News | Afrika - International / Transnational Ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit im südlichen Afrika

Nahrungsmittelsicherheit, die Rolle der Bauern und die wachsende Bedeutung von Supermarktketten standen im Mittelpunkt eines dreitägigen Workshops des RLS-Regionalbüros Südliches Afrika.

An dem Workshop vom 30. Juni bis 2. Juli 2010 in Johannesburg nahmen ExpertInnen aus fünf Ländern der Region, aus Politik, Universitäten, internationalen Organisationen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen teil.

Die Ernährungssituation insbesondere der Ärmsten und Schwächsten ist in vielen Ländern des südlichen Afrikas kritisch. Ein Drittel der Kinder in Simbabwe leiden nach Angaben einer Studie von UNICEF an Mangelernährung. Etwa 12.000 Todesfälle von Kindern sind auf die unzureichende Ernährung - auch von Schwangeren - zurückzuführen. Nur 8,4 Prozent der untersuchten Kinder in Simbabwe, so die UNICEF-Studie, sind ausreichend ernährt. Im Nachbarland Mosambik sind in Folge von Dürren und Überschwemmungen 456.000 Menschen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Das «World Food Programme» kann dort aber derzeit nur 175.000 Menschen versorgen.
Eine der Ursachen von Unter- und Mangelernährung im Südlichen Afrika ist das geringe Produktionswachstum in der Landwirtschaft, das mit der wachsenden Bevölkerung nicht Schritt hält. Daneben wirken sich der globale Klimawandel, der in Teilen Afrikas vermehrt zu einem unheilvollen Wechsel von Dürren und Überflutungen führt, die wachsende Nutzung landwirtschaftlicher Flächen durch aus- und inländische Investoren für den Nahrungsmittelexport und die Biotreibstoffproduktion sowie die Agrarsubventionen der Industrieländer negativ auf die Nahrungsmittelproduktion und -sicherheit in der Region aus.

Die TeilnehmerInnen des RLS-Workshops konzentrierten sich zunächst auf die endogenen Möglichkeiten, die Nahrungsmittelproduktion auszuweiten. Professor Ben Cousin von der University of the Western Cape (Kapstadt) plädierte für einen neuen Anlauf in der Landreformpolitik. „Was wir brauchen ist neben den vielen Kleinbauern, die lediglich für den Eigenbedarf produzieren und wenigen Großagrarunternehmen, eine Stärkung produktiver mittelgroßer Landwirtschaftsbetriebe.“ Um Nahrungsmittel ausreichend und günstig für die wachsende städtische Bevölkerung bereitstellen zu können, müssten diese mittelgroßen Landwirtschaftsbetriebe bei der Landreform bevorzugt und durch Subventionen sowie technische Hilfen gefördert werden. Einige TeilnehmerInnen zeigten sich besorgt, dass die arme Landbevölkerung durch eine zu starke Förderung der mittelgroßen Landwirtschaftsbetriebe weiter ins Hintertreffen geraten könnte.

Als 2008 die Preise für Nahrungsmittel weltweit stark anstiegen, kam es in einigen Ländern Afrikas zu militanten Protesten. Seitdem sind die Nahrungsmittelpreise nur leicht zurückgegangen. Mit der weltwirtschaftlichen Erholung steigen die Preise allerdings wieder an, so dass sich im südlichen Afrika die Versorgung der Ärmsten mit preisgünstigen Nahrungsmitteln erneut verschlechtern könnte.

Sinya Mbale von der sambischen Nichtregierungsorganisation Conservation Farming Unit, die der dortigen Farmarbeitergewerkschaft nahe steht, löste mit seinem Hinweis auf brachliegende Produktivitätspotenziale aufgrund falscher (traditioneller) Anbautechniken als hausgemachte Ursache der schwachen Produktionszunahme der afrikanischen Landwirtschaft eine kontroverse Diskussion unter den WorkshopteilnehmerInnen aus. „Der Klimawandel ist häufig nur eine Ausrede. Wir müssen anders produzieren, weniger pflügen und einheimische pflanzliche Dünger verwenden, dann können wir in Afrika mehr, kostengünstiger und nachhaltig produzieren“, so Mbale.

Neben Erfahrungen aus einzelnen Ländern der Region wurde auch über die wachsende Rolle von Supermärkten in der Vermarktung von landwirtschaftlichen Gütern diskutiert. Edward Dakora von der «Cape Peninsula University of Technology» machte die Urbanisierung, die neue Mittelschicht und ihre Konsumwünsche und die Expansionsstrategie der Supermarktketten für deren Bedeutungszuwachs verantwortlich. Ihre Marktmacht stellt die Agrarproduzenten vor besondere Herausforderungen an Qualität, Quantität und Kosteneffektivität, denen insbesondere die kleinen und mittleren Familienbetriebe nicht gewachsen sind. Die Bildung von landwirtschaftlichen Kooperativen wurde als eine Möglichkeit genannt, sowohl um sich als Lieferant für Supermärkte zu qualifizieren, aber auch um sich gemeinsam gegen die Macht der Supermärkte besser zu behaupten. Vishwas Satgar von der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation COPAC («Cooperative and Policy Alternative Center») sah in der Bildung von Genossenschaften mehr als nur die Möglichkeit für Kleinbauern sich auf dem Markt besser zu behaupten. Er sieht in Kooperativen tragende Elemente einer solidarischen Ökonomie, nicht nur um gemeinsam zu produzieren und zu konsumieren, sondern auch als Alternative zum Markt überhaupt.

Armin Osmanovic, Leiter des RLS-Regionalbüros Südliches Afrika in Johannesburg