News | International / Transnational - Europa Russland stellt die sozial-religiöse Frage

Ein RLS-Seminar in Moskau suchte nach neuen Grundlagen für eine sozialpolitisches Kooperation von Kirche und Staat.

»Die Russisch-Orthodoxe Kirche und die Dimensionen der gesellschaftlichen Entwicklung im heutigen Russland« war  der Titel eines Seminars, das die Moskauer Filiale der Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen mit der Stiftung »Russisches Sozial-Politisches Zentrum« (ROPZ) und der Internationalen Abteilung des Moskauer Patriarchats am 25. September 2007 in Moskau durchführte.
 
An der Diskussion nahmen 35 Experten aus Russland, Deutschland, der Ukraine und Belarus, darunter Politologen, Naturwissenschaftler, Theologen, Parlamentsabgeordnete, Vertreter des russischen Staates und der Moskauer Stadtregierung sowie Medienvertreter teil. Sie wurde bestimmt von einem offenen Brief, den 10 Akademiemitglieder, darunter 2 Nobelpreisträger, zwei Wochen vorher an Putin gerichtet hatten. Darin forderten sie ihn auf, den Versuch der Russisch-Orthodoxen , stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen (besonders auch in und über die öffentlichen Schulen), zu unterbinden. Diese Bemühungen gibt es schon seit längerem von verschiedenen Seiten. Gleichzeitig hat die ROK vor einigen Jahren eine ebenso umfangreiche wie detaillierte Sozialkonzeption vorgelegt, mit der sie ihre Gläubigen dazu auffordert, sich gesellschaftlich für die Überwindung von Armut und sozialen Missständen einzusetzen. Zweifelsohne hat sich in Russland die sozial-religiöse Frage in den letzten Jahren erheblich zugespitzt.

 
Die Seminarteilnehmer waren sich weitgehend darin einig, dass die »Grundlagen der sozialen Konzeption der Russisch-Orthodoxen Kirche« der laufenden sozialpolitischen Debatte wesentliche Impulse verliehen hätten. Doch auch vor Veröffentlichung der »Grundlagen« sei die ROK gesellschaftlich aktiv gewesen, habe Anfang der neunziger Jahre dem Staat bei der Lösung politischer Konflikte geholfen. Heute leiste sie Kolossales bei der Betreuung obdachloser Kinder, der Pflege von Kranken und Alten sowie der Militär- und Gefängnisseelsorge. Gleichzeitig dürfe dies aber die Kritik an ihren Klerikalisierungsversuchen nicht ausschließen.

 
Das ROK-Grundsatzpapier stelle ein solides Fundament für die weitere Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat dar, so die überwiegende Ansicht der Teilnehmer. Jetzt komme es darauf an, dieser Sozialpartnerschaft einen entsprechenden rechtlichen Rahmen zu geben. Dies gelte insbesondere für die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Bildung, soziale Sicherheit, Gemeinnützigkeit und humanitärer Beistand. Sollten religiösen Organisationen im sozialen Bereich, etwa beim Betreiben von Krankenhäusern und Altenheimen, die gleichen finanziellen Möglichkeiten eingeräumt werden wie staatlichen Trägern? Nach Meinung der Seminarteilnehmer eine entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der rechtlichen Basis für das weitere Miteinander von Kirche und Staat im Sinne der »Grundlagen«.

 
Die »Grundlagen« sind nicht perfekt. Sie sind ein Anfang. Nur wenn die ROK gewillt ist, diese mit Blick auf die im Land real ablaufenden gesellschaftlichen Prozesse weiter auszuformulieren, kann die ROK letztlich jener sozialen Verantwortung gerecht werden, die sie seit geraumer Zeit  für sich in Anspruch nimmt.

Die Sozialkonzeption der ROK kann man unter www.mospat.ru/index.php nachlesen.