Wir unterstützen die Tage des indigenen Films 2024.
Die 12. Tage des Indigenen Films finden dieses Jahr vom 14.11.2024 bis zum 17.11.2024 statt, wie immer im li.wu. (Lichtspieltheater Wundervoll) in der Frieda23 in Rostock. Wir freuen uns, in diesem Jahr bereits am Donnerstag einen Eröffnungsfilm zu zeigen und gemeinsam mit euch auf die kommenden Filmtage zu blicken.
Dieses Jahr bietet das Festival ein vier Tage langes Filmprogramm, das Dokumentar- und Spielfilme von indigenen Filmschaffenden sowie Filme über verschiedene Lebensrealitäten in indigenen Gesellschaften umfasst. Darüber hinaus thematisiert das Programm die globalen Verflechtungen und Auswirkungen des Kolonialismus. Alle Filme werden durch eine inhaltliche Einführung und eine moderierte Diskussion gerahmt. So wollen wir Indigenen Perspektiven, die im deutschen Kino unterrepräsentiert sind, mehr Sichtbarkeit bieten und für das Publikum eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit ihnen und zum Austausch untereinander schaffen.
Am Donnerstag beginnen die Filmtage mit einer Lecture-Performance und am Samstag und Sonntag eröffnet am Nachmittag jeweils ein Vortrag den Festivaltag. Die Teilnahme an der Lecture-Performance und den Vorträgen ist kostenfrei. Interessierte, die nicht die Möglichkeit haben, zu uns ins Kino zu kommen, können über einen Link auf unserer Homepage digital daran teilnehmen.
Ein Festivalticket für 25,00€, das den Eintritt zu allen Filmen beinhaltet, wird im Kino erhältlich sein. Für einzelne Filmvorstellungen gelten die Preise des li.wu: 8,00€ Normalpreis, 6,00€ ermäßigt und 5,00€ unter 21 Jahren.
Mehr Infos zu Preisen, Anfahrt und dem Kino in der Frieda23 findet ihr auf der Seite des li.wu. Der Zugang zum Kino ist barrierefrei.
Aktuelle Informationen findet ihr auf dieser Website sowie auf Instagram (@indigenerfilm) und Facebook. Für Fragen und Anmerkungen erreicht ihr uns unter info@indigenerfilm.de.
Das Jahresthema 2024 lautet „Kulturelle Selbstbestimmung“.
Die kulturelle Selbstbestimmung Indigener Gesellschaften ist seit 2007 als Recht in der Erklärung über die Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen verankert. Sie wird dort definiert als die Möglichkeit, kulturelle Identität und Lebensformen bewahren und entwickeln zu können.
Kulturelle Selbstbestimmung ist gefährdet, wenn das kulturelle Erbe unterdrückt oder innerhalb eines gesellschaftlichen Machtgefälles verformt oder angeeignet wird.
Dies geschieht zum Beispiel, wenn sich Indigene Gesellschaften aus ökonomischen Gründen gezwungen sehen, Aspekte ihrer Kultur touristisch zu vermarkten. Auf Touren wird dann den Gäst*innen das angeboten, was ihren Vorstellungen entspricht und wofür sie bereit sind zu bezahlen. Dabei werden Kulturgüter aus ihrem Kontext gerissen und als Souvenirs verkauft. Diese Form der Kommodifizierung, also des Zur-Ware-Machens von Kultur, steht in einem größeren Zusammenhang der kulturellen Aneignung und Vermarktung.
Mit der kolonialistischen Unterwerfung von Menschen geht die Aneignung von Wissen und Kultur von Indigenen einher – von Überlebenstechniken, über Mythologie, bis zu Musik, Tanz, Kleidung und Mode. Auch weiterhin geben diejenigen, die eine kulturelle Hegemonie in einer Gesellschaft ausüben – oftmals Weiße – Aspekte Indigener Kultur als ihre eigenen aus und ziehen kommerziellen Nutzen daraus.
Kreative Schöpfung basiert auch auf Austausch und Imitation. Sie benötigt die gegenseitige Beeinflussung über kulturelle Grenzen hinweg. Dies kann aber nur mit Respekt und Anerkennung geschehen, wenn ihre Ursprünge offengelegt werden, eine Beteiligung an den Profiten und die Deutungshoheit der eigenen Darstellung marginalisierter Gruppen gewährleistet sind.
