Im März 1914 sprach die bekannte Sozialistin und Antimilitaristin Rosa Luxemburg in Freiburg gegen den Krieg. Während es in der Stadt zahlreiche Kriegsdenkmäler gibt, erinnert öffentlich nichts an Luxemburgs Friedensrede.
Dr. Jörn Schütrumpf, Autor und Historiker aus Berlin spricht hierzu am 2.4. um 19 Uhr in der Aula der Hebelschule im Stühlinger.
Veranstalter: Initiative OdE - Orte der Erinnerung Freiburg, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Freiburg, 7. März 1914 An diesem für die Stadt denkwürdigen Samstag hielt Rosa Luxemburg, promovierte Nationalökonomin und Publizistin, in der Kunst- und Festhalle im Stadtgarten vor etwa 5000 Anwesenden eine bedeutende Rede: Sie warnte eindringlich vor der heraufziehenden Kriegsgefahr und rief dazu auf, sich nicht am »gegenseitigen Morden« zu beteiligen, sondern »in Völkerverbrüderung den Fortschritt zu fördern«. Gastgeberin war die SPD, zu deren linken Flügel Rosa Luxemburg gehörte und für die sie als Dozentin an der Parteischule in Berlin tätig war. Doch die flammende Freiburger Friedensrede war vergeblich.
Urkatastrophe 1. WK Am 4. August 1914 stimmte die SPD-Fraktion im Reichstag der Aufnahme von Kriegskrediten und damit der Mobilmachung zu. Kurz davor, am 1. August, hatte das deutsche Kaiserreich dem zaristischen Russland, und am 3. August Frankreich den Krieg erklärt. Wilhelm II. folgte damit Österreich-Ungarns Kriegserklärung an Serbien – und löste die »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« aus. Der Erste Weltkrieg kostete 17 Millionen Menschen das Leben, er hinterließ unzählige Versehrte sowie ungelöste Probleme. Die Freiburger Kunst- und Fest halle, Ort des Friedensappells, wurde von 1914–1916 zum Kriegslazarett.
Politische Biografien Schon am 5. August 1914 gründete Rosa Luxemburg die »Gruppe Internationale« (ab 1916: »Spartakusbund«), die sich 1917 der Abspaltung von der SPD, der »Unabhängigen SPD« (USPD), anschloss. Führend war hier auch der Rechtsanwalt und Reichstagsabgeordnete Dr. Karl Liebknecht, der 1916 inhaftiert wurde. Rosa Luxemburg war bereits im Februar 1915 u. a. wegen ihrer Friedensreden verhaftet worden und verbrachte bis zum Kriegsende 1918 drei Jahre und vier Monate in Gefängnissen. Am 9. November 1918 rief Karl Liebknecht die Räterepublik und Mehrheits-SPD-Mitglied Philipp Scheidemann in Berlin die »deutsche Republik« aus. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden im Zuge des »Spartakusaufstands« am 15. Januar 1919 von Mitgliedern eines rechtsradikalen Freikorps brutal ermordet.
Stadtgarten bis 1944 In Freiburg gedachte man in der Weimarer Zeit nicht weiter der pazifistischen Rede Rosa Luxemburgs. Stattdessen wurde 1925 am Nordrand des Stadtgartens »Den Helden des 113. Badischen Infanterieregiments« (Inschrift) ein Denkmal aufgestellt, eine Betonstele mit Soldatenhelm als Bekrönung. Das im Volksmund »Hutständer« genannte martialische Werk bildet eine kriegsverherrlichende Achse mit dem – 2017 wieder an den alten Platz zurückgekehrten – »Siegesdenkmal« von 1876, das nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 vor der Karlskaserne errichtet worden war. Nur etwa 14 Jahre überdauerte die Weimarer Republik: Am 31. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Im Zweiten Weltkrieg, den NS-Deutschland 1939 vom Zaun brach, starben bis zum Kriegsende 1945 über 60 Millionen Menschen, 6 Millionen fielen dem Holocaust zum Opfer. Im Freiburger Stadtgarten wurde die 1854 erbaute Kunst- und Festthalle bei der Bombardierung am 27. November 1944 zerstört, dazu zahlreiche Skulpturen, die um 1900 im Park aufgestellt worden waren.
Kunst im Stadtgarten heute Im belebten Stadtgarten erinnern weder Hinweistafel noch Kunstwerk an die zerstörte Festhalle, die fast ein Jahrhundert lang eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben der Stadt eingenommen hatte. Ebensowenig wird dort der Rede Rosa Luxemburgs gedacht, die Teil gewaltiger Friedensmanifestationen im gesamten Deutschen Reich gewesen war. Stattdessen reihten sich unzusammenhängende Skulpturensetzungen aneinander: 1950 »Die Wartende« des in der NS-Zeit mit Berufsverbot belegten Künstlers Richard Engelmann, 1953 das »Erpel«-Denkmal von Richard Bampi, 2000 das »Windspiel« von Roland Phleps und im selben Jahr die vor zehn Jahren vandalisierte, seither kopflose Marmorskulptur »Ilumina« von Till Peter Otto.
Initiative Es besteht Handlungsbedarf. Doch es fehlt ein Masterplan, der u. a. die Erinnerung an Rosa Luxemburg wachhält. Seit einigen Jahren setzt sich die Initiative »Orte der Erinnerung« dafür ein, dass sie und damit auch die Festhalle wieder in das kollektive städtische Gedächtnis Freiburgs zurückkehren. In der Initiative arbeiten Historiker:innen, Kommunalpolitiker: innen, Kunst- und Kulturexpert:innen und bürgerschaftlich engagierte Menschen zusammen, die in diesem Jahr, 111 Jahre nach der Friedensrede, einen neuen Anlauf unternehmen.
Einladung In zahlreichen Städten, darunter Mannheim, Frankfurt und Berlin, wird Rosa Luxemburgs in Form von Gedenktafeln, figürlichen Denkmälern und Parkbenennungen gedacht. Wie kann der Erinnerung in Freiburg angemessen Ausdruck verliehen werden? Sie sind eingeladen, sich am 2. April nach einem Vortrag von Dr. Jörg Schütrumpf, Historiker und Experte für Leben und Werk von Rosa Luxemburg, darüber auszutauschen.
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