Wir stehen vor der historischen Chance, Abtreibungen in Deutschland zu legalisieren: Heute scheint es greifbarer denn je, dass Schwangerschaftsabbrüche als Menschenrecht und als Teil einer grundlegenden Gesundheitsversorgung anerkannt werden. Erst Mitte Oktober hat ein Bündnis aus verschiedenen Akteurinnen, darunter pro familia und der Deutsche Juristinnenbund, einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Regelungen zu Abtreibungen reformieren soll. Daraufhin wurden konservative Stimmen laut, die den staatlichen Schutzauftrag des ungeborenen Lebens in Gefahr sehen und damit einhergehend moralischen Verfall fürchten.
Lange wagte die Ampel keine klare Haltung zu der Empfehlung, die die von ihr selbst eingesetzte Expert*innen-Kommission im vergangenen April einstimmig abgegeben hatte. Nun sprechen sich immerhin SPD und Grüne für den Gesetzesentwurf aus, wenn auch die Umsetzung bei einer solchen zögerlichen Haltung noch abzuwarten bleibt.
In der gesamten Debatte wird jedoch nicht beachtet oder gar unsichtbar gemacht, dass eine solche Fristenregelung für viele Bürger*innen der Bundesrepublik noch vor nicht allzu langer Zeit eine Selbstverständlichkeit war – ohne dass dies zu den heute beschworenen Schreckensszenarien geführt hätte. Das in der DDR geltende Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch wurde in den Nachwendejahren fast schon stillschweigend überschrieben, was exemplarisch für das Machtgefälle zwischen Ost und West steht. Aber ein Blick auf die Erfahrungen, Bewegungen und politischen Debatten, die damit verbunden waren, kann uns auch heute noch inspirieren.
Diese Podiumsdiskussion schaut auf die heutigen Kämpfe für reproduktive Gerechtigkeit durch eine historische Lupe – dabei werden die Errungenschaften der ostdeutschen, sozialistischen Frauenbewegung herangezogen, um die Kontinuitäten und Brüche feministischer Bewegungen zu erkunden.
Mit:
- Ellen Händler, Autorin von «Unerhörte Ostfrauen»
- Christine Rietzke, Geschäftsführerin des soziokulturellen Zentrums Frauenkultur Leipzig
- Ulrike Lembke, Freie Rechtswissenschaftlerin/Expertin für rechtliche Geschlechterstudien
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Clara Siegel
Rosa-Luxemburg-Stiftung
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