Presse release | transformationen

Geschlechterverhältnisse in Ostdeutschland nach dem DDR-Anschluß (junge welt, 19.09.2005)

Im Oktober 2003 widmeten die Mitglieder des wissenschaftlichen Arbeitskreises »Transformation in Ost und West aus der Geschlechterperspektive« der Rosa-Luxemburg-Stiftung ihrem Forschungsgebiet eine Tagung. Die Vorträge dieser Konferenz können nun endlich in dem Buch »Irritation Ostdeutschland. Geschlechterverhältnisse seit der Wende« nachgelesen werden.

Den ersten Schwerpunkt bildet das Thema Transformationen moderner Gesellschaften. Irene Dölling setzt sich mit dem »biographischen Gepäck« auseinander, das die Mehrheit der Ostdeutschen noch immer nicht abgelegt habe, zu dem das Beharren auf Vollzeitbeschäftigung für Männer und Frauen sowie der Sinn für soziale Gerechtigkeit gehöre. Sie fragt, ob und wie dieses Gepäck hilft angesichts des radikalen Umbaus der gesamten Gesellschaft.

Zwei Aufsätze blicken über Ostdeutschland hinaus nach Rußland und Bulgarien. Eva Maria Hinterhuber berichtet, daß sich mehrheitlich Frauen im heutigen Rußland in den 75 000 aktiven Nichtregierungsorganisationen engagierten. Weitverbreitet sei in Bulgarien, so Ana Luleva, in Anpassung an den Westen die Orientierung an traditionellen, konservativen Geschlechterordnungen.

Das zweite inhaltliche Feld – Identitätskonstruktionen – leitet Ina Dietzsch ein, die feststellt, daß der Osten eine Erfindung des Westens war, der auf diesem Gegenbild – das Fremde, Andere, Unmoderne – alles Negative abladen konnte. Die »Wende« habe die DDR-Bürger »verostet«. Ingrid Miethe konstatiert, die nachwachsende ostdeutsche Generation habe bereits internalisiert, daß Deutschland Westdeutschland bedeute.

Die ostdeutschen Männer sind Thema in gleich vier Beiträgen. Im dritten Themenblock – Geschlechterpolitiken – gehen Ronald Lutz und Petra Drauschke der Situation alleinstehender ostdeutscher Frauen nach und betrachten dabei auch die Auswirkungen des Sozialabbaus. Hanna Behrends Essay über die »Vater-Mutter-Kind(er)-Familie« begegnet den noch immer weitverbreiteten Vorurteilen gegenüber berufstätigen Müttern in der DDR.

* Eva Schäfer, Ina Dietzsch, Petra Drauschke u.a. (Hrg.): Irritation Ostdeutschland. Geschlechterverhältnisse seit der Wende. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2005, 252 Seiten, 19,90 Euro