10 March 2019 Discussion/Lecture Shoah

Dokumentarfilm von Claude Lanzmann

Information

Event location

Hansa48
Hansastraße 48
24118 Kiel

Date

10.03.2019, 10:00 - 23:00 Hr

Themes

Politics of Memory / Antifascism

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Shoah ist ein zweiteiliger Dokumentarfilm von Claude Lanzmann aus dem Jahr 1985, in dem Zeitzeugen zur (zum) Schoah (Holocaust) (von hebräisch הַשׁוֹאָה ha'Schoah) befragt werden. Die Filmaufnahmen bestehen überwiegend aus Interviews und langsamen Kamerafahrten an den Orten, die Schauplätze waren für tausende Juden, die im Zweiten Weltkrieg dorthin deportiert wurden, um sie zu ermorden. Shoah ist mit neun Stunden ungewöhnlich lang und gilt als ein Meilenstein in der filmischen Auseinandersetzung mit der vom Deutschen Reich systematisch betriebenen Vernichtung der Juden.

Regisseur Lanzmann reiste 11 Jahre lang – von 1974 bis 1985 – durch Europa, in erster Linie durch Polen, um Zeitzeugen zu befragen. Der Film zeigt die Schauplätze Treblinka, Sobibor, Auschwitz, Chelmno und Warschau ohne jegliches Archiv- oder Fremdmaterial, sondern nur Aufnahmen aus dem Zeitraum und an den heutigen Orten dieser Reisen. Er unterbricht die Gespräche mit Aufnahmen von Güterzügen auf den Eisenbahnstrecken nach Treblinka oder anderen Vernichtungslagern. In wiederkehrenden Zyklen lässt Lanzmann die Waggons auf den heutigen Bahnhöfen der damaligen Vernichtungslager ankommen und rangieren.

Das zentrale Thema der Befragungen sind die Konzentrations- und Vernichtungslager während des Zweiten Weltkriegs und das Warschauer Ghetto. Lanzmann stellte die Zeugen mit seinen Fragen auf eine harte Probe; er ließ sie ununterbrochen filmen, auch wenn sie die Fassung verloren, weil sie die grausame Erinnerung nicht mehr ertragen konnten. Neben Opfern, die den Völkermord überlebt hatten, befragte Lanzmann auch Täter. Diese wurden teilweise mit versteckter Kamera gefilmt.

Der Film zeigt zudem ausführlich, wie die Stätten der damaligen Lager zum Zeitpunkt des Drehs ausgesehen haben (zwischen 1976 und 1984). An manchen Orten gibt es Gedenkstätten, an anderen fand er nur pflanzenüberwucherte Reste. Darauf haben Augenzeugen hingewiesen, wenn sie bestätigten, dass sich an dem Ort seither nichts verändert habe. Bilder von tristen Gegenden oder Gebäuden überlappen sich oft mit den akustischen Stellungnahmen einzelner Überlebender.

Die polnische Regierung protestierte vor der Uraufführung am 30. April 1985 in Paris bei der französischen Regierung gegen den Film und verlangte ein vollständiges Verbot, da der Film zeigt, dass Antisemitismus in der Volksrepublik Polen verbreitet fortbestand. Im Oktober 1985 – damals gehörte Polen noch zum Ostblock – wurde im polnischen Fernsehen ein 90-minütiger Zusammenschnitt gezeigt; in der anschließenden Diskussionssendung wurde der Film einmütig verurteilt.

Auch in Deutschland war die Ausstrahlung des Films nicht unumstritten. Während sich insbesondere der WDR dafür einsetzte, wehrte sich vor allem der Bayerische Rundfunk (BR) dagegen und sorgte, wie 1979 bei der Fernsehserie Holocaust, für eine Ausstrahlung in den Dritten Programmen statt in der ARD; der BR sendete Shoah zudem später als andere Landessender und zu einem ungünstigen Sendetermin.

Shoah zeigt und betont den Überlebenswillen der Augenzeugen/Überlebenden, der sich gegen unvorstellbare psychische Belastungen durchgesetzt hat. Ohne ihn könnten die Zeugen ihre Erinnerung später nicht den jüngeren Generationen vermitteln.


Der Filmkanon zur Vermittlung von Filmkompetenz an Jugendliche listet Shoah seit 2003. Bei der alle zehn Jahre von der Filmzeitschrift Sight & Sound durchgeführten Umfrage nach dem „besten Film aller Zeiten“ unter Filmkritikern wurde Shoah 2012 auf Platz 29 gewählt.

Im Anschluss an den neun-stündigen Film gibt es ein Gespräch mit David Hellbrück: Kunst nach Auschwitz: Claude Lanzmanns Filmkunstwerk und das Versagen der Sprache

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