Dokumentation Wir sind Nachbarn, alle, überall!

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung auf dem Fest der Linken

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Platz
Rosa-Luxemburg-Platz
10178 Berlin

Zeit

25.06.2016

Veranstalter

Henning Obens,

Mit

Jenny Erpenbeck, Shida Bazyar, Mono & Nikitaman

Themenbereiche

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Kultur / Medien, International / Transnational

Zugehörige Dateien

Die Welt wird kleiner, jeden Tag. Auch wenn manche es gern so hätten: Sie macht an unseren Grenzen nicht halt. Aus fern wird nah. Aus woanders wird hier. Und anders ist das neue normal. Es kommen Menschen mit Geschichten, die wollen wir hören. Sie kommen mit Hoffnungen, wir wollen sie teilen. Wir öffnen unsere Arme weit. Nicht das falsche «Jeder ist sich selbst der Nächste!» ist unser Credo. Wir sind Nachbarn, alle, überall – und als solche feiern wir zusammen. Ganz selbstverständlich.

Einladung auf Englisch und Arabisch. // Invitation in English and Arabic. // دعوة باللغتين العربية والإنجليزية

Das 9. Fest der Linken am 25. Juni auf dem und um den Rosa-Luxemburg-Platz in der Mitte Berlins wurde so zu einem bunten Fest der Begegnung. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung beteiligte sich an dem Fest mit dem Fokus auf Migration. Wir präsentierten «Der kälteste Sommer», eine Graphic Novel aus Griechenland in deutscher Übersetzung. Jenny Erpenbeck und Shida Bazyar lasen. Wir diskutieren über «Die Maßnahme» und die Lage in der Türkei. Wir stärkten uns bei Refugee Streetfood und vielen anderen Ständen. Wir feierten mit Mono&Nikitaman und Los de Abajo. Es war ein tolles Fest mit euch!

Programmpunkte ausklappen.

LESUNG | Jenny Erpenbeck: «Gehen, ging, gegangen»
Im vorigen Jahr veröffentlicht, war der Roman von Jenny Erpenbeck eine literarische Überraschung: ein eminent politisches wie kunstvolles Buch zum Thema der Zeit. Ein emeritierter Ost-Akademiker interessiert sich für die afrikanischen Flüchtlinge auf dem Berliner Oranienplatz. Er befragt sie und lernt sie so kennen, er versucht, ihnen in den Auseinandersetzungen mit Bürokratie und Verwaltung beizustehen, schließlich nimmt er einige von ihnen in sein Haus auf.

Erpenbeck zeigt, wie im Miteinander Verstehen wachsen kann, in dichter, poetischer Sprache entwirft sie eindringliche Bilder der Lebensrealität von Flüchtlingen ohne sichere Bleibeperspektive. Der Roman erzählt vom Warten, vom Hoffen und der Zukunftslosigkeit der Flüchtlinge, von Engagement, Enttäuschung und dem Weitermachen der Helfer. Er ist zugleich eine vehemente Kritik des restriktiven Flüchtlingsrechts der EU wie Deutschlands und die bittere Chronik des Umgangs des Berliner Senats mit den Protestierenden vom Oranienplatz.
25.6., 12:30 Uhr, Grüner Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz 2, 10178 Berlin

TALK | Merkels Pakt und Erdoğans Beitrag
Die Türkei befindet sich in einem autoritären Umgestaltungsprozess. Seit dem die Partei der demokratischen Völker (HDP) Juni 2015 ins Parlament eingezogen ist, steuert die AKP-Regierung das Land in einen antidemokratischen und kriegerischen Zustand. Über 2.000 Journalistinnen und Journalisten haben wegen staatlicher Repression ihren Arbeitsplatz verloren, über tausend AkademikerInnen werden, weil sie einen Aufruf zum Frieden unterzeichnet haben, wegen angeblicher «Terrorismusunterstützung» durch Staat und Universitäten drangsaliert. In den kurdischen Teilen des Landes herrschen kriegsähnliche Zustände, einige Städte stehen seit Monaten unter Ausgangssperre und werden Tag und Nacht bombardiert. Zuletzt wurde die parlamentarische Immunität der linken und prokurdischen HDP-Abgeordneten aufgehoben. Während all dies geschieht, sehen die Bundesregierung und die EU in Erdoğan einen «Partner in der Flüchtlingsfrage». Wie kann die Linke in der Türkei und Deutschland diesen Entwicklungen entgegenwirken? Dazu möchten wir mit Gästen von der HDP sprechen.
25.6. 2016 12.45-14 Uhr Talkbühne, Fest der Linken

LESUNG | Shida Bazyar: «Nachts ist es leise in Teheran»
Shida Bazyar hat mit ihrem Roman «Nachts ist es leise in Teheran» im Februar ein bemerkenswertes Debüt hingelegt. 1988 in Hermeskeil geboren, gehört sie zu den jungen AutorInnen in Deutschland, deren – wie das Feuilleton sagt – «leiseren Zwischentöne ihrer Prosa von einer melancholischen Weisheit und einer ausgesuchten Poesie» sind.
 