Nicht erst seit der sogenannten „Winnetou-Debatte“ ist die Frage um die Legitimität kultureller Aneignung auch in Deutschland Teil eines Kulturkampfes, der auch auf Kosten Indigener ausgetragen wird. 2022 kam ein Film in die deutschen Kinos, der auf den realitätsfernen und klischeehaften Vorstellungen Karl Mays von den Indigenen Nordamerikas basiert. Einige sehen durch die kritische Auseinandersetzung mit den Darstellungen von Indigenen in dem Film ihre Kindheitshelden und damit ein Stück ihrer eigenen Identität in Gefahr und deuten die Kritik als Teil einer vermeintlichen Cancel-Culture, die den Raum des Sagbaren einschränken würde.
Die betroffenen Indigenen Gesellschaften haben das Recht gehört zu werden, wenn sie darauf aufmerksam machen, was die rassistischen Stereotype, die in Western-Filmen und sogenannten „Indianerfilmen“ reproduziert werden, für sie bedeuten. Ihre Stimmen schaffen sich in deutschen Medien zunehmend Gehör. Der Aktivist und Autor Tyrone White, ein in Deutschland lebender Lakota, wird im Deutschlandfunk zu seiner Einschätzung als Betroffener befragt, der Autor, Psychologe und Filmemacher Red Haircrow gibt ein Interview im Stern: Sie fordern dazu auf mit der Praxis des Redfacing zu brechen – weder als Faschingskostüm noch als Kinderfilmfigur sei ein Klischeebild von Indigenen geeignet. Dieses ist vielmehr eine weiße Projektion, basiert auf der kolonialen Unterdrückungsgeschichte und relativiert diese gleichzeitig.
Indigene Kulturschaffende müssen ihre Geschichten auf selbstbestimmte Weise erzählen und präsentieren können. In der Filmwelt gilt es die Kinolandschaft diverser zu machen – dem westlich geprägten Kino etwas entgegenzusetzen und, im Falle der Tage des Indigenen Films, Indigenen Perspektiven die Leinwand zu überlassen. Kino war und ist ein zentraler Ort der Reproduktion rassistischer Stereotype. Die Aneignung des Mediums Films und des Zugangs zu seiner Industrie ist Teil kultureller Selbstbestimmung.
Ein weiterer entscheidender Aspekt der kulturellen Selbstbestimmung Indigener Gesellschaften ist die Restitution ihrer Kulturgüter. Diese wurden – zum großen Teil – während der Kolonialzeit geraubt oder unter fragwürdigen Umständen erworben und sind von unschätzbarem Wert für die kulturelle Identität der Herkunftsgesellschaften. Die Rückgabe ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein notwendiger Schritt zur Heilung und Wiederherstellung der kulturellen Integrität. Die Rückgabe erfordert eine enge Zusammenarbeit der Museen und Sammlungen mit den Indigenen Gesellschaften, die die kulturelle Bedeutung der Güter am besten kennen. Die Restitution ist, teilweise aufgrund bürokratischer und diplomatischer Hürden, ein langwieriger und kostspieliger Prozess. Die Klärung der Eigentumsansprüche ist in der Regel komplex. Rechtsansprüche sind in manchen Fällen schwer nachzuweisen und oftmals fehlt der politische Wille auf Seiten der Länder oder Institutionen, die die Objekte besitzen, für die Folgen und die Wiedergutmachung der Aneignung aufzukommen oder die Rückgabe überhaupt zu unterstützen, z.B. Geld, Zeit und Ressourcen in Provenienzforschung oder Zusammenarbeit mit den Herkunftsgesellschaften zu investieren.
Doch die Restitution ist ein essentieller Bestandteil zur Bewahrung und selbstbestimmten Weitergabe kultureller Traditionen, die nicht möglich wäre, wenn das Erbe weiterhin in den Händen anderer bliebe.
Das diesjährige Programm der Tage des Indigenen Films greift in verschiedenen Programmpunkten das Jahresthema Kulturelle Selbstbestimmung, sein Gegenstück, die Kulturelle Aneignung und die Debatte um die Restitution von Kulturgütern auf.
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Katharina Schlaack
Regional Office Director, Mecklenburg-Western Pomerania, Rosa-Luxemburg-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern
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