Presse release | "Nur studieren ist mir zu wenig"

Katharina Volk ist Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Gelnhäuser Tageblatt, 28.6.2006)

GIESSEN. Wer "Katharina Volk" zusammen mit "Gießen" in die Internetsuchmaschine Google eingibt, findet eine Menge Einträge, in denen das Wort Studiengebühren vorkommt. Der Suchende wird dabei unter anderem auf Webpages der Linkspartei und des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen weitergeleitet. Katharina Volk (25) studiert seit zehn Semestern Sonderschullehramt, möchte aber eigentlich in die Politik. Seit 2005 ist sie Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung. In der Debatte um Studiengebühren ist sie ganz in ihrem Element. "Bildung ist keine Ware", sagt sie. Als vor einigen Semestern die Landesregierung Gebühren für Langzeitstudierende beschloss, war für sie klar, "das ist nur der Türöffner für allgemeine Gebühren". Damals organisierte sie als Referentin für Demokratie und Grundrechte im Asta den Protest mit. Der Staat habe die Aufgabe, für die Ausbildung aller Bürger zu sorgen. Das sei nicht die Aufgabe des Einzelnen. Die Chancenungleichheit fange schon mit Gebühren im Kindergarten an. Deshalb sei es wichtig, "über die Hochschule hinaus zu argumentieren".

Seit 2002 ist Katharina Volk Mitglied des Studierendenparlamentes (Stupa), in dem sie der Demokratischen Linken angehört. Zweieinhalb Jahre hat sie im Asta mitgearbeitet, zunächst als Sachbearbeiterin, dann als Referentin für Demokratie und Grundrechte. "Nur studieren ist mir zu wenig", begründet sie ihr politisches Engagement. "Wenn ich etwas kritisiere, will ich es auch verändern können." Die Arbeit des Asta und Stupa bezeichnet sie als "sinnvoll und richtig", nur würden beide Gremien von den meisten Studierenden kaum wahrgenommen. "Man geht an die Uni und dann nach Hause", beschreibt sie die Grundhaltung vieler.

Ihr politisches Engagement und auch die ehrenamtliche Hilfe im Winterdienst des Gießener Obdachlosenheims "Die Brücke" hat ihr vor einem Jahr geholfen, von der Rosa-Luxemburg-Stiftung als eine von zwei Gießener Stipendiaten angenommen zu werden. Eine Freundin habe sie auf die Idee gebracht, sich zu bewerben. Ihre Eltern verdienten nicht sehr viel, aber Bafög bekomme sie nicht. Das Stipendium reiche zwar nicht, um das ganze Studium zu finanzieren, aber sie wolle ohnehin wie bisher im Gießener Frauenwohnheim als Nachtwache arbeiten. Die Stiftung stehe ihr politisch nahe, was sich unter anderem in ihrer Kandidatur für die Linkspartei bei den diesjährigen Kommunalwahlen ausdrückte. Außer von dem Geld profitiere sie vor allem von den guten Kontakten. Sie werde zum Beispiel demnächst bei "Espace Marx", einer politischen Organisation in Paris, die mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kontakt steht, ein Praktikum absolvieren. Neben einem Bewerbungsbogen habe sie ein Gutachten eines Dozenten, eine Hausarbeit, Leistungsnachweise von Seminaren, ihren Lebenslauf und Bescheinigungen über ihr politisches Engagement einreichen müssen. Darauf folgte ein Vorstellungsgespräch mit einem Vertrauensdozenten der Stiftung in Marburg. "Denen ist sehr wichtig zu sehen, wo das Studium hinführen soll", fasst sie das Gespräch zusammen. Ihre Studienleistungen bewertet sie als "durchschnittlich gut".

Engagement in "Vereinen, die auf soziale Nachteile abfahren" sei ganz entscheidend für eine Aufnahme als Stipendiat, sagt Dr. Katrin Schäfgen, Bereichsleiterin des Studienwerkes der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Nur "eine sehr kleine Minderheit" der Geförderten sei tatsächlich Mitglied der Linkspartei. Als Begabtenförderungswerk achte die Stiftung zwar auf herausragende universitäre Leistungen. Doch da die Partei prinzipiell der Förderung von Eliten kritisch gegenüber stehe, lege sie großen Wert auf soziales Engagement. Ziel der Stiftung sei es, "dass wir ein linkes, kritisches Umfeld fördern und dass er oder sie sich dann später auch da engagiert".
Aus dem Asta hat Katharina Volk sich inzwischen zurückgezogen, um sich mehr auf ihr Doppelstudium zu konzentrieren. Seit vier Semestern studiert sie neben Sonderschullehramt auch Politologie. Dafür engagiert sie sich weiter im erweiterten Vorstand des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen. Außerdem plane sie während des Sommersemesters eine zweite Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung anzubieten. Diese aber nicht über Studiengebühren sondern über ein anderes heikles Thema: "Prekäre Beschäftigungsverhältnisse" wie unbezahlte Praktika.

Fakten

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist hervorgegangen aus dem 1990 in Berlin gegründeten Verein "Gesellschaftsanalyse und politische Bildung". 1992 wurde sie von der PDS als parteinahe, bundesweite Stiftung anerkannt. Seit 1999 vergibt sie Stipendien an in Deutschland Studierende - derzeit 215 - und Promovierende - derzeit 69. Im vergangenen Jahr betrug ihr Budget für deutsche Stipendiaten 2450000 Euro, das sie vom Bundesministerium für Forschung und Bildung erhielt. Wie bei allen Begabtenförderungswerken liegt der Höchstsatz bei 525 Euro monatlich plus 80 Euro Büchergeld. Besonders Frauen sollen gefördert werden. Bis zu vier Semester vor Abschluss der Regelstudienzeit können sich Interessierte bewerben. Höchstalter ist 30 Jahre. Stichdaten sind der 31. Oktober und 30. April.