Documentation Der politische Einstein

Albert-Einstein-Kolloquium, mit einer Einführung durch Prof. Siegfried Grundmann (Autor des Buches "Die Akte Einstein"). Prof. Rainer Schimming spricht über "Einstein und die ,Bombe'".

Information

Event location

Archiv
Leipziger Str. 40
14473 Potsdam

Date

01.09.2005

With

Prof. Dr. Siegfried Grundmann, Berlin; Prof. Dr. Rainer Schimming, Greifwald; Moderation: Dr. Wolfgang Girnus, Berlin

Themes

Geschichte

Einsteins Essay "Why Socialism" von 1949 wird zur Veranstaltung verteilt.

Vorabdrucke aus der UTOPIEkreativ 179 (September 2005) zum Thema:

Albert Einstein: Ein Brief wider die Inquisition (öffentlicher Brief an William Frauenglass vom 12. Juni 1953) [pdf, 59KB]

Siegfried Grundmann: Albert Einstein – ein Utopist? Anmerkungen zu einem neuen Einstein-Buch von Hubert Goenner  [pdf, 102KB]1905 trat ein unbekannter Schweizer Patentamtsmitarbeiter mit drei Entdeckungen an die Weltöffentlichkeit, die die Welt grundlegend revolutionierten. In jenem Jahr veröffentlichte der damals 26-jährige Physiker mehrere grundlegende Arbeiten, die alle den Nobelpreis wert gewesen wären:

· zur speziellen Relativitätstheorie,

· zur Begründung der Quantentheorie des Lichts und

· zum abschließenden Nachweis der atomaren Struktur der Materie (Brownsche Molekularbewegung).

Diese Arbeiten und damit Albert Einsteins Name als vielleicht der Welt bekanntester Forscher jähren sich 2005 zum einhundertsten Mal. Es ist auch der 50. Todestag dieses genialen Mannes. Dazu wird am 9. Juli 2005 das berühmte Einstein-Russell-Manifest 50 Jahre alt, das Einstein zwei Tage vor seinem Tod unterzeichnete und das wenig später von großer Bedeutung für die Gründung der Wissenschaftlerbewegung Pugwash wurde. Und wir haben im August zum 60. Mal der Opfer der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki gedacht.

Für das Kollegium Wissenschaft des Stiftungsverbundes der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist deshalb der Weltfriedenstag der Anlass, Albert Einstein zu ehren, indem wir das Engagement des politischen Bürgers Einstein thematisieren und mit aktuellen Fragestellungen verknüpfen. Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung, Wissenschaft in der Verantwortung für den Frieden und Wissenschaft im Gespräch mit der Gesellschaft lassen sich ausgehend vom Leben und Engagement Einsteins hervorragend öffentlich diskutieren.

Albert Einstein hat sich im Laufe seines Lebens zu vielen gesellschaftlich und politisch relevanten Themen geäußert. Bereits 1896 gab er die deutsche Staatsbürgerschaft auf und blieb fünf Jahre staatenlos, weil ihm die militaristischen Tendenzen im Kaiserreich missfielen. Und als 1914 angesichts des völkerrechtswidrigen Einmarsches deutscher Truppen in das neutrale Belgien und der internationalen Proteste dagegen Berliner Wissenschaftler den berüchtigten „Aufruf an die Kulturwelt“  entwarfen, da wollten der Arzt Georg Friedrich Nicolai, und Einstein die Schande dieses Aufrufs nicht unwidersprochen lassen. In dem „Aufruf an die Kulturwelt“ fand die deutsch-nationale Gesinnung bürgerlicher Wissenschaftler ihren verhängnisvollen Niederschlag, wurde Wilhelm II. als „Schirmherr des Weltfriedens“ gepriesen und auf denkbar schamlose Weise der Überfall gerechtfertigt. 93 Intellektuelle unterzeichneten damals diesen Aufruf, darunter 33 Mitglieder der Berliner Akademie der Wissenschaften und mehrere deutsche Nobelpreisträger. Nicolai und Einstein verfassten Mitte Oktober 1914 den „Aufruf an die Europäer“   als Gegendokument. Das Klima war frostig und von Kriegshysterie geprägt: Der „Aufruf an die Europäer“ wurde lediglich von Georg Friedrich Nicolai, dem Astronomen Friedrich Wilhelm Foerster und Albert Einstein unterzeichnet. Nach dem 1. Weltkrieg kam es zu einer unflätigen Anti-Einstein-Kampagne, die sich mit Antisemitismus und Chauvinismus verband.

Einstein ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Immer blieb er seiner Grundhaltung treu: Er war Pazifist, Antimilitarist, Humanist und Weltbürger.

In den Medien wird Einstein gern als Urtypus des genialen und vergesslichen Professors portraitiert, der mit fliegenden Haaren der Öffentlichkeit auch mal die Zunge herausstreckte. Eine Variante der beliebten Methode, vorbildliche Menschen auf einen so hohen Sockel zu stellen, dass sie als „unnachahmlich“ erscheinen. In den dreißiger Jahren war der Nobelpreisträger von 1921 in den USA beliebt wie ein Hollywood-Star. Seine radikalen politischen Ansichten wurden jedoch in der Öffentlichkeit wenig beachtet. Einstein hatte einmal seinen - übrigens auch sehr politisch engagierten - Freund Charlie Chaplin gefragt, warum er gefeiert werde: "Mich umjubeln die Leute, weil jeder versteht, was ich mache, "dich umjubeln sie, weil keiner kapiert, was du machst".

Wir wollen mit unserem Kolloquium an einen Einstein erinnern, der sein Leben lang ein zutiefst politisch denkender und handelnder Mensch war.

Wolfgang Girnus

 

***

Einstein und die Bombe

Abstract zum Vortrag auf dem Einstein-Kolloquium von Prof. Dr. Rainer Schimming, Greifwald

In Einsteins berühmter Formel E = mc2 steckt schon das zerstörerische oder nützliche Potenzial der Atomkraft. Einstein selbst hat dies praktisch sehr früh gesehen; bekanntlich wirkte er dann aber nicht an der Weiterentwicklung der Quantentheorie und Kernphysik mit. Politische Motive, die Sorge, dass die Atombombe in die falschen Hände geraten könnte, veranlassten ihn zu seinem Brief an Präsident Roosevelt 1939. Neuere Erkenntnisse belegen, wie berechtigt diese Befürchtung damals war. Nach Hiroshima und Nagasaki entwickelte sich Einstein zum Kämpfer gegen die atomare Bedrohung, für Abrüstung und für das Fernziel einer Weltregierung. Seine letzte Unterschrift setzte er unter das von Bertrand Russell initiierte Manifest berühmter Wissenschaftler für atomare Abrüstung 1955.