Dokumentation Eine Stadt für alle!

Kämpfe um Wohnraum in Brasilien und in Deutschland

Information

Zeit

05.10.2021

Themenbereiche

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Partizipation / Bürgerrechte, Stadt / Kommune / Region, Brasilien / Paraguay

Eine Stadt für alle! Kämpfe um Wohnraum in Brasilien und in Deutschland

Eine Stadt für alle!

Kämpfe um Wohnraum in Brasilien und in Deutschland

Das Recht auf Wohnen in Würde und eine bezahlbare Stadt für alle ist ein wichtiges Thema in den aktuellen Kämpfen - sowohl in Brasilien als auch in Deutschland. Die Erfahrungen in der Mobilisierung, Gemeinsamkeiten und Unterschiede diskutieren wir zusammen mit Aktiven aus Bewegung und Politik.

Die Veranstaltung fand wenige Tage nach dem Berliner Volksentscheid statt, in dem die Berliner Bevölkerung entschieden hat, dass der Staat eingreifen, und die Konzentration von Wohnraum auf wenige Wohnkonzerne verhindern soll. Der Volksentscheid fand vor dem Hintergrund einer akuten Wohnungskrise in Berlin statt, die durch die Pandemie noch verstärkt wurde. Dies ist auch der Hintergrund der Anti-Räumungs-Kampagne Despejo Zero, in der die brasilianischen Volksbewegungen den Nationalkongress dazu drängen, das Veto von Präsident Jair Bolsonaro gegen ein Gesetz zu kippen, das Zwangsräumungen während der Pandemie verhindert.

Im Gespräch diskutieren:

  • die Stadtplanerin Erminia Maricato, Architektin und Koordinatorin von BR Cidades
  • Rud Rafael, von der Anti-Räumungs-Kampagne Despejo Zero und landesweiter Koordinator der Bewegung der Wohnungslosen Arbeiter*innen (MTST)
  • die Abgeordnete Katalin Gennburg, MdA DIE LINKE in Berlin
  • Rouzbeh Taheri, Koordinator der Berliner Kampagne Deutsche Wohnen & Co Enteignen.

Moderiert wird die Diskussion von Torge Löding, Büroleiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Sao Paulo.
Die Veranstaltung fand online auf Deutsch und Portugiesisch statt und wurde auf Youtube übertragen.

Übertragung auf Portugiesisch auf dem Youtube-Kanal der Fundação Rosa Luxemburgo
 

Berliner Volksentscheid

Die Volksbefragung der Initiative Deutsche Wohnen & Co. Enteignen, die am 26. September zusammen mit den Bundestagswahlen stattfand, hat den Willen der Bevölkerung zum Ausdruck darüber gebracht, ob private Wohnungsunternehmen mehr als 3.000 Wohneinheiten in der Stadt besitzen dürfen oder sie diese abgeben sollen. Die Entscheidung der Bürger*innen im Volksentscheid mit einem klaren JA zum Abgeben! könnte nun die Enteignung von rund 11 Prozent der Immobilien der Hauptstadt, d. h. 240.000 Wohneinheiten, zur Folge haben. Das ist eine weitreichende Wirkung. Abgesehen von den symbolischen und politischen Folgen dieses Erfolgs, leben in Berlin etwa 80 Prozent der 3,6 Millionen Einwohner*innen zur Miete. Vor kurzem noch hatte das Bundesverfassungsgericht die Initiative der lokalen Regierung, einen fünfjährigen Mietendeckel einzurichten, für verfassungswidrig erklärt. Die Durchführung der Volksbefragung war nur durch die Kombination von Aktionen der lokalen sozialen Bewegung und institutioneller Lobbyarbeit, insbesondere durch die Partei Die Linke möglich, die Teil der lokalen Regierungskoalition ist, die eine Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus hat.

Despejo zero / Agenda für die Städte

In Brasilien finden sich in der Anti-Räumungs-Kampagne Despejo Zero Bewegungen und soziale Organisationen zusammen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, zu sensibilisieren und auf die Institutionen einzuwirken, damit Zwangsräumungen während der Pandemie verhindert werden. Die im Juli 2020 ins Leben gerufene Initiative konnte Gesetzesvorlagen auf Gemeinde- und staatlicher Ebene voranbringen. Auf Bundesebene scheiterte die Kampagne trotz des Sieges im Kongress am Widerstand von Präsident Jair Bolsonaro. Er hat nicht nur keine öffentliche Politik für Wohnraum für einkommensschwache Menschen gefördert, sondern auch sein Veto gegen die Maßnahme eingelegt hat.

Zugleich veranstaltete BR Cidades, eine weitere Organisation der Zivilgesellschaft, im September ein Forum: Ziel der Forumsdiskussion ist die Verständigung über eine neue landesweite Agenda zur Bewältigung der erheblichen Herausforderungen, mit denen sich die Städte konfrontiert sehen. Denn mit der Vernachlässigung der Bundesregierung hat sich auch die Gesundheitskrise in den Städten noch verschärft. BR Cidades will mittel- und langfristige Projekte für die Städte Brasiliens entwickeln. In diesen Projekten soll besonders auf innerstädtische und regionale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit geachtet werden.