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1 December 2020 Seminary Vive l‘indifférence: Die halbierte Öffentlichkeit der Externalisierungsgesellschaft

Teil des interdisziplinären Kolloquiums im Wintersemester 20/21

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Event location

Online

Date

01.12.2020, 18:00 - 20:00 Hr

Themes

Social Theory, Participation / Civil Rights

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Vive l‘indifférence: Die halbierte Öffentlichkeit der Externalisierungsgesellschaft

Ein neuer Strukturwandel in der Öffentlichkeit?

 

In der Öffentlichkeit erkennen, definieren und ordnen Gesellschaften ihre Probleme hinsichtlich ihrer Relevanz und Lösbarkeit. Als zwischen Zivilgesellschaft und Parlament vermittelnder Sphäre und allgemeinverbindlicher Sozialisationsinstanz kommt ihr hiermit eine zentrale Bedeutung für die politische Ordnungsbildung zu. Die Entwicklungsdynamiken in diesem Bereich hat Jürgen Habermas in seinem Anfang der 1960er Jahre erschienenen Buch zum ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ untersucht. Oskar Negt und Alexander Kluge konterten es mit ihrer Untersuchung „Öffentlichkeit und Erfahrung“. Das war 1972.
Unter jetzigen Bedingungen von Globalisierung, Digitalisierung und einer anhaltenden Kommodifizierung von Arbeit und Privatsphäre – so der Ausgangspunkt der geplanten Reihe – hat die Sphäre der Öffentlichkeit seitdem einen weiter anhaltenden Transformationsprozess durchlaufen. Diesen mit Blick auf ihre politischen Funktionsdynamiken zu reflektieren, ist das Interesse der geplanten Vortragsreihe. Zur Debatte steht wie so oft, inwieweit die neuen Produktivkräfte der mehr und mehr digital vorgeformten Öffentlichkeit, Fortschritt befördern oder ein Hemmschuh sind. Oder sind unter den heutigen Bedingungen, wie sich Öffentlichkeit herstellt, Aushandlungsformen über Diskurs und Argument kaum mehr möglich? Wenn doch, wie steht es um die emanzipative Dimension unserer heutigen Öffentlichkeit?

 

Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg, in Kooperation mit der Universität Hamburg, Institut für Soziologie, Dr. Martin Seeliger.
Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg

 

 

Stephan Lessenich: Vive l‘indifférence: Die halbierte Öffentlichkeit der Externalisierungsgesellschaft  

 

Die Öffentlichkeit der modernen, demokratisch-kapitalistischen Gesellschaft hat einen großen blinden Fleck: Die strukturellen Voraussetzungen und Konsequenzen ihres sozialen Reproduktionsmodells sind ihr der öffentlichen Rede, Verhandlung und Auseinandersetzung nicht wert.
Moderne, demokratisch-kapitalistische Gesellschaften sind Externalisierungsgesellschaften: Sie müssen die sozialen und ökologischen Kosten ihrer Funktions- und Integrationsweise notwendig einer externen (bzw. als extern konstruierten) gesellschaftlichen und natürlichen Umwelt auferlegen.
Alle westlichen Industriegesellschaften sind insofern, je auf ihre Art, „Exportweltmeister“. Die Bundesrepublik Deutschland etwa hat große Teile ihrer schmutzigen Produktion externalisiert – über die Importe von Energie und Rohstoffen exportiert sie die darin enthaltenen Umweltbelastungen (und schönt so die eigene Emissionsbilanz). Ähnliches gilt für den Export schlechter Arbeit in die Bergwerke und Nähfabriken dieser Welt, für den externalisierten Flächenbedarf für die Produktion von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln (und die damit einhergehenden Umweltverwüstungen und Gesundheitsschäden) – aber auch für die Auslagerung der sozialen Realität des Krieges, im Sinne des Exports von Rüstungsgütern ebenso wie der Beförderung von blutigen Ressourcenkonflikten und der Aufrechterhaltung eines mörderischen Grenzregimes.
Der geplante Beitrag geht den Produktions- und Reproduktionsbedingungen der faktischen Gleichgültigkeit demokratisch-kapitalistischer Gesellschaften für die Produktions- und Reproduktionsbedingungen des demokratisch-kapitalistischen Gesellschaftsmodells nach. Und er fragt nach den Möglichkeiten des Strukturwandels einer Öffentlichkeit, die sich in ihrer halbierten Aufmerksamkeitsökonomie zugleich als Produkt wie als Produzentin gesellschaftlicher Indifferenzverhältnisse darstellt.

 

Stephan Lessenich ist Soziologe und Professor für Soziologie an der Ludwigs-Maximilian Universität München. Er gründete mit Klaus Dörre und Hartmut Rosa das DFG-Kolleg Postwachstumsgesellschaften an der Universität Jena. Gemeinsam veröffentlichen sie 2009 die Selbstverständigung „Soziologie – Kapitalismus – Kritik“. 2016 veröffentlichte er seine Kritik der „Externalisierungsgesellschaft“ – „Neben uns die Sintflut“. Zuletzt erschien im Reclam Verlag „Grenzen der Demokratie“, ein Essay über Teilhabe als Verteilungsproblem.

 

 

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