News | International / Transnational Deutscher Archivtag

Die RLS stellte das »South African Labour History Project« vor, ein durch die Stiftung gefördertes gewerkschaftliches Online-Archiv in Südafrika.

Vom 26. – 29. September 2006 fand in Essen der diesjährige Deutsche Archivtag statt. Traditionell vom Fachverband Verein deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. alljährlich an einem anderen Ort ausgerichtet, war das diesjährige Forum der Themenstellung „Archiv und Öffentlichkeit“ gewidmet. Dabei wurde die Frage nach der Wahrnehmung der Archive in der Öffentlichkeit gestellt und ihre Funktion bei der Verwirklichung des Zugangs zu Informationen für verschiedene Zielgruppen untersucht. Dargestellt wurden die Möglichkeiten der Archive, sich den potentiellen „Kunden“ zu präsentieren, die Bestände publik zu machen und auch dem jeweiligen Träger den Wert des Archivgutes bewusst zu machen.

In Arbeits- und Sektionssitzungen  wurden zu Schwerpunkten diskutiert wie: Herausforderungen an die Archive in ihrem Umfeld, Bewertung und Erschließung für die Gesellschaft, Archive und ihre Träger, Netz als „Öffentlichkeit“, Traditionelle Öffentlichkeitsarbeit und modernes Marketing und
Open Access: Freier Zugang zu Kulturgut in Archiv, Bibliothek und Museum. Das Archiv Demokratischer Sozialismus der Rosa Luxemburg Stiftung e.V. wurde durch Dr. Jochen Weichold und Christine Gohsmann vertreten.

Das von der Rosa Luxemburg Stiftung in Südafrika geförderte Online-Archiv-Projekt „South African Labour History Project“ (SALHP) war Gegenstand des Vortrags von Christine Gohsmann in der Sektionssitzung „Netz als Öffentlichkeit“ zum Thema „Radio, CD-ROM und Internet – gleichberechtigte Marketing-Instrumente eines NGO-Archivprojektes“. Ausgehend von der Darstellung der Veränderungen in der Archivlandschaft Südafrikas nach 1990 und der Quellen- und Überlieferungslage hinsichtlich der Dokumentation der Geschichte der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung wurden Aussagen zur Bedeutung von NGO-Archiv- und Geschichtsprojekten getroffen. Im Anschluss wurde das als Online-Archivprojekt konzipierte SALHP näher vorgestellt.

Durch landesweite Recherchen und Feldforschung werden von den ProjektmitarbeiterInnen Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Archiven, Bibliotheken, Museen und Einrichtungen ermittelt und digitalisiert, um dann online präsentiert zu werden. Im Zentrum der Forschung stehen bedeutende Aktionen des Protestes unter Führung der Gewerkschaften gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der Arbeiter. Seminare und Workshops werden dazu genutzt, um mit ehemaligen Gewerkschaftsaktivisten ins Gespräch zu kommen. Interviews (oral history) dienen der Aufzeichnung der Erinnerungen an diese Protestaktionen und ergänzen ebenso wie persönliche Dokumente, Fotos und Aufzeichnungen die vorhandenen Überlieferungen. Sie werden für die inhaltliche Gestaltung der CD-ROMs oder als Tondokument für Radiofeatures etc. genutzt. Da das Radio in Südafrika das Medium mit der größten Reichweite ist, kann auch im Zeitalter der Neuen Medien bei der Werbung für ein Online-Projekt nicht auf dieses traditionelle Medium verzichtet werden.

Im Ergebnis der weltweiten Unterstützung des Kampfes gegen die Apartheid-Politik befinden sich auch Archivbestände und Nachlässe von südafrikanischen Persönlichkeiten und Organisationen im Ausland. Daher ist die Online-Präsentation (http://www.labourhistory.org.za) der digitalisierten Dokumente und Publikationen wichtig für die nationale und internationale Vernetzung und den Informationsaustausch.

In der Sektionssitzung stellte Tom Sello (Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.) ein Multimediaprojekt des Archivs der DDR-Opposition und der Bundeszentrale für politische Bildung vor. Zum Thema „Jugendopposition in der DDR“ wurde ein Internetauftritt (http://www.jugendopposition.de)  erstellt und eine DVD produziert.
Dr. Kellner (Bayerische Staatsbibliothek München) nutzte das Beispiel Bayerische Staatsbibliothek Online (BLO), um das Gemeinschaftsprojektes bayerischer Bibliotheken in Kooperation mit Einrichtungen in Forschung und Verwaltung zu erläutern.

Das Abschlusspodium „Das Archiv in der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit im Archiv. Erfahrungen und Perspektiven“ fasste die vorangegangenen Diskussionen zusammen und bot Raum für persönliche Erfahrungsberichte. Dr. Bräunche (Stadtarchiv Karlsruhe – Institut für Stadtgeschichte) stellte eine beeindruckende Fülle an Projekten der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit vor, die in Kooperation mit verschiedenen Partnern realisiert werden.
Kontrovers diskutiert wurde die Rollenverteilung zwischen Universitäten und Archiven bei der Befähigung der Studierenden zur Inanspruchnahme von Archivbeständen bei Recherchen für Haus-, Diplom- oder Magisterarbeiten in Zeiten der Streichung von Lehrveranstaltungen zu den historischen Hilfswissenschaften (Stichwort: Einführung in die Paläographie) und der Wiederaufnahme von obligatorischen Archivpraktika in die Curricula.

Die Archivschule Marburg und die Fachhochschule Potsdam , Fachbereich Informationswissenschaften, sowie der Arbeitskreis Fachangestellte im VdA präsentierten sich im Rahmen der Fachmesse ARCHIVISTICA und informierten über Ausbildungsangebote und studentische Projekte.

Abstracts der Beiträge sind unter www.archivtag.de abrufbar. Die Referate werden im Beiband zum Mitteilungsblatt für das deutsche Archivwesen „Der Archivar“ veröffentlicht.

Der 77. Deutsche Archivtag wird vom 25. – 28. September 2007 in Mannheim stattfinden.