1 September 2022 Discussion/Lecture «Voice of Anger»

Wie gefährlich ist der rechte Untergrund im Allgäu?

Information

Event location

Jugendkultur Contrast e.V.
Joseph-Belli-Weg 11
78467 Konstanz

Date

01.09.2022, 19:00 - 21:00 Hr

 «Voice of Anger»

Vortrag & Diskussion

Das Allgäu ist für viele Menschen nicht viel mehr als eine schmucke Urlaubsregion: grüne Wiesen, weißblauer Himmel, die Berge am Horizont, die Kühe vor der Nase. Doch ein Blick hinter manche Fassade zeigt: Hier gibt es auch einen braunen Sumpf. Und der reicht zurück bis in die 90er Jahre. Wir werfen bei einem Vortrag von Allgäu rechtsaußen am 1. September 2022 um 19 Uhr in der Infokneipe im JugendKultur e. V. Contrast Konstanz einen Blick auf die Situation.

Seit den 90ern existiert im Allgäu und in Schwaben eine Tradition der Organisierung rechtsradikaler Skinheads. Damals gründeten Neonazis aus der Region den Verein «Skinheads Allgäu 88» – und wurden unter anderem wegen zahlreicher gewalttätiger und neonazistischer Aktionen umgehend verboten. Nur wenige Monate nach dem Verbot reorganisierte sich ein Teil der «Skinheads Allgäu» dann als «Skinheads Schwaben». Sie wuchsen schnell auf deutlich über 150 Anhänger:innen an. Ihr Gebiet erstreckte sich wie das der späteren «Voice of Anger» in etwa auf den Bereich zwischen nördlich von Lindau und Ulm sowie Füssen und Buchloe. Mehrere Mitglieder sollen Zugriff auf Schusswaffen gehabt haben.

Um die Jahrtausendwende gab sich die Szene dann mit «White Power Schwaben» (WPS) wiederum einen neuen Namen. Nach Recherchen von Allgäu rechtsaußen handelte es sich dabei in erster Linie um einen Versuch, durch eine Umbenennung einem erneuten Verbotsverfahren zu entgehen. Doch die Gewalttätigkeiten brachen nicht ab. Dieselben Mitglieder, die zuvor als «Skinheads Schwaben» aktiv waren, fielen nun als WPS erneut auf. Zehn Jahre nach dem Verbot der «Skinheads Allgäu» nahm dann die Staatsanwaltschaft Memmingen im Mai 2006 Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Strafgesetzbuch auf.

Als Reaktion darauf dürfte sich WPS noch 2006 selbst aufgelöst haben: die Ermittlungen versandeten. Zu diesem Zeitpunkt war «Voice of Anger» (VoA) bereits seit mehreren Jahren aktiv. Ein Teil der Anhänger:innen von WPS schloss sich bereits in diesem Zeitraum VoA an, weitere folgten nach der Auflösung von WPS.

Eine wichtige Rolle spielte schon damals die Band «Faustrecht» um den Mindelheimer Sänger Norbert «Nogge» Lecheler und seine Frau Nicole B. Sämtliche Bandmitglieder waren auch Mitglieder der «Skinheads Allgäu und spielten etwa auf dem Konzert zum 15-jährigen Jubiläum von VoA. Bis heute finden sich Mitglieder sämtlicher alter Zusammenhänge unter den heutigen Anhänger:innen von VoA, die 2002 antraten, die Szene zu einen und zu professionalisieren. Das ist ihnen gelungen. Zugleich sind sie aus dem Fokus von Behörden und Öffentlichkeit geraten, obwohl sich an Selbstverständnis und Struktur der Gruppe nicht viel geändert hat und Ersatz- und Nachfolgeorganisationen von einem Vereinsverbot mit erfasst wären.

2019 strich der Verfassungsschutz die Veranstaltung von Konzerten aus dem Profil der Gruppe - ausgerechnet in dem Jahr, als die Hälfte aller bayerischen Neonazikonzerte im Allgäu stattfanden und VoA die Region damit zum Konzert-Hotspot des Landes machte. Was der Verfassungsschutz zudem nicht erwähnt: Fotos, die „Allgäu rechtsaußen“ ebenfalls 2019 erstmals veröffentlichte, zeigen Anhänger von VoA, wie sie an einem Schießstand in der Schweiz mit Handfeuerwaffen Bilder jüdischer Geistlicher ins Visier nahmen.
Bereits die „Skinheads Allgäu“ verfügten über langjährige internationale Kontakte zu den «Hammerskins» und «Blood&Honour». Doch auch hier sehen die Behörden keine strukturelle Verbindung; zudem stagniere die Mitgliederzahl. Dabei produzierte das hauseigene Plattenlabel «Oldschool Records» jüngst einen Tonträger für «Brutal Attack», einer Band der Gründungsväter von Blood & Honour, während VoA expandiert: Zur Beerdigung von Siegfried «SS-Siggi» Borchardt marschierten am 9. Oktober 2021 neben Vollmitgliedern von «Voice of Anger» mehrere junge Männer aus NRW auf. Auf ihren Klamotten trugen sie das Abzeichen der Prospects von VoA, das sie als Anwärter für die Mitgliedschaft auszeichnet: Ehemalige Hammerskin-Anwärter bauen offenbar in Westfalen eine Ablegergruppe für «Voice of Anger» auf.
In diesem Jahr dürfen sie ihr 20. Jubiläum feiern. Doch wie gefährlich ist dieser braune Sumpf um Voice of Anger wirklich? Welche Akteur:innen verbergen sich in ihm und wie weit reichen deren Verbindungen in militante Untergrundstrukturen im In- und Ausland? Kommt der Allgäuer Szene bundesweite Bedeutung zu? Wurde sie bislang unterschätzt? Auf diese Thematik gehen wir am Donnerstag, dem 1. September um 19 Uhr im JugendKultur e. V. Contrast Konstanz näher ein.

Veranstaltung der Infokneipe im Contraste e.V. in Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung Baden-Württemberg

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Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg

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