Bazyar schreibt über eine Familie, die nach der Revolution im Iran nach Deutschland emigrieren muss. Vier Familienmitglieder, vier Jahrzehnte, vier Stimmen. 1979: Behsad kämpft nach der Vertreibung des Schahs als kommunistischer Revolutionär. Er verliebt sich in Nahid, mit ihr und den beiden Kindern Laleh und Morad flieht er nach Deutschland, nachdem die kommunistische Führungsriege verhaftet wurde.  1989: Nahid beschreibt Immigration als das Leben in der Fremde mit der ewigen Sehnsucht nach Rückkehr und der Suche nach einer Heimat. 1999: Tochter Laleh reist mit Nahid nach Teheran. Die Erinnerungen der Kindheit lassen sich nur schwer vereinen, mit dem Land, das sie nun vorfindet. 2009: In Teheran kündigen sich mit der Grünen Revolution neue politische Veränderungen an. Sohn Morad sitzt vor dem Laptop und schaut sich die neusten Bilder an, die im Iran hochgeladen wurden. Zur gleichen Zeit wird in ganz Deutschland gegen Studiengebühren an den Unis gestreikt.
Shida Bazyar liest aus ihrem Roman über Unterdrückung, Flucht, Hoffnung und Integration.
25.6., 17 Uhr, Grüner Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz 2, 10178 Berlin

PRÄSENTATION | Der kälteste Sommer

Drei wahre Fluchtgeschichten als Comic

Eine berufstätige Mutter, ein berufstätiger Vater und zwei Kinder müssen um ihr Überleben kämpfen. Sie verlassen ihre Heimat, die zu gefährlich geworden ist, geben ihr tägliches Leben auf, da es unerträglich geworden ist. Sie lassen ihre Familien zurück, um ein Leben zu erreichen, dass es ihnen erlaubt, über den nächsten Tag, über den nächsten Monat hinaus zu denken und Pläne für eine Zukunft in Frieden zu machen: Zu arbeiten, zu studieren und mit gleichem Zugang zu Demokratie, sozialen Rechten und Kultur unter uns zu leben.

Die Geschichten beruhen auf den autobiografischen Erzählungen von Flüchtlingen, die die Autor_innen in Athen und Berlin getroffen haben. Es sind Geschichten, von denen sie zufällig erfuhren. Diese wurden in Grafic Novels umgewandelt, um Dramatik zu vermeiden und um gleichzeitig erzählerische Details beizubehalten. Die Protagonist_ innen dieser Geschichten sind Menschen, die unseren Familien angehören, unsere Freund_innen oder Nachbar_innen sein könnten. Sie sind ohne Zweifel Personen, die eines Tages als Mitmenschen in unseren Gesellschaften und unseren Räumen anerkannt werden. Lasst uns sie begrüßen.

Martin Schirdewan, Büroleiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Brüssel, stellt die deutschsprachige Fassung der Grafic Novel vor, das Comic ist als Ausstellung und in gedruckter Form vorhanden.
Text und Illustration: Dimitra Adamopoulou, Electra Alexandropoulou, Mihalis Panayiotakis, Thanasis Petrou, Giorgos Tragakis, Kostis Tsitselikis

GESPRÄCH | «Die Maßnahme» (Brecht/Eisler)

Werkstattgespräch anlässlich der ersten Wiederaufführung in Originalform mit circa 300 SängerInnen am 8. April 2016

Die erste Wiederaufführung des Lehrstücks von Bertolt Brecht und Hanns Eisler «Die Maßnahme» seit den 1930er Jahre in Originalform fand am 8. April 2016 im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin statt. Beteiligt waren fast 300 LaiensängerInnen – ebenso viele wie 1930 bei der Uraufführung. Die SängerInnen der 1930er Jahre gehörten vor allem der Arbeitersängerbewegung an, die in der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 vernichtet wurde.

Kaum ein Stück hat für derartige Kontroversen gesorgt wie «Die Maßnahme». Als Lehrstück geschrieben, hat es auch bei den Beteiligten für Diskussionen gesorgt. Ganz in der Tradition von Brecht und Eisler soll deshalb neben der Aufführung auch ein Werkstattgespräch stattfinden. Die Wiederaufführung 2016 experimentierte mit der Frage: Wer sind die Stimmen des Lehrstücks heute? Entlang der Figur des jungen Genossen und seiner Wiederkehr in unsere Gesellschaft wurden aktuelle Formen von Widerstand, Ich-Stärke und kollektivem Handeln im hier und jetzt untersucht.

In Anlehnung an Eisler und Brecht diskutieren wir über die politischen Elemente des Lehrstücks. «Die Maßnahme» wird so erneut als Folie der Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt: Warum sind wir zusammen und wie? Wie steht die Einzelne in der Gesellschaft? Was kann für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft getan werden? Letztendlich ging und geht es darum «nach einer besseren Möglichkeit» zu fragen.
25.6. 19 Uhr, Grüner Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz 2, 10178 Berlin


MUSIK | Mono & Nikitaman

Mehr Informationen: Fest der Linken