Dokumentation Meine Abenteuer mit der Kamera

Ausstellung mit Fotos von Thomas Billhardt

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Zeit

19.07.2017 - 15.08.2017

Veranstalter

Henning Obens,

Themenbereiche

Kultur / Medien, Kunst / Performance, International / Transnational, Gesellschaftliche Alternativen

«Nach der Wende habe ich eigentlich gedacht, ich höre auf mit dem Fotografieren.» Mit diesen Worten begrüßt der Fotograf Thomas Billhardt am Abend des 19. Juli 2017 die Besucher*innen der Ausstellung «Meine Abenteuer mit der Kamera» im Foyer des Gebäudes am Franz-Mehring-Platz 1.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt hier in Kooperation mit der Grundstücksgesellschaft FMP1 bis zum 15. August 2017 mehr als einhundert Werke des Fotografen, welcher in den 1960er Jahren mit seiner Diplomarbeit über den Alexanderplatz in der DDR bekannt wurde. Wenige Jahre später fanden seine Bilder aus dem Vietnamkrieg auch internationale Beachtung.

«Und jetzt kann ich hier sein», freut sich Billhardt und lächelt sein Publikum an. Es herrscht eine freundschaftliche, gespannte Atmosphäre. «Da kommt wieder ein Freund rein, ist das schön! », sagt Billhardt, als ein weiterer Gast dazu kommt.

Billhardts Bilder haben viele Menschen bewegt und ihre Sichtweise auf die Welt beeinflusst. Darum ist es nicht verwunderlich, dass sich trotz der hochsommerlichen Temperaturen rund 70 Interessierte zur Eröffnung der Ausstellung nach drinnen begeben haben.

Neben historisch bedeutsamen Bildern, wie einer Aufnahme aus Chile im Jahre 1970, welche Salvador Allende mit seinem zukünftigen Mörder Pinochet auf einem Bild vereint, sind die meisten hier ausgestellten Bilder zwischen 1999 und 2010 entstanden.

Direkt hinter ihm hängen sehr vielseitige Porträts an der Wand. Der Fotograf interessiert sich für die Menschen und möchte ihre Geschichten erzählen. Außerdem erklärt der Humanist, dass Solidarität das Wichtigste sei. «Das könnte Ihr Bruder sein, das könnten wir sein», meint der Fotograf.

Billhardt führt die Besucher*innen nach einer kurzweiligen Ansprache durch das Foyer entlang der Stellwände, an welchen seine Bilder aufgehängt sind. Die Fotos und die Erzählungen des Fotografen bringen das Publikum von Hanoi im Jahr 2000, über Manila im Jahr 2005 und Indonesien im Jahr 2009, bis nach Kambodscha, China und Vietnam im Jahr 2010.

Als Thomas Billhardt vor einer Wand mit der Überschrift «Müllhalde Indonesien 2009» stehen bleibt und anfängt, von seinen Erlebnissen zu berichten, guckt er nicht seine Zuhörer*innen an, sondern seine Fotos. Er gestikuliert mit seinen Händen in die Richtung der Bilder und es scheint für einen kleinen Moment so, als sei er nicht in Berlin, sondern mit den indonesischen Kindern auf der Müllhalde. Bereits in seiner anfänglichen Rede hat er erklärt: «Kinderfotos ist mein Thema (…)Da siehst du in Kindergesichter, die so schön sind.»

Dass die Menschen einen unbekannten Fotografen so nah an sich heran lassen, erklärt Billhardt folgendermaßen: «Über die Kinder bin ich reingekommen – immer. Sie machen die Tür auf.» Wenn die Kinder ihm ihr Vertrauen schenkten, dann seien die Erwachsenen weniger misstrauisch. Und es ist nicht schwer vorstellbar, dass fremde Menschen diesem freundlichen, humorvollen und dabei sehr bescheidenem Mann schnell vertrauen können. Wenn Thomas Billhardt über seine Bilder redet, dann leuchten seine Augen voller Neugierde und echtem Interesse an den Menschen, die darauf abgebildet sind.

Der Fotograf, welcher im Laufe seiner Karriere auch viele Kinderfotos im Auftrag von UNICEF gemacht hat, zeigt hier Fotos von Menschen, die in Manila unter einer Brücke leben. Andere Leben direkt an einer Bahnschiene, wenn sie nicht bereits von einem vorbeifahrenden Zug erfasst worden sind. Er zeigt aber keine Menschen, die von einem Zug überfahren wurden, sondern diejenigen, die an der Bahnschiene essen, schlafen, spielen und leben. Billhardt erläutert seine Intention: «Ich will keine Sensationsgier befriedigen. Ich will aber, dass man mitleidet.»

