Documentation Die Rechte, die Linke und die Wahlen

Die Tea Party, Occupy Wall Street und die Präsidentschaftskampagne im Jahr 2012.

Information

Event location

Palisa - Umspannwerk Ost
Palisadenstr. 48
10243 Berlin

Date

24.05.2012

Organizer

Katrin Schäfgen,

With

STEPHEN BRONNER (Rutgers University, New Jersey, USA)

Themes

International / Transnational, Staat / Demokratie, Soziale Bewegungen / Organisierung, Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Kapitalismusanalyse, Parteien / Wahlanalysen

Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen werden dort gewonnen, wo die Bevölkerung mehrheitlich weiß ist, wo die Geschlechterverhältnisse traditionell geprägt sind, wo es keine Lesben und Schwulen gibt und wo der Staat weit weg ist: In den Staaten des Südens und mittleren Westens. So leitet Politikwissenschaftler Stephen Bronner aus New Jersey seinen Vortrag ein.
Hier ist die Tea Party Bewegung stark und es ist offen, ob Obama wieder gewählt wird. Denn schon sein Wahlsieg 2008 war nicht überwältigend sondern sehr knapp, trotz einer perfekten Wahlkampagne.

Zwar ist der Einfluss der Tea Party klein (erreicht ca. 20% der Wahlberechtigten), doch es handelt sich um eine authentische Bewegung, die nicht top down funktioniert. Bronner macht auch deutlich, dass diese konservative Strömung historisch nicht wirklich neu ist. In immer wiederkehrenden Zyklen entwickelt sie sich seit Beginn der Vereinigten Staaten, sie firmieren zwar unter unterschiedlichen Namen (z.B. Ku Klux Klan, America first oder Mc Carthy-Bewegung), haben aber dieselben Themen, z.T. sogar identische Slogans. Und sie entstehen in Reaktion auf progressive Präsidenten.

Dennoch ist für Bronner nicht so sehr das Erstarken der Tea Party-Bewegung sondern der Zusammenbruch der Republikaner von Interesse. Gab es auch hier in der Vergangenheit progressive und intellektuelle Personen so sind diese im Zusammenhang mit dem Erstarken der Tea Party aus den Reihen der Republikaner verschwunden. So kommen die Angriffe auf Obama aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Herkunft und seiner Intellektualität sowie der Vorwurf, er würde eine sozialistische Revolution anzetteln wollen, von einer Minderheit der Republikaner, die jedoch sehr öffentlichkeitswirksam agiert.

Die „Schwäche“ Obamas wiederum besteht darin, dass er entgegen der vorgebrachten Anwürfe nie Kopf einer sozialen Bewegung war und auch unter den Demokraten nicht mehrheitsfähig ist, da 1/3 der Demokraten eher Konservative sind. Zwar ist Obama ein linker Demokrat, als Präsident müsste er jedoch sehr viel stärker als solcher handeln. Da er das jedoch nicht im (von Linken gewünschten) Sinne tut, befindet er sich politisch in einer Zwickmühle: Während ihn die politischen Rechten als Sozialist, Kommunist oder Trotzkist öffentlich diffamieren, sehen die Linken ihn – insbesondere aufgrund seiner Außenpolitik – als Verräter ihrer politischen Ziele.

Mit dem Aufkommen der Occupy-Bewegung, die sich in Reaktion auf die Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise und den „Arabischen Frühling“ entwickelte, verbanden die Linken in den USA die Hoffnung auf Aufbruch. Das Ziel sehen sie in der utopischen Transformation von Politik und Partizipation. Als von Beginn an anarchistische Bewegung übte Occupy Wall Street einen erheblichen Druck auf Obama aus, auf den er reagiert hat. Und es ist Occupy Wall Street gelungen, die Tea Party-Bewegung von den Titelseiten amerikanischer Zeitungen zu verdrängen, politische Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und einen neuen Aufbruch zu beginnen, der erheblichen Einfluss auch auf Gewerkschaften genommen hat.

Das aktuelle Problem, das sich im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen zeigt ist nun, dass die Unzufriedenheit mit Obama insbesondere aus der politischen Linken dazu führt, dass sie ihm ihre Unterstützung verwehren, indem sie ihn nicht wählen wollen. Hier macht Bronner klar, dass er dies für einen falschen Ansatz hält. Bei aller Unzufriedenheit insbesondere mit der Außenpolitik Obamas muss anerkannt werden, dass er sich für die Rechte von Frauen und sich sexuell „anders“ Definierende einsetzt, dass er für eine Gesundheitsversicherung für alle US-BürgerInnen steht und außenpolitisch für Friedenspolitik. Angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens von Obama und Romney würde der Verzicht auf eine Unterstützung Obamas durch die Linke den sicheren Wahlsieg für Letzteren bedeuten.