Dokumentation «Comrade, where are you today?»

Dagmar Enkelmann, Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, im Gespräch mit der Filmemacherin Kirsi Marie Liimatainen. Der Filmabend wird wegen des großen Interesses am 14.11.2016 wiederholt.

Information

Zeit

26.10.2016

Veranstalter

Johanna Bussemer,

Themenbereiche

Geschichte, Deutsche / Europäische Geschichte, Parteien- / Bewegungsgeschichte

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Zur Präsentation des von der Stiftung geförderten Films "Comrade, Where Are You Today?" platzte der Salon am Berliner Franz-Mehring-Platz buchstäblich aus allen Nähten. Viele Interessenten fanden nicht mehr Einlass. Sie haben nunmehr am  14. November 2016 ab 18 Uhr die Möglichkeit, eine kurzfristig organisierte Neuauflage der Veranstaltung zu erleben, für die die Filmemacherin Kirsi Marie Liimatainen ihre Teilnahme ebenfalls zugesagt hat.

Grund für das enorme Interesse und die offenbar gut funktionierende Mundpropaganda waren ohne Zweifel die vielen Geschichten, die sich um den Film ranken - zunächst die persönlichen. Liimatainen war eine von drei finnischen Staatsbürgern, die 1988/1989 ein Jahr lang an der Internationalen FDJ-Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" in Bogensee nördlich von Berlin studieren konnten. Jahre und eine weltgeschichtliche Epoche später fragte sie sich, was aus ihren damaligen Kommilitonen aus aller Welt geworden ist und begab sich auf eine keinen unberührt lassende Spurensuche.

Mit Liimatainen - zur Zeit ihres DDR-Aufenthalts kaum 20jährig, aber selbst schon eine Art Zeitzeugin - saß mit Dagmar Enkelmann, der Vorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung, eine zweite Zeitzeugin mit auf dem Podium. Nach ihrem Geschichtsstudium in Leipzig arbeitete Enkelmann ab 1979 einige Jahre als Dozentin für Geschichte in Bogensee.

Seine Faszination bezieht der Film - davon konnte sich der überfüllte Saal überzeugen - zum einen aus der Suche Liimatainens nach ihren ehemaligen StudienkollegInnen in Bolivien, Chile, Südafrika und dem Libanon. Trotzdem man ein Jahr zusammen gelebt, gefeiert und - sicher auch - geliebt hatte, wurden vermutlich nur wenige Adressen getauscht oder schon gar nicht die wahren Namen hinter manchem "combat names", den so genannten "Kampfnamen", offenbart. Als Kommunist oder auch "nur" Sozialist zu gelten, konnte damals in manchen Ländern das Todesurteil bedeuten. So musste sich die Filmemacherin, die dann Anfang der 1990er Jahre an der Filmhochschule in Potsdam ihr filmisches Handwerk erlernte, mit nicht mehr als ein paar alten Fotos und vagen Hinweisen auf die Suche machen.

Bei Liimatainens Jahrgang, dem vorletzten überhaupt an der Schule, kam erschwerend hinzu, dass mit dem Zusammenbruch des Sozialismus die Ideen, weshalb man nach Bogensee gekommen war, so diskreditiert waren, dass man diesen Aufenthalt in seiner Biografie und seinem Umfeld dann oft verschwieg.

Enkelmann wie Liimatainen eint aber, das wurde an dem Abend schnell klar, die Erinnerung an die einmalige Atmosphäre in Bogensee.  Man solle, meinte die Filmemacherin, sich das nur mal vorstellen: Aus 80 Ländern kamen 200 junge Menschen zusammen - und alle haben die Welt verändern wollen. So eine Gemeinschaft habe sie "niemals mehr erlebt". Zwar habe es sehr unterschiedliche Ansichten gegeben - über die Sowjetunion, die DDR und den Sozialismus überhaupt - alle aber waren gleichberechtigt, egal woher sie kamen. Das gebe es heute nicht mehr.

Der Absturz aus der Utopie, der im Film schonungslos illustriert wird, sorgte denn auch im Salon für Nachdenklichkeit. Es sei, griff Dagmar Enkelmann den Eindruck auf, auch ein bedrückendes Gefühl, sich fragen zu müssen: "Was ist denn aus den Idealen, die viele von uns hatten und noch haben, wirklich geworden? Wie gehen wir mit dem um, was wir einst wollten?" Nicht wenige Menschen, auch Mächtige, die mit linken Idealen antreten, die Welt zu verändern, und auch die Macht haben zu regieren, würden mitunter vergessen, was sie an Idealen hatten, so Enkelmann.

Der Abend wird vielen sicher in Erinnerung bleiben, weil er - im Unterschied zu vielen anderen - am Ende mehr Fragen aufwarf, als er Antworten gab.

(Bericht: Jörg Staude)


Am 18. August 2016 startete «Comrade, where are you today?» in den Kinos. Zu den Kinoterminen: http://www.wfilm.de/comrade-where-are-you-today/kinotermine/


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