Dass Menschen an anderen Orten der Welt unter solchen Umständen leben, ist in Deutschland schwer vorstellbar. Unter einem Foto, auf welchem ein Kind auf einem Berg von Müll steht und scheinbar nach etwas Brauchbarem sucht, erläutert ein Zitat von Billhardt sein Verständnis von Kunst: «Wenn Fotos den Betrachter zum Nachdenken und Mitfühlen, zum Lachen oder auch zum Weinen bringen können, dann sind sie Kunst.»

Deswegen gibt es wohl auch im Rahmen dieser Veranstaltung nicht nur Bilder, welche zum Nachdenken, Mitfühlen oder sogar zum Weinen anregen. Es werden ebenfalls Fotos mit den unvorstellbarsten Transportmitteln und bunten Marktszenen in anderen Ländern gezeigt. «Es ist doch auch so schön, Bilder zu machen zum Lachen», so Billhardt.

Nach knapp einer Stunde folgen mehr als die Hälfte der Besucher*innen der Einladung, einem Gespräch zwischen Thomas Billhardt und der nd-Redakteurin Karlen Vesper im Gespräch zuzuhören.

Auf dem leicht erhobenen Podest erzählt der Fotograf aus seinem Leben: von seiner Mutter, welche ihn und seine Karriere maßgeblich geprägt hat. Von seinen Reisen und seinem besonderen Status, den er als Kriegsfotograf mit einer großen Reisefreiheit in der DDR genoss. Er erzählt davon, dass sich seine Auftraggeber manchmal beschwerten: «Wo sind denn die Männer? Thomas bringt eine schöne (Frau) nach der Anderen.»

Aber er erzählt auch vom Krieg: «Die Todesangst ist immer da.» Doch wenn er ein geeignetes Motiv und seine Aufgabe vor sich sah, dachte er: «Das ist das Bild, was du brauchst. (…) Dann kann es krachen, wie es will, dann ist die Angst weg.»

Er berichtet auch von den Sorgen, die seine Frau aushalten musste. Nach einer Reise war es besonders schlimm: «Als ich da zurückkam, da war sie echt fast nicht mehr da.» Erst nach vielen Jahren, als sein Sohn in ein Unwetter geriet und er tagelang nichts von ihm hörte «habe ich mitbekommen, was meine Frau durchgemacht hat in diesem Leben», so Billhardt.

Anschließend gibt es die Möglichkeit für das Publikum, seine Fragen an den Fotografen zu richten. Ob es früher einfacher war als heute, Menschen zu fotografieren, möchte ein Mann wissen. Thomas Billhardt bestätigt, dass es heute viel schwieriger sei, Leute in der Öffentlichkeit zu fotografieren. Er erzählt davon, dass er auf einer Bergida-Demonstration die Gesichter der Rechtsradikalen ablichten wollte und bezeichnet dies als «eines meiner schlimmsten Erlebnisse», denn «die fühlen sich schon so stark, bedrohen dich auch.» Er stellt die Frage in den Raum, warum diese Leute auf eine öffentliche Veranstaltung gehen, aber scheinbar nicht in der Öffentlichkeit gezeigt werden wollen.

Thomas Billhardts Waffe im Krieg war die Fotografie. Er sei dankbar, dass seine symbolischen Anti-Kriegs-Fotos Menschen zum Nachdenken gebracht haben und er damit einen Teil zum Beenden des Krieges in Vietnam beitragen konnte. Billhardt sagt dazu sehr bescheiden: «Wenn ich das höre, habe ich nicht umsonst mein Leben eingesetzt und gekämpft. Und das ist mein großes Glück.»

Thomas Billhardt könnte scheinbar noch stundenlang weiter erzählen, doch nach zweieinhalb Stunden neigt sich der Abend dem Ende zu. Karlen Vesper weist auf seine kürzlich im NORA-Verlag erschienene Biografie hin. Einige der Besucher*innen nutzen die Gelegenheit, dem Fotografen ihre privaten Fragen zu stellen. Dass Billhardt «zum Nachdenken und Mitfühlen, zum Lachen oder auch zum Weinen» anregen kann, zeigt sich nicht nur in seiner Kunst. Es ist vielmehr seine bescheidene, dankbare Art, seine Neugierde und Unvoreingenommenheit und sein ehrliches Interesse für die Geschichten der Menschen, die diesen Abend und seine Werke so besonders machen.

Veranstaltungshinweis: Am Mittwoch, den 26. Juli 2017 um 18:00 Uhr wird Thomas Billhardt im Rahmen einer Sonderführung im Foyer des FMP1 einzelne Fotomotive näher erläutern.

Text: Mareike Heiss