24 January 2020 Discussion/Lecture Vom Imperiengeschäft

Konzerte, Festivals, Soziales. Wie Großkonzerne die kulturelle Vielfalt zerstören.

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Event location

Kreativfabrik Wiesbaden
Murnaustraße 2
65189 Wiesbaden

Date

24.01.2020, 19:30 - 21:30 Hr

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Art / Performance

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Der Publizist und Tourneeveranstalter Berthold Seliger zeigt in seinem neuesten Buch „Vom Imperiengeschäft“, wie Groß-konzerne Fans und Musiker ausbeuten – und was wir dagegen tun können. Wenn der Laden, die Halle, vielleicht sogar das Stadion ausverkauft ist, sollten sich Konzertveranstalter und Promoter freuen. Glaubt man Berthold Seliger, gilt das aber nur noch für Kulturschaffende der alten Schule. Die Vertreter der heute den Markt dominierenden internationalen Großkonzerne zögen aus einer ausverkauften Location einen ganz anderen Schluss: Die Tickets waren zu billig.

Kulturelle Selbstbestimmung

Es gibt gute Gründe, Seliger zu glauben. Sein neuestes Buch „Vom Imperiengeschäft“ ist nicht nur ein leidenschaftliches Plädoyer für kulturelle Selbstbestimmung jenseits kapitalistischer Verwertungszwänge, sondern auch eine Analyse mit solidem Fundament: Seit Ende der Achtzigerjahre selbst europaweit als Veranstalter von Konzerten und Tourneen tätig, zeichnet Seliger mit reichlich Zahlen, Daten und Fakten nach, wie wenige große Firmen Konzerte zu Events degradieren, bei denen es am Ende nur um eines geht: Das Publikum mit Raubrittermethoden auszunehmen, es von Tickets, über Getränke bis hin zu Merchandise über die sprichwörtliche Theke zu ziehen, wo immer es möglich ist.

Kulturelle Vielfalt

Die Lektüre des Buches macht deshalb nicht nur schlauer, sondern auch sauer. Doch weil Seliger auf die Erinnerung an die in der Musikbranche mitunter tatsächlich guten alten Zeiten zurückgreifen kann und seine Analyse mit Adorno und Marx im Gepäck in den größeren, neoliberalen gesellschaftlichen Zusammenhang stellt, lässt er den Leser mit seiner Wut auf das Konzert der Großkonzerne nicht allein und liefert konstruktive, konkrete Vorschläge, um die gefährliche Macht von Firmen wie „Live Nation“ oder „CTS Eventim“ zu brechen, die nur an Superstars, nicht aber an kultureller Vielfalt interessiert sind.

Gegen die Machenschaften der großen, marktbeherrschenden Ticketfirmen, die trotz geringem unternehmerischen Risiko absurde „Servicegebühren“ fordern – wie die vom Bundesgerichtshof 2018 in ihrer damaligen Form verbotene Gebühr für „Print at Home“, also das eigenständige Ausdrucken von Konzertkarten am eigenen PC –, helfe zum Beispiel neben einer Regulierung des Marktes auch die Gründung einer öffentlichen, nicht-kommerziellen Ticketplattform. Und als Maßnahme gegen die stetige Gentrifizierung fordert Seliger einen umfassenden „Kulturortschutz“, der die Existenz soziokultureller Zentren und Clubs analog zum Denkmalschutz dauerhaft sichert.

Kulturelle Arbeiter

Vor allem aber gelte es, die prekären Arbeitsbedingungen in der Musik- und Kulturindustrie nicht als Lebensstil der Bohème zu verklären. Vielmehr sollten Kulturschaffende sich wieder als Arbeiter verstehen, sich organisieren und für ihre Rechte einstehen. Seligers Buch endet dann auch mit einem bekannten, leicht modifizierten Aufruf: „Musiker*innen aller Genres, organisiert euch!“

Berthold Seliger (* 1960) gründete in Fulda 1988 seine Konzertagentur, die seit 2014 als „Büro für Musik, Texte & Strategien“ firmiert. Er organisierte oder organisiert deutschland- und europaweit Tourneen für Musiker und Bands wie The Walkabouts, Tortoise, Calexico, Lambchop, Lou Reed oder Patti Smith. Neben seiner Tätigkeit als Konzertagent publiziert Seliger regelmäßig in renommierten Zeitungen und Zeitschriften wie Konkret, FAZ, Junge Welt oder Neues Deutschland. Nach „Das Geschäft mit der Musik“, „I Have A Stream“ und „Klassikkampf“ ist „Vom Imperiengeschäft“ sein viertes Sachbuch.

Eintritt frei

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