Presse release | Jugendbildung Linke Jugend in Bewegung

300 Jugendarbeiter diskutieren über linke Jugendorganisation (LinksZeitung, 16.10.2005)

Die Veranstalter  waren selbst nicht so ganz von ihrem Motto überzeugt, sonst hätten sie hinter „Es kommt die Zeit für eine linke Jugendbewegung!?“ wohl kaum ein Fragezeichen zum Ausrufezeichen gesetzt. Aber ob Frage oder Feststellung - die Teilnehmerzahl hat alle Erwartungen übertroffen.. Auf Einladung der Rosa Luxemburg Stiftung  kamen am Samstag rund 300 vorwiegend junge Menschen nach Berlin, um die Chancen eines  linken Jugendverbandes auszuloten.

Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt. Seit sich die Linke in Deutschland neu formiert, gibt es auch in linken Jugendgruppen Diskussionen, ob und wie eine stärkere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Initiativen möglich ist. Zudem erhält man für das Thema bei der  Linkspartei derzeit viel Aufmerksamkeit, zumal bei der Bundestagswahl der Anteil der Erstwähler geringer war, als der von anderen Altersgruppen. Die Veranstalter waren dennoch vorsichtig. Sie warnten schon im Vorfeld vor der Illusion, auf dem Berliner Treffen könne ein neuer linker Jugendverband aus der Taufe gehoben werden. „Da wären die Erwartungen zu hoch gesteckt. Der Sinn dieser Konferenz ist es, dass wir uns gegenseitig kennen lernen. Wir bieten ein Forum, an dem sich Vertreter von sehr vielen unterschiedlichen Organisationen beteiligen und gemeinsam auf Podien oder in Arbeitsgruppen diskutieren“, sagte das Vorstandsmitglied der Jugendorganisationen Solid und Mitorganisator des Kongresses, Marco Heinig.  Die Zurückhaltung hat gute Gründe: Gerade im Jugendbereich gibt es diverse linke Organisationen, die sich trotz geringer inhaltlicher Unterschiede in der alltäglichen Arbeit als Konkurrenten, manchmal sogar als Gegner betrachten. „Da ist es nicht einfach, von einem Tag auf den anderen in einem gemeinsamen Verband zu arbeiten. Daher war es wichtig, mal miteinander zu diskutieren, ohne sich gegenseitig gleich überzeugen zu müssen. Schließlich sind wir alle Linke“, meinte eine Berliner Teilnehmerin.       In Arbeitsgruppen wurden fast alle Themenfelder angesprochen, die zur Zeit junge Leute beschäftigen. Es ging um den Kampf gegen Studiengebühren, Jugendarbeitslosigkeit oder Neonazis. Besonders häufig wurde auf die beginnende Mobilisierung gegen das G8-Treffen im Jahr 2007 im norddeutschen Städtchen Heiligendamm bei Rostock Bezug genommen. Viele Aktivisten scheinen sich von einem großen Protest-Event Rückenwind für ihre Arbeit zu versprechen. Aber es gab auch Stimmen, die warnten, man solle  bei der Vorbereitung von Gipfelprotesten die aktuelle Arbeit vor Ort nicht vergessen. Mehrere Junggewerkschafter wiesen auf die Situation in den Betrieben hin. Sie erinnerten daran, dass bei Streikaktionen, wie im vergangenen Jahr bei Opel, junge Gewerkschafter immer in der ersten Reihe zu finden waren. Studentische  Aktivisten aus Baden-Württemberg machten darauf aufmerksam, dass in dem südwestlichen Bundesland die Einführung der Studiengebühren bevorsteht. Für den 30. November wird zu einen landesweiten Protesttag  aufgerufen, der auch bundesweit von Bedeutung ist. Baden-Württemberg ist ja nur der Vorreiter bei der Einführung von Studiengebühren.Vertreter von Solid 36 aus Berlin-Kreuzberg stellten ein Projekt vor, mit dem der vor kurzem angelaufenen „Du bist Deutschland"-Kampagne Paroli geboten werden soll. Die Gegenkampagne soll an den alltäglichen Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung  vieler  Jugendlicher anknüpfen. „Wir wollen die gesellschaftlichen Spaltungen aufzeigen, die durch die offizielle Kampagne zugekleistert werden sollen“; erläuterte Arian Wendel von Solid 36.  Zahlreiche weitere Vorschläge und Projekte sollen bei kommenden Treffen konkretisiert werden. So regten mehrere Redner an, das geplante Bundesjugendtreffen der PDS in einen breiteren linken Jugendkongress umzugestalten. Von verschiedener Seite wurde aber auch davor gewarnt, jetzt überstürzt auf einen linken Jugendverband hinzuarbeiten. Die Strukturen müssten vielmehr allmählich von unten wachsen. Immer wieder erinnerten Redner daran, dass viele aktive linke Jugendgruppen, gerade aus der antifaschistischen Szene, auf dem Kongress gar nicht vertreten waren. Weitgehend ausgespart blieb die Diskussion über das Verhältnis von Jugendverband und Linkpartei. Weitgehender Konsens schien aber darin zu bestehen, dass man keine unkritische Parteijugend sein will und auf weitreichende Autonomie besteht. Für künftige Treffen dürfte es nach diesem Samstag noch eine Menge Diskussionsbedarf geben.