News | International / Transnational - Europa Sicherheit und Zusammenarbeit im Schwarzmeer-Raum?

Die Schwarzmeer-Region rückt wegen ihrer politischen und ökonomischen Bedeutung, aber auch ihres enormen Konfliktpotenzials, zunehmend ins Blickfeld der internationalen Diskussion. Bericht über ein sicherheitpolitisches Seminar der RLS in Odessa.

Unter dieser Überschrift fand Mitte Mai im ukrainischen Odessa ein internationales Seminar statt, das gemeinsam von der RLS und ihren Partnern, dem Institut für internationale Beziehungen der Universität Kiew und dem Zentrum für internationale Studien der Universität Odessa, organisiert wurde. Neben den Ausrichtern nahmen Wissenschaftler und Experten aus Rumänien, Bulgarien, Moldowa, der Türkei und Georgien teil.
Die Schwarzmeer-Region, noch zu Zeiten des „kalten Krieges“ ein Randgebiet, rückt wegen ihrer politischen und ökonomischen Bedeutung, aber auch ihres enormen Konfliktpotenzials, zunehmend ins Blickfeld der internationalen Diskussion. Die Ukraine und Georgien streben nach Mitgliedschaft in der NATO, und auch die EU wird durch die bevorstehende Aufnahme Rumäniens und Bulgariens 2007 zum direkten Anrainer. Die schwelenden Konflikte im Kaukasus und um die abtrünnige „Republik Transnistrien“, der Streit um die Transportwege von Öl und Gas aus dem Kaspi-Becken und um die Zukunft des Stützpunktes der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol bergen gefährlichen Zündstoff. Während Russland und die Türkei am liebsten den Status quo einfrieren möchten, stimmten Rumänien und Bulgarien der Einrichtung von NATO-Luftstützpunkten zu und betreiben, sekundiert von den USA, den freien Zugang von NATO-Kriegsschiffen zum Schwarzen Meer und damit die Revision der Meerengen-Konvention von Montreux.
Genug Stoff also für eine breite, auch kontroverse Diskussion auf dem Seminar. In den Beiträgen von Iulian Chifu, Direktor des Zentrums für Konfliktverhütung in Bukarest, und Angel Angelov von der Universität Sofia wurde deutlich, dass die heutigen und künftigen Mitglieder von NATO und EU in ihrer Mitgliedschaft den einzig gangbaren Weg sehen und sich davon die Lösung ihrer Probleme erhoffen. Hingegen warnte Mustafa Türkeş von der Universität Ankara ausgehend von den türkischen Erfahrungen seit den 1950-er Jahren: Wenn man mit dem Wolf ins Bett geht, muss man auch die Folgen bedenken. Frank Unger von der FU Berlin unterstrich, dass die Schwarzmeerstaaten eine schwierige Wahl zu treffen haben und gut daran täten, sich nicht blind an die USA zu binden, die ausschließlich nach ihren eigenen Interessen handeln und die der anderen nur zu oft missachten. Die USA stünden vor einem Dilemma, so Volodymyr Dubovyk von der Universität Odessa: Demokratie oder Stabilität. Wie in Aserbaidschan geschehen, geben sie stets der Stabilität und der Sicherung ihres Einflusses den Vorzug und ignorieren demokratische Werte.  
In der Debatte war man sich einig darin, dass die Staaten der Schwarzmeer-Region im eigenen Interesse nach Wegen zu gemeinsamer Sicherheit und Zusammenarbeit suchen müssen. Damit eng verbunden ist die innere demokratische Entwicklung, die in verschiedenen Staaten noch erhebliche Defizite aufweise. Als übergreifendes Problem wurde der gemeinsame Kampf gegen Terrorismus und Drogenschmuggel benannt. Der engeren Kooperation soll auch die weitere Ausgestaltung der bereits existierenden Allianz von Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldowa (GUAM) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Schwarzmeer-Region (BSEC) dienen. Umso wichtiger ist dies angesichts gefährlicher Konflikte in benachbarten Regionen, wobei zu Recht auf den Nahen Osten und die Kriegsdrohungen gegen Iran hingewiesen wurde.
Kein Land dürfe, so der allgemeine Tenor, von der Kooperation ausgeschlossen werden. Auch die Interessen Russlands als bedeutender Regionalmacht seien anzuerkennen, allerdings im Kontext der neuen Realitäten und gleichberechtigt mit den anderen neu entstandenen Staaten. Die Tatsache, dass der jahrhundertelange Streit zwischen Russland und der Türkei um das Schwarze Meer beendet ist, sei ein Segen für die Region. Es wurde allgemein bedauert, dass kein russischer Vertreter die Einladung nach Odessa wahrgenommen hatte.
Die Beiträge des Seminars werden in einer Publikation der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Rahmen eines Projektes zu Systemtransformation und Konfliktprävention in den post-sowjetischen Staaten wird sich die RLS auch weiterhin mit diesem Thema, das auch die Kaukasus- und die Kaspi-Region umfasst, beschäftigen.