Documentation «The Pool» — Eiko Grimberg

Ausstellung beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Politik und Ästhetik im Bereich der Architektur

Information

Date

09.03.2018 - 18.03.2018

Themes

International / Transnational, Europa, Osteuropa, Kultur / Medien, Kunst / Performance

Eiko Grimberg, Bassin «Moskwa», Intourist-Postkarte aus der Sammlung des Künstlers, Foto: Archiv Grimberg

Die Fotoausstellung «The Pool» beschäftigt sich mit der architektonischen Dimension von sozialer und politischer Repräsentation und deren konkreten Manifestierung im urbanen Raum Moskaus. Sie war vom 9. - 18. März 2018 im Haus 1, in Berlin Kreuzberg zu sehen. Im Zentrum der Ausstellung steht das Bassin Moskwa, ein gigantisches rundes Schwimmbad, welches mit einem Durchmesser von 130 Metern das bis dato zweitgrößte Schwimmbad der Welt war.  

Grimberg zeigt in «The Pool», ein Kooperationsprojekt des Künstlers und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, eine eher unbekannte Epoche russischer Kultur- und Stadtgeschichte, anhand derer sich die verschiedenen Epochen - Revolution, Moderne, Stalinismus, Sowjetunion, politische Erneuerung und die aktuellen Prozesse der Restauration - ablesen lassen. Ohne die Geschichte eines Ortes zu erzählen, wird hier der Ort einer Geschichte sichtbar, deren architektonischen Ausformulierungen den Narrativen ihres jeweiligen Regimes folgen.

Während das tatsächliche Schwimmbad nur ein einziges Mal im Mittelpunkt der Ausstellung als großes Poster auf dem Boden liegend sichtbar wird, sind die Ausstellungsbesucher*innen angehalten sich der komplexen Geschichte dieses Ortes mittels unterschiedlicher Elemente und subtiler Andeutungen, zu nähern. In dem Video «Investigations», das den ersten Teil der Ausstellung bildet, werden der Forschungsprozess und die Recherchen des Künstlers sichtbar. Ebenfalls ist hier zu erkennen, dass das Schwimmbad nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Geschichte dieses Ortes zeigt. Heute steht an demselben Ort der Neubau der Christ-Erlöser-Kathedrale, das zentrale Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche. 1983 erbaut, wurde die Kathedrale im Stalinismus der 1930er Jahre abgerissen und dann in den Jahren 1995 bis 2000 originalgetreu wiedererrichtet. Zwischen 1960 und 1994 stand an Ort und Stelle das Bassin Moskwa.

Die Christ-Erlöser-Kathedrale gewann 2012 mit einer Aktion der feministischen Punk Band Pussy Riot, weltweite Aufmerksamkeit. Die Aktivist*innen von Pussy Riot stürmten den Ambo der Kathedrale und vollführten vor dem Altar ein «Punk-Gebet» gegen die korrupte Allianz zwischen Kirche und Staat, zwischen Putin und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I.

Auch für Grimberg stellte das Punkt-Gebet von Pussy Riot den Ausgangspunkt für seine langjährige Recherche zu diesem Ort und für das Projekt «The Pool» dar, wie er beim Künstlergespräch am 18.03 im Haus 1 ausführte. Weiter erzählt Grimberg, dass 1931 die Pläne für das Areal noch anders aussahen: Anstatt der abgerissenen Kathedrale war die Errichtung des großen Palastes der Sowjets geplant, ein Ehrendenkmal, auf dessen Spitze die Statue Lenins thronen sollte. Ein gigantisches Bauvorhaben, dessen Ziel es war, mit seiner Größe und Pracht den Eiffelturm und das Empire State Building in den Schatten zu stellen. Nach seiner Fertigstellung wäre es mit einer Gesamthöhe von 415 Metern das höchste Gebäude der Welt geworden. Doch kam das Bauvorhaben nicht über seine Fundamentlegung hinaus. Stalin haderte mit der Ehrung seines Vorgängers und hätte lieber sich selbst auf der Spitze des Palastes verewigt. Das Projekt verzögerte sich und die Bauarbeiten lagen während des Zweiten Weltkrieges still. Nach dem Krieg wurde das Projekt weiter geplant, aber die Bauarbeiten wurden nicht wieder aufgenommen. Das Bauvorhaben kann als Teil des kommunistischen Projektes eines «Neuen Moskaus» gesehen werden, das die Ersetzung der zaristischen Bausubstanz zum Ziel hatte. Ebenfalls steht die Wahl des Ortes in Verbindung mit einer politischen Strategie, welche die Überschreibung vorheriger Formen von Herrschaftsarchitektur vorsah; in der Periode des «Kämpferischen Atheismus» der 1930er Jahre mussten viele religiöse Bauten, sowjetischen Bauvorhaben weichen.

Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, der Nachfolger Stalins, stellte schließlich den Bau des Palastes endgültig ein. Zurück blieb ein kreisförmiges Fundament mit einem Durchmesser von 130 Metern. An Ort und Stelle ließ Chruschtschow ab 1985 ein riesiges Freibad bauen. Ein modernes und visionäres Projekt. Technik und Design seiner Zeit voraus war das Bad laut Grimberg «State of the Art». Allerdings wurde das Schwimmbad auch als Symbol der Profanisierung gesehen: als frevelhaft, als Entweihung eines heiligen Ortes. Die Errichtung des Schwimmbades sorgte für Unwillen bei den Gläubigern, das sie mit dem Sprichwort: «War eine Kirche, dann Müll, ist jetzt Schande» ausdrückten.

Gleichzeitig war das Schwimmbad ein Symbol der Naturbeherrschung: es hatte auch in den kalten Jahreszeiten geöffnet und ermöglichte somit den Moskauer*innen sogar bei minus 40 grad ins Freibad zu gehen. Es war massentauglich, mehrere Generationen von Moskauer Schüler*innen lernten hier schwimmen. Ebenfalls entwickelte sich das Schwimmbad, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, zu einem beliebten Cruising Ort der lokalen Schwulenszene. Im Schutz des dampfenden Wassers konnten sich homosexuelle Paare besonders in den kalten Monaten ungestört vergnügen. Grimberg zieht hier auch eine Verbindung zu dem Ausstellungsort: Das Haus 1, ehemals eine öffentliche Toilette, daraufhin Party Keller und nun eine Galerie, war laut Grimberg vormals eine sogenannte Klappe, ein Ort für schnellen Sex unter Männern.

Das Bassin Moskwa bricht mit der Ästhetik des Stalinismus, der sich von der Architektur der Modernen abwandte, da diese als zu liberal und westlich galt. Im Gegensatz hierzu wird das Bassin Moskwa dominiert durch die Form des Kreises, ein Symbol der Moderne, der Einheit und Vollkommenheit. Die Form des Kreises ist in der gesamten Ausstellung wiederzufinden: Im zweiten Teil der Ausstellung, die aus einer Reihe von Fotografien besteht, taucht die Kreisform in unterschiedlichen Kontexten immer wieder auf und stellt somit eine Verbindung zum Pool her. Teils als in sich abgeschlossene universale, unendliche Linie, teils als Andeutung oder unvollendete Form.

Nach dem Ende der Sowjetunion forderte die wiedererstarkte orthodoxe Kirche die Schließung des Schwimmbads und die Wiedererrichtung der Christ-Erlöser-Kathedrale. 1994 wurde das Bassin Moskwa zugeschüttet und die Kirche wieder aufgebaut – in der später die Band Pussy Riot ihren berühmten Auftritt haben sollte.

Im dritten Teil der Ausstellung, der Wandprojektion «Transition» präsentiert Eiko Grimberg unterschiedliche, architektonische Eindrücke der jüngsten Stadtgeschichte Moskaus. Alle Bilder sind Aufnahmen von Gebäuden, die sich im nahen Umfeld des Areals, des Bassins Moskwa befinden und die architektonische Diversität und Wandelbarkeit der Stadt wiederspiegeln. 

Das Bassin Moskwa steht somit sinnbildlich für einen urbanen Raum, auf dem unterschiedliche machtpolitische Begehrlichkeiten und ihre jeweiligen architektonischen Repräsentationen aufeinandertreffen und es somit immer wieder zu Neueinschreibungen und Aneignungen von urbanem Terrain kommt. Nicht nur in «The Pool» beschäftigt sich Eiko Grimberg mit der architektonischen Inszenierung von Macht und Herrschaft sowie mit der Neubesetzung von Orten, mit wechselnden, sich teils widersprechenden Inhalten. «The Pool» ist Teil einer Reihe von Projekten, in denen sich Eiko Grimberg mit dem Verhältnis von Politik und Ästhetik im Feld der Architektur auseinandersetzt. Seine Arbeit «Future History» untersucht die Verstrickung der italienischen Baumoderne mit dem Faschismus, seit 2011 fotografiert er an dem Langzeitprojekt «Rückschaufehler» zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses/Humboldtforum.

Text: Liza Pflaum

 
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