Presse release | Wenn wir...

Am Wochenende lernten Linke in Berlin von Rosa Luxemburg. Nachbetrachtung einer Konferenz (junge welt, 8.3.2006)

Es war ein passender Anlaß für die Wiedereröffnung des großen Konferenzraums am Franz-Mehring-Platz in Berlin. Zwei Tage vor dem 135. Geburtstag ihrer Namenspatronin hatte die Rosa Luxemburg Stiftung am Wochenende nach Berlin eingeladen. Um über Rosa Luxemburg zu diskutieren. Stiftungsvorstand Evelin Wittich konnte zahlreiche in- und ausländische Gäste von Venezuela bis Norwegen begrüßen und sah dies als ein Beleg dafür, daß »Rosa nichts an ihrer Ausstrahlung für die Linke verloren hat«.

Der engen Verbindung Luxemburgs zu den Künsten wurde Rechnung getragen. Die engagierte Malerin und Graphikerin Heidrun Hegewald machte den Anfang, las Luxemburg-Texte, begleitete von der Solotänzerin Angela Reinhardt. Gelungen war auch die Abendveranstaltung mit Hans-Eckardt Wenzel. Wortgewaltig und ohne Ermüdungserscheinungen jonglierte Wenzel gekonnt mit der Sprache. Und auch sonst begleitete künstlerische Auseinandersetzung mit den Ideen Luxemburgs die Konferenz. Alle Diskussionsmodule begannen mit musikalisch-szenischen Programmen, die exklusiv konzipiert worden waren.

Doch schon zu Beginn wurde deutlich, daß es nicht nur um eine Würdigung der Jubilarin ging. Zu lange sei sie auf ihre Rolle als Märtyrerin reduziert worden, ja sogar als »Dekoration des Sozialismus mißbraucht, während über ihrem Denken fast bis zum Ende der DDR ein Verdikt schwebte«, so der Historiker Jörn Schütrumpf. Noch heute sei sie vielen nur als stumme Ikone erträglich – und nützlich. Dabei seien ihre Auffassungen gerade für die Linken sehr aktuell.

Diese Aktualität wurde in den vier Modulen und sieben Foren thematisiert. Das von Dorothea Schmidt moderierte zweite Modul mit Georg Fülberth und Michael R. Krätke gehörtezu einem der Höhepunkte. Das Gespräch zwischen Fülberth und Krätke, die neun Fragen zum Kapitalismus beantworten sollten, entwickelte sich zu einer hochwertigen Bildungsveranstaltung. Am Ende konstatierte Fülberth: »Was bleibt von Luxemburg? Viele Fragen, die sie nicht beantwortet hat«.

Eine dieser von Luxemburg unbeantworteten Fragen stand im Mittelpunkt des dritten Moduls. Unter dem Titel »Mit lebendigen Klassenverhältnissen rechnen – Strategie und Taktik politischen Kampfes in der Tradition Luxemburgs« wurde versucht, sich der Frage der Spontaneität und Selbstbeteiligung der Massen zu nähern. Dabei zeigte Gilberto Lopez y Rivas aus Mexiko-Stadt die Widersprüche der modernen bürgerlichen Demokratietheorie und -praxis Lateinamerikas auf.

Im letzten Modul, das den Titel »Eine neue Linke ist möglich!« hatte, stellte Michael Brie die Frage »Was hätte Rosa uns gesagt?« und gab drei mögliche Antworten. In Zusammenhang mit der Kuba-Diskussion konstatierte er, daß die Zeit der Beliebigkeit und abstrakter Erklärungen vorbei ist. Die Linke dürfe nicht verlernen zu lernen. Sie müsse sich angesichts der wachsenden Bedrohungen der Grundlagen menschlicher Zivilisation radikalisieren, aber ohne in Extremismus zu verfallen, ohne die Machtungleichheit zu ignorieren. »Die Linke ist nur links, wenn sie vom Standpunkt derer auf die Gesellschaft blickt, die durch die herrschenden Verhältnisse unterdrückt, ausgebeutet, ausgegrenzt und entwürdigt werden«, so Brie. Eine Partei, die sich für die Rehabilitierung der Dissidenten der DDR eingesetzt habe, dürfe nicht schweigen, wenn andere Staaten mit den gleichen Mitteln eine gleiche Verfolgung politisch Andersdenkender vornähmen. Soziale und partizipative Demokratie könne nur zusammen gedacht werden. Brie: »Für Rosa Luxemburg war der Kampf für den Sozialismus vor allem ein Kampf gegen die Barbarei. Sozialismus war für sie die notwendige Bedingung, um dem Untergang in die Barbarei zu entgehen. Niemals wäre es für sie hinnehmbar gewesen, selbst zu den Mitteln der Barbarei zu greifen«.

Diese kleine große Frau, radikale Demokratin und unbestechliche Sozialistin wird weiterhin ein Thema für die Linken sein. Wie sagte sie noch: »…wir sind nicht verloren und wir werden siegen, wenn wir zu lernen nicht verlernt haben«.