Als 1931 die zehnjährige Sonderausgabe der Arbeiter-Illustrierten Zeitung (AIZ) herausgegeben wurde, überschlugen sich die Gratulanten mit Lob. Mit einer Auflage von schwindelerregenden 500.000 Exemplaren hatte es der linke Medienmogul Willi Münzenberg geschafft, aus einer linken Nische heraus eine breite Leserschaft zu erobern. Mit ihrem parteiischen Standpunkt und vor allem ihren neuartigen Bildreportagen gab die Zeitschrift einer proletarischen Sichtweise Gehör und baute ein massives Gegengewicht zu den sogenannten bürgerlichen Medien auf. Ihr Anspruch war, Aufklärung durch Propaganda von Gegen-Information zu betreiben. Damit war dieses Münzenberg-Projekt eines der erfolgreichsten Beispiele von Gegenöffentlichkeit.
Von diesen Auflagen können heutige linke Zeitungen nur träumen. Eine derartige Massenwirkung von linken Mainstream-kritischen Projekten konnte seit Münzenberg nie wieder erreicht werden. Bis heute jedoch gibt es unzählige Zeitschriften, Videoprojekte, Medienzentren und Internetportale, die versuchen jenseits der großen kommerziellen Verlage eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Doch sind die Vorstellungen und Ideen dieses Kampfbegriffs noch aktuell? Wie haben sich die Wahrnehmung der „bürgerlichen Medien“ und die Notwendigkeit linker Propaganda geändert? Welche Praxis entwickelten gegenöffentliche Medienprojekte im Verlaufe des 20. Jahrhunderts und welche Formen und Inhalte wählen die alternativen Medienprojekte heute? Und was können wir noch heute vom „roten Hugenberg“, wie Münzenberg auch genannt, wurde lernen?