von Abu Saif, einem bekannten Schriftsteller aus Gaza, war zunächst auf Englisch erschienen (“The Drone Eats with Me. Diaries from a City under Fire”, Comma Press 2014) und wurde im September 2015 vom Unionsverlag unter dem Titel “Frühstück mit der Drone. Tagebuch aus Gaza” auf Deutsch herausgegeben. Das Regionalbüro Palästina der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Ramallah hatte bereits mit Abu Saif, der auch Politikwissenschaftler ist und an der Al-Azhar Universität in Gaza unterrichtet, in einem Projekt über den Einsatz von israelischen Drohnen auf den Gazastreifen zusammengearbeitet. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen in der Studie “Sleepless in Gaza. Israeli Drone War on the Gaza Strip” (2014) vor.

Um zu vermeiden, über Gaza nur in Zeiten von Krieg zu sprechen, sondern ganz im Gegenteil, die Auseinandersetzung mit der Situation im Gazastreifen beharrlich in der internationalen politischen Diskussion zu halten, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) Abu Saif eingeladen, sein literarisches Tagebuch mit zwei Lesungen in Berlin und Rostock am 16. und 17. September 2015 vorzustellen und zu diskutieren. Die Lesungen stießen auf großes Interesse, vor allem in Berlin waren viele Menschen gekommen, um Abu Saif zuzuhören. Die anschließende Diskussion war lebendig und solidarisch und drehte sich nicht nur um den Krieg selbst, sondern auch um die schwierige Zeit danach.

Ein Team der ARD drehte einen Beitrag über Abu Saif und stellte sein Tagebuch in der Sendung “titel – thesen – temperamente” am 27. September 2015 vor.

Der Buchlesung vorausgegangen war die Eröffnung der Foto-Ausstellung “Kids of Gaza” in den Räumen der RLS. Die Fotos, die den Alltag von Kindern im Gazastreifen zum Thema haben, sind im Rahmen eines von der RLS geförderten Jugendprojektes der Culture and Free Thought Association (CFTA) in Gaza entstanden.

Die Projektkoordinatorin der RLS im Gazastreifen, Bessan Shehada, eröffnete die Ausstellung und berichtete von den Hintergründen und Zielen des Fotografie-Projektes: „Die Ausstellung hier hat das Ziel, ein wenig davon zu zeigen, wie Gazas Kinder dieses Leben aus ihrer Perspektive sehen. Darüber haben junge Erwachsene Bilder und Aufnahmen gemacht, die Armut, Arbeitslosigkeit und die unsichere Zukunft zeigen. Die Bilder erzählen die Geschichte von Kindern in Gaza, die in weniger als sechs Jahren drei Kriege überlebt haben und die am besten Gewalt kennen, die Gewalt, aus der Extremismus entsteht und wächst. Es ist an der Zeit, dass die Welt begreift, dass dieser Gewaltkreislauf beendet werden muss. (…) Diese Aktivität, diese Ausstellung ist Teil der umfassenden psychosozialen und Bildungsunterstützung, die CFTA Hunderten von Kindern in Gaza zukommen lässt, indem die Organisation ihnen sichere und freundliche Lernräume zur Verfügung stellt, Talente fördert, Spaß und ein normales Leben in einer völlig abnormalen Lage bietet. CFTA trägt dazu bei, von den Konflikten betroffenen Kindern und Teenagern die Hoffnung zurückzugeben. (…) Diese Ausstellung ist ein Weckruf an die Welt, Verfall und Gewalt zu beenden und es den Kindern Gazas zu ermöglichen, in Frieden und Wohlstand zu leben wie andere Kinder auf der Welt. Die Kinder von Gaza verdienen eine bessere Zukunft und ein besseres Leben.“ (Ausschnitt, Übersetzung: Jörg Schultz, RLS)


(Katja Hermann, Leiterin des RLS Regionalbüros Palästina in Ramallah) 

Atef Abu Saif las in englischer Sprache, parallel wurde eine deutsche Übersetzung der Texte angeboten.