Seit einigen Jahren gewinnt «Arbeitszeit, die zum Leben passt» nicht nur als Gegenstand tariflicher Regulierung, sondern auch als Thema sozialwissenschaftlicher Forschung an Bedeutung. Zugleich ist das Verhältnis von Arbeit und Zeit zu einem Gegenstand lebhafter historischer Debatten geworden. Im zeitlichen Bogen von disziplinierender Zeitregulierung seit 1800 und der Flexibilisierung von Zeitregimen seit Ende des 20. Jahrhunderts gewinnen dabei u.a. praxeologische Perspektiven an Bedeutung. Wie gestalteten sich Zeitpraktiken im Spannungsfeld von Lohnarbeit, Reproduktionsarbeit und Freizeit – und wie veränderten sie sich im Zeitverlauf? Wer profitierte von der zunehmenden Regulierung von Arbeit und Zeit, wer zählte zu den Verlierer/innen, und welche Konflikte um Zeit entzünde(te)n sich in Betrieben, Haushalten und auf gesellschaftlicher Ebene?
Die zweite Konferenz der German Labour History Association (GLHA) betrachtet das Verhältnis von Arbeit und Zeit mittels historischer und sozialwissenschaftlicher Perspektiven seit der Neuzeit in
verschiedenen Weltregionen. Die ursprünglich für den 3. bis 5. März 2022 geplante Konferenz musste Corona-bedingt verschoben werden.
Organisationsgruppe: Knud Andresen (Hamburg); Gina Fuhrich (Heidelberg); Nina Kleinöder (Bamberg); Michaela Kuhnhenne (Düsseldorf); Nicole Mayer-Ahuja (Göttingen); Rita Müller (Hamburg); Stefan Müller (Bonn); Katja Patzel-Mattern (Heidelberg); Franziska Rehlinghaus (Göttingen); Sandra Schürmann (Hamburg); Mareike Witkowski (Oldenburg)
Programm
Donnerstag, 3. November 2022
14.30- 15.00 Uhr
Eröffnung, Begrüßung und Einführung in das Tagungsthema
15.00-16.30 Uhr
Panel 1: Umkämpfte Zeitkonzepte in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung
Moderation: Franziska Rehlinghaus (Göttingen)
Claudia Roesch (Washington): Zeit für Arbeit und Bildung: Die Rolle von Zeitregimen in frühsozialistischen Reformkonzepten im 19. Jahrhundert
Anna Horstmann (Hamburg): Emanzipation oder Bekämpfung von Arbeitslosigkeit? Debatten über Arbeitszeitverkürzung in den DGB-Gewerkschaften in den 1970er und 1980er Jahren.
17.00–17.15 Uhr: Übergabe des GLHA-Dissertationspreises
17.15-18.45 Uhr
Podiumsdiskussion: Zeit und Arbeit. Narrative und Vermittlung einer verflochtenen Geschichte
Sabine Kritter (Berlin), Achim Landwehr (Düsseldorf), Rita Müller (Hamburg)
Moderation: N.N.
Freitag, 4. November 2022
9.00-10.30 Uhr
Panel 2: Unklare Grenzen. Arbeitszeit und Freizeit
Moderation: Mareike Witkowski (Oldenburg)
Jonathan Voges (Hannover): Arbeit nach der Arbeit? «Halbfreizeiten» in der Bundesrepublik Deutschland und im europäischen Vergleich
Olga Sparschuh (München): Freizeit zwischen Arbeit und Langeweile. Italienische Arbeitsmigration in Turin und München, 1950-1975
10.45-12.30 Uhr
Panel 3: Arbeitszeit zwischen Zwang, Verwertbarkeit und Eigensinn
Moderation: Katja-Patzel-Mattern (Heidelberg)
Anne Purschwitz (Halle): Zeit für unfreie Arbeit – Der Wert der Zeit (Sachsen 1650-1850)
Fabiana Kutsche (Köln) /Ulrike Lindner (Köln): Zwischen 8-Stunden-Tag, Einsatz für das Empire und «afrikanischer Faulheit»: Rassifizierte Arbeitszeitdiskurse im Südlichen Afrika, 1926-1946
Lisa Carstensen (Hamburg): Konflikte in und um temporäre Arrangements von Arbeit, Migration und Leben: Einsichten aus der Migrationsforschung
13.15-14.15 Uhr
Führung durch das Museum der Arbeit
14.30-16. 00 Uhr
Panel 4: Zeit-Verschiebungen
Moderation: Nina Kleinöder (Bamberg)
Lucie Dušková (Leipzig): The socialist night-work. Finding the night-shift workers in state-socialist Czechoslovakia
Christiane Berth (Graz): Von der Telefonzentrale zum Call Center: Zeitkonflikte in Lateinamerika (1900-2010)
16.30-18.30 Uhr
Panel 5: Arbeitszeiten/Care-Zeiten
Moderation: Michaela Kuhnhenne (Düsseldorf)
Peter Birke (Göttingen): Arbeitszeitpolitiken seit 1975. Betriebliche Konflikte um reproduktionsorientierte Arbeitszeiten
Laura Moser (Heidelberg): Zeit – Annäherung an ein «weibliches» Dilemma am Beispiel der ersten bundesdeutschen Tagesmütter
Mirjam Schmidt (Heidelberg): Eine nie endende Arbeit – „Alleinerziehende“ Mütter im Nationalsozialismus und der frühen BRD im Spiegel von Sorgerechts- und Fürsorgeakten in Baden und Württemberg
Ab 19.00 Uhr: Imbiss und gemeinsamer Tagesausklang
Samstag, 5. November 2022
9.00-10.00 Uhr
Panel 6: Zeit, Arbeit, Leben
Moderation: Stefan Müller (Bonn)
Jürgen Schmidt (Berlin) /Cornelius Markert (Berlin): Die Entwicklung der Lebensarbeitszeit von 1800 bis 2000
10.15-11.45 Uhr
Panel 7: Zeit im Betrieb: Arbeit und Regeneration um 1900
Moderation: Philipp Reick (Aarhus)
Caroline Rothauge (Greifswald): Lange, kurze oder keine Mittagspause? Zum (Miss-) Erfolg «durchgehender» Arbeitszeiten im Deutschen Kaiserreich um 1900
Manuel Schramm (Chemnitz): Pausen für jugendliche Arbeiter/innen im Kaiserreich
12.15-13.45
Panel 8: Arbeitszeit im Recht
Moderation: Nicole Mayer-Ahuja (Göttingen)
Johanna Wolf (Frankfurt am Main) /Benjamin Spendrin (Darmstadt): Die Ökonomie der Zeit. Ein Digitalisierungsprojekt zur Erforschung von deutschen Arbeits- und Fabrikordnungen des 19. und 20. Jahrhunderts
Catharina Hänsel (Göttingen): Das «Ahmedabad Experiment» – Die Rolle von lokalen Arbeitsgerichten in der indischen Lohnpolitik, 1935-1965
13.45-14.00 Uhr
Abschlussdiskussion
Die Konferenz wird von der GLHA in Kooperation mit dem Museum der Arbeit und der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung und Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet.
Location
Contact
Bernd Hüttner
Senior Advisor for Contemporary History and Politics of Remembrance
Email: bernd.huettner@rosalux.org
Phone: +49 173 6096101