Documentation Versagen mit System

Eine Ausstellung über Geschichte und Wirken des Verfassungsschutzes

Information

Date

22.02.2016 - 07.03.2016

Organizer

Ulrike Imhof,

Themes

Staat / Demokratie, Rassismus / Neonazismus, Partizipation / Bürgerrechte, NSU-Komplex

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Der Verfassungsschutz (VS) gilt als «Frühwarnsystem» gegen die Bedrohungen der verfassungsmäßigen Ordnung in der Bundesrepublik. Seit der Gründung der VS-Ämter werden jedoch immer wieder Skandale, Kompetenzüberschreitungen und Grundrechtsverletzungen bekannt. Mit dem Auffliegen des Terrornetzwerkes «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) ist deutlich geworden: Der VS hat als Frühwarnsystem versagt.

Bis heute – nach über 250 Prozesstagen im NSU-Verfahren vor dem OLG in München und 10 NSU-Untersuchungsausschüssen – ist der Verdacht, dass der Verfassungsschutz nicht nur den Aufbau rechtsterroristischer Strukturen gefördert oder begünstigt hat, sondern auch in deren Verbrechen verstrickt war oder sie zumindest gebilligt hat, bei weitem nicht ausgeräumt.

Unglaubliche Affären und Skandale mit VS-Beteiligung werden in den öffentlichen Debatten oft als Pannen oder Versagen behandelt und geraten in den rasch wechselnden Konjunkturen medialer Aufmerksamkeit stets sehr schnell wieder in Vergessenheit. Eine Betrachtung über einzelne Fälle hinaus zeigt jedoch, dass sich bestimmte Muster wiederholen. Tatsächliche Bedrohungen für die Demokratie, etwa durch militante Neonazis, verfolgt die Behörde nur ungenügend. Gleichzeitig werden Gefahren überschätzt, z.B. wenn der VS es als seine Aufgabe betrachtet, linke Punkbands zu überwachen.

Die einseitige Fokussierung der Behörde auf die Beobachtung von «Verfassungsfeinden» an den «äußeren Rändern» der Gesellschaft folgt der Logik des Extremismusmodells – der fragwürdigen Arbeitsgrundlage des VS. Dies führt auch dazu, dass Alltagsrassismus und menschenfeindliche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft für den VS keine Rolle spielen. Wer ihrer Ansicht nach als bedrohlich gilt und wer nicht, vermittelt die Behörde immer häufiger im Rahmen von Bildungsangeboten an Schulen und in der Erwachsenenbildung.

Im Kern bleibt der VS ein Geheimdienst und entzieht sich dadurch einer wirksamen, demokratischen Kontrolle. Unter diesen Umständen ist der nächste große VS-Skandal nur eine Frage der Zeit.

Fest steht nur eines: Das Handeln des VS schadet der Demokratie mehr als es ihr nützt. Die Ausstellung beleuchtet auf 20 Tafeln in sechs thematischen Abschnitten die Ursachen und Hintergründe für dieses Versagen mit System.

Ausstellungseröffnung

Zur Ausstellungseröffnung sprachen Friedrich Burschel (Rosa-Luxemburg-Stiftung) und ein Vertreter des Forums für kritische Rechtsextremismusforschung zu den Skandalen und Verfassungsschutzaffären der letzten Jahre. Bei der anschließenden Veranstaltung «Spitzel des Eisbergs» mit Volkmar Wölk (Mitarbeiter «Der Rechte Rand») wurde der Einsatz von V-Leuten und das systematische Versagen des Verfassungsschutzes als «Frühwarnsystem» diskutiert. Volkmar Wölk stellte Geschichte und Tätigkeit des Verfassungsschutzes dar und verwies auf die fragwürdigen Überwachungspraxis und kritisiserte die politischen Prämisssen der Existenz des Inlandsgeheimdienstes. Ein Schlusswort liefert die Ausstellung selbst: «Der Verfassungsschutz schützt die Verfassung wie ein Zitronenfalter Zitronen faltet».

Die Ausstellung kann ganztägig besucht werden vom 22.02. bis 7.3.2016.
Ort: Foyer der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Franz-Mehring-Platz 1, 10247 Berlin